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Der gebürtige Hamburger Jörn Bülck pendelt seit über 20 Jahren täglich vom Landkreis Bad Tölz nach Poing und zurück. Am 31. Juli geht der Leiter der Seerosenschule in Ruhestand.© Johannes Dziemballa

Rektor Jörn Bülck: Von Hamburg über Bad Tölz und Poing in den Ruhestand

Seerosenschule

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Nach knapp 30 Jahren an der Seerosenschule geht Jörn Bülck Ende Juli in den Ruhestand. Der Rektor sagt über seine Erfahrungen: „Die Erziehungsfähigkeit der Eltern hat abgenommen.“ 

Poing –Das erste Mal nach Jahrzehnten wollte Jörn Bülck zusammen mit seiner Frau außerhalb der Schulferien in den Urlaub fahren. Mit dem eigenen VW-Bus nach Korsika. Tja. Corona macht’s momentan nicht möglich. Genauso wenig, wie eine gebührende Abschiedsfeier: Jörn Bülck geht am 31. Juli in den Ruhestand. Der 65-Jährige ist seit 2008 Leiter der Seerosenschule Poing, seit 1992 ist er als Lehrer am Sonderpädagogischen Förderzentrum tätig. Dass es keine große Abschiedsfeier geben kann, tue ihm zwar leid, weil er sich so gerne gebührend von allen Kolleginnen und Kollegen und den Schülern verabschiedet hätte, sagt er. Auf der anderen Seite aber ist’s für ihn persönlich nicht so tragisch, weil: „Ich stehe überhaupt nicht gerne im Mittelpunkt.“ Lieber arbeitet und setzt er sich im Hintergrund ein. Nicht nur in der Schule, sondern auch in der Gewerkschaft, wo er seit Jahrzehnten Mitglied ist.

Förderzentrum Poing: Lehrer und Mensch

Dennoch stand und steht Jörn Bülck, gebürtiger Hamburger, in der Seerosenschule im Mittelpunkt. Als Dreh- und Angelpunkt für das Kollegium, für die Eltern, für die Schüler. Nicht nur in der Position und Funktion als Schulleiter, sondern insbesondere als Mensch. Bei Gesprächen mit Eltern zum Beispiel zur Frage, ob und warum ihr Kind in ein Förderzentrum gehen sollte. „Ich habe nie jemanden gezwungen. Wenn, dann müssen alle mitmachen, auch die Eltern. Ich habe aber auch nie ein Kind abgelehnt“, sagt Bülck. Auch wenn dies theoretisch möglich wäre, wenn die Schulleitung merkt, dass das Kind, auf Behördendeutsch: nicht beschulbar ist, und sich die Schule, salopp gesagt, das nicht antun möchte. Weil das Kind zu verhaltensauffällig ist und nicht in eine Klassengemeinschaft passt.

Poing: Unterricht flexibel gestalten

Dennoch hat Jörn Bülck in den vergangenen Jahren auch solche Fälle aufgenommen. Ein Kind, das keinerlei Grenzen kennt und stets randaliert, zum Beispiel. Für solche Fälle habe er den Unterricht flexibler gestaltet, mit Hilfe und Unterstützung des Kollegiums. Damit besonders verhaltensauffällige Schüler zumindest zwei, drei Stunden unterrichtet und danach für den Tag wieder nach Hause entlassen werden können. Um ihnen zumindest für einige Zeit Struktur zu geben und sie zu erreichen. Außerdem hat Jörn Bülck Schulbegleiter installiert, die sich intensiv um besonders auffällige Kinder kümmern.

Von Sprachheilschule zu Förderzentrum

„Es gibt viel mehr Kinder mit herausforderndem Verhalten als früher“, sagt der Schulleiter. Heutzutage sei die Situation in Familien komplizierter als vor 20 Jahren: viel mehr Stress und Druck im Beruf und im Alltag, dafür weniger Zeit für die Kinder. „Die Erziehungsfähigkeit der Eltern hat abgenommen“, sagt Bülck. „Die Bereitschaft, Regeln durchzusetzen, ist geringer geworden.“ Weil oftmals die Kraft und Energie fehle.

Höchststand an Schülern

Als er 1992 als Lehrer ans Sonderpädagogische Förderzentrum (SFZ) nach Forstinning kam, war diese eine reine Sprachheilschule. Normalbegabte Kinder mit Sprachauffälligkeiten. Zehn Klassen (1. bis 4. Jahrgangsstufe) und vier Vorschulgruppen.

Im Laufe der Jahre wurden, auf politischem Bestreben hin, die Sprachheilschulen mit Förderzentren verzahnt. Vor Kurzem, erzählt Bülck, habe die Seerosenschule (die seit 1999 in Poing steht) einen Schülerhöchststand erreicht: 228. 19 Klassen (1. bis 9. Jahrgangsstufe) und zwei Vorschulgruppen. Das habe drei Gründe: „Zum Teil liegt es am Zuzug.“ Vielmehr aber: „Die Möglichkeiten für Grundschulen, halbwegs inklusiv tätig zu werden, sind weniger geworden.“ Und, drittens: Eltern würden schlechte Erfahrungen machen mit Inklusion an Grund- und Mittelschulen.

Rektor lobt Kollegium

Die Seerosenschule ist der langsamere, intensive Einstieg ins Schulleben, mit viel Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. „In diesem Job braucht man viel Empathie“, sagt Jörn Bülck. Jeder einzelne Kollege, jede einzelne Kollegin habe diese Eigenschaft, weshalb der Chef sagt: „Es ist ein Traumkollegium.“ Eine Schule, von der man als Lehrer nicht freiwillig weggehe. In den knapp 30 Jahren, in denen er am SFZ ist, seien nur drei Lehrkräfte gegangen: eine der Liebe wegen, eine, weil sie was anderes arbeiten wollte, „und die dritte will wieder zurück“.

Jörn Bülck: Am 31. Juli ist Schluss

Dass Kinder/Jugendliche die Seerosenschule verlassen, kommt oft vor: „Im Durchschnitt fangen wir in der 1. Klasse mit 25 Kindern an. Davon bleiben etwa drei bis vier bis zur Abschlussklasse, der 9. Klasse, bei uns.“ Alle anderen wechseln im Laufe der Jahre in die Regelschule. Eine Bilanz, die für die gute und erfolgreiche Arbeit der Schule spricht.

Jörn Bülck verlässt am 31. Juli nach dann 28 Jahren das SFZ. So lange waren bzw. sind nicht viele dabei. Jeden Tag, so erzählt er, sei er gerne hier an der Schule. Von halb sieben in der Früh bis normalerweise fünf am Nachmittag. Seit 1999 bedeutet jeder Schultag für ihn auch eine kleine Reise: Bülck pendelt täglich von seinem Wohnort im Landkreis Bad Tölz nach Poing und zurück. Diese Reise fällt ab 1. August weg. Die Reise nach Korsika werden er und seine Frau irgendwann nachholen.

Jörn Bülck ist nicht der einzige, der nach langer Dienstzeit in Poing in Ruhestand geht. Bereits Ende April endete die Amtszeit vonAlbert Hingerl als Erster Bürgermeister.