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dpa/Oliver Berg/dpabild Eine Auszubildende zur Schweißerin arbeitet an einem Stück Metall.

Kurzarbeitergeld wirkt: Mega-Crash ohne Arbeitslose? Warum die Corona-Keule nur verzögert zuschlägt

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Noch verhindert die Kurzarbeit Entlassungen in großem Stil. Doch je länger die Krise dauert, umso mehr Menschen könnten in die Erwerbslosigkeit rutschen. Mit Verhältnissen wie in den USA ist erstmal nicht zu rechnen – doch besonders hart dürfte es Berufsanfänger treffen.

Das Coronavirus infiziert nicht nur Menschen, sondern auch die Wirtschaft. Das ist bekannt. Und jetzt, da die Symptome sichtbar werden, setzten viele europäischen Länder auf ein scheinbares Patentrezept: die Kurzarbeit. Sie soll den Arbeitsmarkt vor einer der heftigsten Nebenwirkungen der Pandemie, der Massenarbeitslosigkeit, schützen.

10,1 Millionen Anträge auf Kurzarbeit

Ende April hatten Unternehmen in der Europäischen Union (EU) sowie Großbritannien und der Schweiz bereits für rund 50 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit beantragt. Davon entfielen allein auf Deutschland 10,1 Millionen Anträge. Damit könnte die Option Kurzarbeit hierzulande mehr als ein Viertel (26,9 Prozent) aller Beschäftigten vor einem kurzfristig drohendem Jobverlust schützen.

Zwar dürfte letzten Endes die Zahl der Anträge spürbar höher sein als die Zahl der Beschäftigten, die Unternehmen tatsächlich in Kurzarbeit schicken, weil Firmen oft präventiv für größere Gruppen Kurzarbeit beantragen. Das zeigt auch das Krisenjahr von 2009: Damals gingen bei den Arbeitsagenturen Kurzarbeitsanzeigen für 3,3 Millionen Menschen ein, in der Spitze gab es aber nur rund 1,4 Millionen Kurzarbeiter. Dennoch hat der Anstieg bei der angezeigten Kurzarbeit auf rund zehn Millionen die Erwartungen von Experten deutlich übertroffen.

Kurzarbeit: Massenarbeitslosigkeit wie in den USA soll verhindert werden

Was die Kurzarbeit schlussendlich kosten wird, ist schwer vorherzusagen, doch am Ende wird eine Zahl mit neun Nullen stehen. „Kurzarbeit ist teuer, aber Arbeitslosigkeit ist um ein Vielfaches teurer“, machte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) deutlich. Die Bundesagentur für Arbeit sei mit rund 26 Milliarden Euro Rücklagen in das Jahr gestartet. Im Jahresverlauf werde sich zeigen, ob die Rücklagen reichen oder Liquiditätshilfen des Bundes notwendig werden.

Für den Arbeitsminister steht fest: Eine ähnliche Tragödie wie in den USA muss vermieden werden. Dort verloren im April 20,5 Millionen Menschen ihren Job. Seit Beginn der Coronakrise haben mittlerweile rund 38 Millionen einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt. Die US-Notenbank (Fed) hält in den nächsten Monaten eine Arbeitslosenquote von knapp 20 Prozent für möglich. Momentan liegt sie bei fast 15 Prozent.

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Neueinstellungen gibt es kaum noch

„Die Kurzarbeit ist unsere starke Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal“, versprach Arbeitsminister Heil mit Blick auf die brisante Lage in Übersee. Doch kann das als Heilmittel angepriesene arbeitsmarktpolitische Instrument der Kurzarbeit funktionieren? Vor allem langfristig?

Vorübergehend jedenfalls verhindert die Kurzarbeit, dass die Arbeitslosenstatistik explodiert. Eine deutliche Steigerung gab es dennoch. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte im April einen Anstieg der Arbeitslosenzahl um 308.000 auf knapp 2,65 Millionen. Das sind 415.000 mehr als im April des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 5,8 Prozent. „Das Kurzarbeitergeld scheint zu wirken“, bewertete BA-Chef Detlef Scheele bei der Vorstellung der Zahlen in Nürnberg die Daten. „Entlassungen finden nicht in großem Umfang statt. Die Betriebe halten Mitarbeiter.“

Doch so niedrig die Zahl im Vergleich zu den USA auch scheinen mögen, die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt auch: Die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Betrieben ist stark eingebrochen.

