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Die Sonne geht hinter dem Fahrzeugmontagegebäude der NASA im Cape Canaveral, Floriada unter. | Bildquelle: via REUTERS

Ein Meilenstein für die US-Raumfahrt

"Crew Dragon" fliegt zur ISS

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Am späten Abend mitteleuropäischer Zeit will die NASA zum ersten Mal seit neun Jahren wieder Astronauten von den USA aus zur ISS schicken - an Bord der Raumkapsel "Crew Dragon" des privaten Unternehmens SpaceX.

Der heutige Tag ist ein besonderer in der Geschichte der US-Raumfahrt. 2011 waren zum letzten Mal Astronauten von den USA aus zur ISS gestartet. Damals hatte die NASA das Space Shuttle-Programm aus Kostengründen eingestellt. Alle Astronauten, die seitdem zur ISS geflogen sind, waren auf Russland angewiesen, auch die Astronauten der Europäischen Weltraumagentur. Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst war 2014 und 2018 mit einer russischen Sojus-Kapsel zur ISS geflogen.

Erster Flug von NASA-Astronauten mit SpaceX-Rakete
tagesschau 17:00 Uhr, 27.05.2020, Stefan Niemann, ARD Washington

Der ehemalige Astronaut und ESA-Koordinator Thomas Reiter wertet das so: "Wenn man sich vor Augen führt, wie lange die USA auf die Möglichkeit, vom eigenen Boden Astronauten zur ISS zu schicken, verzichten mussten, dann ist das ein ganz wichtiger Moment für die NASA und auch für das amerikanische Selbstverständnis. Auch die Tatsache, dass das jetzt zum ersten Mal eine kommerzielle astronautische Mission ist, macht diesen Start aus meiner Sicht zu einem Meilenstein."

Zusammenarbeit mit SpaceX

Die beiden US-Astronauten Robert Behnken und Douglas Hurley sollen nun an Bord der Raumkapsel "Crew Dragon" mit einer "Falcon 9"- Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral aus starten. Sowohl die Rakete als auch die Kapsel stammen von SpaceX. Das Unternehmen war 2002 vom US-amerikanischen Milliardär Elon Musk gegründet worden.

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Die US-Astronauten Douglas Hurley und Robert Behnken sollen an Bord der Raumkapsel "Crew Dragon" mit einer "Falcon 9"- Rakete ins All starten. | Bildquelle: dpa

Nachdem die USA Anfang des Jahrzehnts ihr Shuttle-Programm eingestellt hatten, arbeitete die NASA mit privaten Raumfahrtunternehmen zusammen, um für die USA wieder einen bemannten Weltraumzugang bereitzustellen. Im Rahmen des "Commercial Crew Program" konnten private Raumfahrtunternehmen unter Vorgaben und mit finanzieller Unterstützung der NASA privat betriebene Raumschiffe entwickeln.

Raumfahrtexperte Gerhard Daum erklärt: "In den ersten Phasen waren es noch fünf bzw. vier Firmen. Im Jahr 2014 entschied sich dann die NASA für das SpaceX Dragon Raumschiff und das Boeing Starliner Raumschiff. Es wurden deshalb zwei Firmen ausgewählt, um zu gewährleisten, dass man ein Back-up-System hat. Sollte es bei einem System einen längeren Ausfall geben, so hätte man immer noch ein zweites System zur Verfügung."

Mehrere Transportsysteme

Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft sowohl Russen als auch Amerikaner mit SpaceX und Boeing zur ISS fliegen werden. Die NASA wählte für den Premierenflug jetzt SpaceX. Das Unternehmen fliegt bereits seit 2012 unbemannte Versorgungsflüge zur ISS. Im März 2019 hatte SpaceX erfolgreich die "Crew Dragon" zur ISS geschickt, allerdings ohne Astronauten: In der Kapsel saß ein Dummy im Raumanzug.

