Merkel und die Lockerungsrunde
Bei einer Videokonferenz zur Corona-Krise ruft die Bundeskanzlerin die ostdeutschen Regierungschefs zur Ordnung - und geht auf Distanz zu Bodo Ramelow.
by Nico FriedAngela Merkel ist fertig mit ihrer Antwort - aber nicht zufrieden. Doch jetzt redet erstmal Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin und Vorsitzende der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz. Das gibt der Kanzlerin Zeit, ein wenig nachzudenken. Das Ergebnis sieht kurz darauf so aus: Merkel ergreift von sich aus noch einmal das Wort und befindet, sie habe die Frage nach Bodo Ramelow und seiner Lockerungspolitik in Thüringen nicht wirklich beantwortet. Das holt sie jetzt nach: "Ich sag's ganz offen: Die Botschaften waren schon etwas zweideutig."
Die Regierungschefs der sechs ostdeutschen Länder konferieren regelmäßig mit der Kanzlerin. Eigentlich wollte Michael Müller die Kollegen und Angela Merkel in einem innovativen Berliner Betrieb treffen, doch wegen Corona ist man ins Kanzleramt umgezogen. Dort hat man in den vergangenen Monaten ausreichend Erfahrung mit föderalen Videoschaltkonferenzen gesammelt - technisch wie politisch. Angela Merkel allerdings findet sich deshalb in ungewohnter Rolle wieder: Wohl zum ersten Mal in bald 15 Jahren Regierungszeit ist die Kanzlerin in ihrem eigenen Amtssitz nur zu Gast.
In erster Linie ging es diesmal ums Geld. Man habe deutlich gemacht, dass man für die besondere wirtschaftliche Struktur in den neuen Ländern, wo es keine großen Konzerne gebe, auch Fördermittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung erwarte. Doch auch die Lockerungen waren ein wichtiges Thema. Denn unter den Ministerpräsidenten aus dem Osten finden sich in der Corona-Politik immer wieder besonders eigensinnige Exemplare: Mit Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern soll sich Merkel in einer früheren Schaltkonferenz über das Tempo bei der Wiederbelebung des Tourismus gezofft haben. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff zog sich vor wenigen Wochen allgemeinen Unmut zu, als er im Alleingang Treffen von bis zu fünf Personen erlaubte. Der Sachse und Christdemokrat Michael Kretschmer ließ sich demonstrativ beim ersten Besuch eines Gottesdienstes in der Kirche fotografieren. Und aktuell steht der Erfurter Regierungschef Bodo Ramelow im Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit, ein Ministerpräsident der Linken, der im Stile eines FDP-Politikers auf die Eigenverantwortung seiner Bürger setzen will.
Ramelows Idee, Verbote in Gebote umzuwandeln, habe die Ost-Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch schon beschäftigt, als die Kanzlerin noch gar nicht zugeschaltet war, berichtet Müller. Man habe in "internerer Runde besprochen, wo wir stehen", sagt der Regierende Bürgermeister. Nacheifern will er dem Kollegen offenkundig nicht. Er gehöre nicht zu denen, die eine Entscheidung eines Ministerpräsidenten unbedingt übertreffen müssten, nur um noch schneller zu sein.
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Merkel sagt, die Bürger hätten schon bisher "sehr eigenverantwortlich" gehandelt, indem sie die Regeln befolgt hätten. Nun sei "die Pandemie eingedämmt", so die Kanzlerin. "Aber das Virus ist noch da." Auch wenn es sinnvoll sei, dass die Länder stärker in ihrer Zuständigkeit Entscheidungen träfen, sei es ihr "schon wichtig, dass wir in grundsätzlichen Fragen eine Übereinstimmung haben". Für sie, sagt Merkel in erklärter Abgrenzung zu Ramelow, sei der Mindestabstand noch immer verpflichtend. Das habe etwas mit Rücksichtnahme zu tun - und damit, Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Auch auf das, was in privaten Wohnungen geschehe, habe sie "eine leicht modifizierte Sichtweise", sagt Merkel und streicht im zweiten Anlauf das "leicht", um auch hier den Unterschied zu Ramelow deutlich zu machen. Die Privatsphäre sei zu achten, aber hinweisen müsse man schon darauf, was passieren könne, wenn zu viele Leute in einem zu kleinen Raum seien und Alkohol getrunken werde.
Vom Kanzleramt aus werde man jedenfalls die Entwicklung der Pandemie "leidenschaftlich" verfolgen. Die nächste reguläre Konferenz der Kanzlerin mit allen Ministerpräsidenten ist für den 17. Juni geplant. Wann immer der Wunsch der Länder bestehe, vorher mit ihr zu reden, werde das gemacht, sagt Merkel. Und wenn umgekehrt sie womöglich den Wunsch hätte, mit den Ministerpräsidenten zu sprechen, da ist sie sich sicher, "würden die das auch machen".