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dpa/Andy Rain Eine zerknitterte Pfund-Note (Symbolbild)

Währung verliert deutlich an Wert: Großbritannien droht Doppel-Rezession: Das Pfund wird zur "Pfui-Währung"

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Großbritannien steht wegen der Corona-Pandemie vor einer historischen Rezession. Dem Pfund droht dadurch - und durch die Bedrohung eines Brexits ohne Abkommen - eine enorme Abwertung.

Nichts mehr „great“ in „Great Britain“: Der Inselstaat leidet wie kein anderes europäisches Land unter der Coronavirus-Pandemie. 266.000 Menschen haben sich bereits mit Sars-CoV-2 infiziert, 37.000 Tote hat das Land zu beklagen. Nur in Russland, Brasilien und den USA wütet die Pandemie schlimmer.

Rezession droht: 14 Prozent Einbruch erwartet

Wie praktisch jedes andere Land steht auch Großbritannien wegen der Pandemie vor einer Rezession. Ökonomen der Bank of England (BoE) erwarten, dass der Einbruch schlimmer wird als je zuvor. Die Pandemie könnte das Land im laufenden Jahr 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung kosten, wie aus dem jüngsten geldpolitischen Report der BoE hervorging.

Danach muss es nicht unbedingt wieder rapide bergauf gehen. Wie die DZ Bank jüngst in einer Studie analysierte, droht Großbritannien nach der Rezession prompt ein zweites Desaster, wegen eines Themas, welches in der Corona-Krise kaum noch Beachtung findet – der bevorstehende Brexit. Hier droht erneut ein ungeregelter Austritt, denn bislang kommen die EU und die britischen Unterhändler bei den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen (FTA) nicht voran.

Verhandlungszeitraum ist „ambitioniert kurz“

„Die Auswirkungen eines ,No FTA'-Brexits auf die britische Wirtschaft wären ähnlich gravierend wie die, die der sog. No-Deal-Brexit letztes Jahr gehabt hätte“, warnten die Analysten der DZ Bank darum. Bei diesem Szenario würde „der Handel zwischen den beiden Wirtschaftsräumen von einem Tag auf den anderen nur noch auf WTO-Basis mit Zöllen und Grenzkontrollen“ stattfinden.

Momentan ist Großbritannien noch Teil der Zollunion und des EU-Binnenmarkts, so, wie es Premier Boris Johnsons Vorgängerin Theresa May für die Übergangsphase des Austritts ausgehandelt hatte. Zum Jahresende läuft diese Phase aus.

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Beide Seiten sind sich zwar grundsätzlich einig, dass nach dem Brexit ein möglichst enges Verhältnis weitergeführt werden soll – nur haben die beiden Verhandlungspartner gänzlich andere Vorstellungen davon, was unter „möglichst eng“ zu verstehen ist. Darum stocken die Verhandlungen über ein Handelsabkommen, wobei der Verhandlungszeitraum für einen Deal ohnehin schon kurz angesetzt war.

Nach Corona droht direkt die nächste ökonomische Krise

Die Analysten der Bank befürchten darum eine „Double Dip“-Rezession („W-förmig“) in Großbritannien. Ohne ein Freihandelsabkommen könnte das Land nach der Corona-Rezession direkt in den nächsten Einbruch schlittern – und damit jegliche Erholung nach dem Krisentief wieder zunichte machen.

Besonders betroffen wäre der britische Außenhandel. Dabei geht es nicht einmal „nur“ um Zölle. Allein schon die neuen Kontrollformalitäten zwischen den Wirtschaftsräumen würde die Abwicklungszeiten gerade am Nadelöhr Ärmelkanal schlagartig verlängern.

Schwächeres Pfund macht Importe teurer

Auch auf der Importseite droht Ärger. Zwar erwartet die DZ Bank, dass London allenfalls moderate Zölle erheben dürfte. Dennoch würde ein vermutlich schwächeres Pfund die Einfuhren verteuern – was wiederum nach der Krise zurückgewonnen Kaufkraft beim Konsum der Briten aufzehren würde.