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Die SpaceX-"Falcon 9"-Rakete mit der Raumkapsel "Crew Dragon" auf der Rampe des Startkomplexes im Kennedy Space Center der NASA. | Bildquelle: via REUTERS

Der Boeing-Testflug zur ISS im Dezember war nur teilweise erfolgreich verlaufen. Die unbemannte Raumkapsel verfehlte beispielsweise die Umlaufbahn und konnte nicht an der ISS andocken.

Thomas Reiter begrüßt es, dass, wenn alles nach Plan läuft, demnächst mehrere technische Systeme zur Verfügung stehen: "Man war in den vielen Jahren auf ein einziges Transportsystem angewiesen. Und natürlich gab es in dieser Zeit Momente, in denen man die Luft anhalten musste, wenn eine Fehlfunktion auftrat."

Im Oktober 2018 etwa war ein Sojus-Start zur ISS misslungen. Die beiden Besatzungsmitglieder mussten in Kasachstan notlanden.

US-Interesse an der ISS

Jan Wörner, Generaldirektor der ESA, erwähnt, dass es in der Geschichte der US-Raumfahrt schon öfter Phasen gab, in denen die NASA keine Astronauten ins All fliegen konnte, etwa nach Beendigung des Apollo-Programms in den 1970-er Jahren. Das sei aber nicht mit heute vergleichbar: "Mit der Internationalen Raumstation gab es einen Ort, zu dem man hinfliegen wollte, und das war für viele ein Problem."

Einen eigenen Zugang zur ISS zu haben ist für die NASA wichtig, nicht nur deshalb, um nicht weiter von Russland abhängig zu sein. Die Raumfahrt insgesamt kommerzialisiert sich, im All gibt es zunehmend Geld zu verdienen. Es geht um kommerzielle Experimente und um Touristen - auch auf der ISS ändern sich das Leben und das Arbeiten.

Da passt es ins Bild, dass NASA-Chef Jim Bridenstine kürzlich angekündigt hat, ein Hollywood-Projekt auf der ISS realisieren zu wollen. Schauspieler Tom Cruise soll mit SpaceX zur ISS fliegen, um dort einen Film zu drehen.

Geschäfte und Pioniergeist im Weltraum

Die USA haben ehrgeizige Pläne im Weltraum. US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, 2024 mit dem Artemis-Programm wieder bemannt zum Mond fliegen zu wollen. Die erste Frau auf dem Mond in der Geschichte der Menschheit soll eine Amerikanerin sein. Neben Nationalstolz und Geschäftsmodellen geht es dabei auch um Pioniergeist. Wörner sagt, dass die Amerikaner seit jeher im All Pionierarbeit betreiben, auch ohne einen direkten Nutzen vor Augen zu haben.

Er gibt ein Beispiel: "Als wir von der ESA vor einigen Jahren mit den Amerikanern darüber geredet haben, was wir in Zukunft machen, sprachen sie davon, einen Asteroiden einzufangen. Den könnte man in eine Umlaufbahn um den Mond bringen und dann dort landen. Auf die Frage, warum sie das machen wollen, sagten sie: Das sei Pionierarbeit."

Wörner sagt, dass er für Pionierarbeit dieser Art von den ESA-Mitgliedsländern nicht sehr viel Geld zu erwarten hätte: "Wir sind sehr viel stärker darauf ausgerichtet, dass das, was wir machen, einen Effekt hat für die Gesellschaft oder die Wirtschaft oder für die Umwelt, am besten alles zusammen."

Deutscher ESA-Astronaut auf ISS

Matthias Maurer wird der nächste deutsche ESA-Astronaut sein, der zur ISS fliegt. Noch ist unklar, wann das sein wird, und mit wem Maurer abheben wird. Wörner wagt dennoch eine Prognose: "Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit SpaceX fliegt, ist schon ziemlich groß."

Die NASA berichtet am 27.Mai ab 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit live von den Vorbereitungen und dem Start auf ihrer homepage: www.nasa.gov