Besonders deutlich wird das beim Blick auf die derzeitige Nachfrage nach neuen Arbeitskräften. Im April 2020 waren nur noch 626.000 unbesetzte Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet, 169.000 weniger als noch vor einem Jahr. Im Klartext heißt das: Besonders schwierig haben es derzeit Berufseinsteiger wie etwa Uni-Absolventen und Lehrlinge. Unternehmen stellen kaum noch ein. Der Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer sagte kürzlich in einem Interview: „Selbst in wirtschaftlich guten Jahren wie zuletzt werden Millionen Menschen arbeitslos, finden dann aber zügig wieder eine neue Stelle. Das ist jetzt anders – weil fast alle Unternehmen von der Corona-Krise betroffen sind.“

Die Dauer der Krise ist entscheidend für die Arbeitslosenzahlen

Brechen Aufträge und Umsätze eines Unternehmens weg, würden diese laut Schäfer meist nacheinander verschiedene Instrumente nutzen, um ihre wirtschaftliche Schieflage zu beheben. Dazu zählen der Stopp von Neueinstellungen, der Verzicht auf Zeitarbeiter und das Beantragen von Kurzarbeit. Aber auch das könne nicht verhindern, dass einige Unternehmen dennoch pleitegehen und die Beschäftigten ihre Jobs verlieren. Der Schock bei den Arbeitslosenzahlen könnte also mit einer deutlichen Verzögerung eintreffen.

Ob aus Kurzarbeit auch vermehrt Arbeitslosigkeit wird, hängt am Ende entscheidend davon ab, wie lange die Krise dauert. Auch weil das Kurzarbeitergeld nicht ewig gezahlt wird. Derzeit in der Regel längstens für zwölf Monate.

Mehr dazu lesen Sie hier:   Arbeitnehmer im Kurzarbeits-Schock: Welche rechtlichen Fallstricke Sie kennen müssen

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht die Bundesrepublik auf die größte Rezession ihrer Geschichte zusteuern. Die jüngste Konjunkturprognose des IW geht davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um neun Prozent zurückgehen wird. Erst im dritten Quartal 2021 rechnen die Forscher damit, dass Deutschland sein Niveau des vergangenen Jahres wieder erreicht – zumindest solange es keinen erneuten globalen Schock geben wird.

Krise dürfte länger dauern als viele vermuten

Nicht nur kurz- sondern auch mittelfristig wird die Corona-Krise eine Herausforderung für die Wirtschaft bleiben. Dementsprechend verhalten geben sich die Betriebe. In einer IW-Konjunkturumfrage unter Unternehmen blicken die Befragten fast genauso pessimistisch auf die Zeit bis einschließlich 2021 wie auf das anstehende Frühjahr und den Sommer 2020, in dem die Auswirkungen der Corona-Krise noch akut sind. „Trotz Lockerungen ist bei vielen Firmen an eine Rückkehr zur Normalität so schnell nicht zu denken“, bilanziert IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die Talsohle dieser Krise ist immer noch nicht durchschritten. Die Erholung wird länger dauern als viele vermuten.“

Die Crux: Wenn aufgrund fehlender Einnahmen die Überlebensfähigkeit der Unternehmen trotz der zahlreichen staatlichen Hilfen weiter gefährdet wird, sind die Probleme nur vertagt – auch Entlassungen.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht den Arbeitsmarkt angesichts dessen massiv unter Druck. Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“, mahnt: „Kurzarbeit wird zwar viele Jobs retten, aber dennoch erwarten die Arbeitsagenturen in den nächsten Monaten eine stark steigende Arbeitslosigkeit.“ Da Kurzarbeit alleine nicht reiche, sei es außerordentlich wichtig, Konjunkturimpulse zu setzen, Neueinstellungen zu unterstützen – auch dort, wo trotz der aktuellen Krise Personalmangel herrsche – und eine Verfestigung von Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

In Italien war Kurzarbeit kein Erfolgsmodell

Denn dass Kurzarbeit nicht immer von Erfolg gekrönt ist, zeigt auch der Blick nach Südeuropa. Italiener etwa nutzen das „deutsche Patentrezept“ der Kurzarbeit seit Jahren, um in Phasen der Rezession Beschäftigte im Unternehmen halten zu können. Auch in der Finanzkrise von 2008/2009 kam sie zum Einsatz. Dennoch stieg dort die Arbeitslosenquote in den Folgejahren auf mehr als 12 Prozent an. Das Vorkrisen-Niveau erreichte Italien nicht mehr.

Was das Beispiel zeigt? Kurzarbeit bremst drohende Beschäftigungsverluste bestenfalls aus. Dauerhaft oder vollständig aufhalten, kann sie diese aber nicht. Wie die Krise hierzulande ausgehen wird, ist offen. Vieles dürfte auch von einer drohenden zweiten Infektionswelle und deren Folgen abhängen.

Immerhin: Das IAB ging jüngst in einer Studie davon aus, dass der deutsche Arbeitsmarkt nicht im selben Maße einbrechen wird wie die Konjunktur. Ein hoffnungsvolles Signal – angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Monaten.

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