In der Summe dürfte das Großbritannien zum neuen Jahr in die Rezession zurückwerfen. In diesem Szenario sinkt das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommenden Jahr um 1,6 Prozent. Im Vergleich zum erwarteten Minus im laufenden Jahr – 9,3 Prozent – und den desaströsen Prognosen der Bank of England für 2020 wirkt das zwar moderat. Allerdings sind die Unterschiede zum Basisszenario mit Freihandelsabkommen gravierend. In diesem Fall erwartet die DZ Bank nämlich ein Wachstum von 3,9 Prozent im Jahr 2021 – eine Differenz von 5,5 Prozentpunkten.

Pfund steht vor nächster Abwertungsrunde

Für das britische Pfund sind die Experten dementsprechend pessimistisch. Durch die Corona-Krise ist die Währung ohnehin schon kräftig unter die Räder geraten und ist zum US-Dollar den tiefsten Stand seit 35 Jahren gefallen. Wenn die Brexit-Verhandlungen nun wieder in den Vordergrund rücken, wird das „dem Pfund in den kommenden Monaten weitere Schwächephasen und erhöhte Volatilität bescheren“, so die DZ Bank.

Die Experten bekräftigen darum ihre Prognosen für das Szenario eines harten Brexits. Auf Sicht von sechs Monaten dürfte das Pfund zum Dollar nochmals um zehn Prozent abwerten. Ein Pfund wäre dann nur noch 1,08 Dollar wert sein, derzeit sind es noch 1,23 Dollar.

Euro / Britisches Pfund (EUR/GBP)

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Außerbörslich

Zu den Kursdaten

Zum Euro erwarten die Bankanalysten eine weniger heftige Abwertung, allerdings nur, weil auch die EU unter einem Austritt ohne Abkommen leiden dürfte. Der Kurs des Euros dürfte demnach in sechs Monaten von aktuell 0,89 Pfund auf 0,95 Pfund steigen, ein Plus zur britischen Währung von knapp sieben Prozent. Damit würde das Währungspaar EUR-GBP dennoch auf ein neues 52-Wochen-Hoch steigen.

Die DZ Bank wies jedoch darauf hin, dass diese Prognosen keineswegs als absolute Tief- beziehungsweise Höchststände zu verstehen sind. „In der ersten Hektik des Geschehens, wenn klar wird, dass die Briten tatsächlichen den harten Brexit vollziehen, sind zumindest kurzfristig noch extremere Bewegungen möglich“, warnte die Bank. Solange die Marktteilnehmer doch noch auf einen Deal hoffen, wird der harte Brexit nicht voll eingepreist sein, weshalb die Abwertung zum Euro schnell und dynamisch erfolgen werde. Der Finanznachrichtendienst Bloomberg bezeichnete Sterling bereits als „Paria-Währung“, mit der Anleger nichts zu tun haben wollen. Davon, ein "sicherer Hafen" wie der Dollar und in gewissen Maße auch noch der Euro zu sein, ist das Pfund gerade weit entfernt.

Johnson will keine Verlängerung - trotz festgefahrener Gespräche

Gegessen ist das Thema Brexit, wenngleich derzeit kaum beachtet, also nicht. Einigt sich das Land mit der EU nicht zum Jahresende, steht nach der Corona-Krise bereits das nächste Problem vor der Tür. Theoretisch ließe sich die Übergangsphase verlängern, wodurch für die Verhandlungen mehr Zeit bliebe.

Wie die Commerzbank jedoch Anfang Mai anmerkte, hat Boris Johnsons Regierung das bereits mehrfach kategorisch ausgeschlossen - obwohl die beiden Brexit-Unterhändler, David Frost und Michel Barnier, jüngst darauf hinwiesen, dass die Gespräche sich festgefahren hätten.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die Möglichkeit einer Verlängerung bleibt den Briten nur noch bis Ende Juni. Lassen sie diese Frist verstreichen, muss der Freihandelsdeal bis zum Jahresende stehen – sonst droht ein zweiter ökonomischer Schock und eine deutliche Abwertung des Pfunds.

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