Skiort als "Superspreader-Location": "Ground Zero"-Effekt: Studie offenbart, was Ischgl-Drama für Deutschland bedeutete
by FOCUS Online"Virenschleuder Europas", "Corona-Epizentrum" - der sonst so beliebte Wintersportort Ischgl musste in der Virus-Krise massive Kritik einstecken. Nun zeigt eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, welchen Einfluss die geografische Nähe zu Ischl für die Verbreitung von Covid-19 in Deutschland hatte.
Ischgl, das stand einmal für Pisten, Schnee und Party. Auf rund 1600 Einwohner kommen mehr als 10.000 Gästebetten und 239 Kilometer Skipiste. "Relax, if you can" lautet der Marketing-Slogan des kleinen österreichischen Ortes. Die entspannte Stimmung aber ist verflogen seit klar ist, dass sich von dort aus das Coronavirus nach ganz Europa verbreiten konnte.
Die Vorwürfe gegen die Verantwortlichen vor Ort wiegen schwer: Schon am 5. März gab es Warnhinweise, dass sich eine isländische Reisegruppe in dem Skiort infiziert hatte. Doch der Skibetrieb lief noch tagelang weiter.
Einfluss der Ischgl-Rückkehrer auf die Virus-Verbreitung in Deutschland
Nun hat das Institut für Weltwirtschaft in Kiel ausgewertet, welchen Einfluss die Rückkehrer aus Ischgl auf die Verbreitung des Virus in Deutschland hatten. Die Studienmacher kommen zu dem Ergebnis, dass eine geografische Nähe zu Ischgl einer der Hauptrisikofaktoren für eine vergleichsweise hohe Infektionsrate in der Bevölkerung ist. So haben Landkreise, die besonders nah an der sogenannten "Superspreader-Location" liegen, systematisch höhere Infektionsraten als weiter entfernte.
Für die Studie haben die Experten die Daten des Robert-Koch-Instituts aus den 401 deutschen Landkreisen ausgewertet. Der Kreis Vorpommern-Rügen ist der am weitesten von Ischgl entfernt liegende deutsche Landkreis. "Lägen alle deutschen Kreise so weit weg von Ischgl wie der Kreis Vorpommern-Rügen, gäbe es in Deutschland fast 50 Prozent weniger Infektionen mit dem Coronavirus", sagt IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. "Schon ein um zehn Prozent kürzerer Anfahrtsweg nach Ischgl, erhöht die Infektionsrate im Durchschnitt um neun Prozent", so Felbermayr.
Rund um Heinsberg kein vergleichbarer Effekt sichtbar
Besonders interessant: Der Einfluss, den die Nähe zu Ischgl auf das Infektionsgeschehen hat, änderte sich über den Zeitverlauf nicht. Die besonders nah zu Ischgl liegenden Landkreise bleiben stärker betroffen als andere. Zum Vergleich untersuchten die Wissenschaftler auch den deutschen Corona-Hotspot Heinsberg. Hier war kein ähnlicher geografischer Effekt feststellbar.
Bestätigt sehen die Forscher die These, dass die langsame Reaktion auf die Corona-Infektionen in Ischgl "fatal" war. Sie bezeichnen Ischgl als "Ground Zero" der deutschen Corona-Verbreitung. Daten vom 20. März 2020 zeigen, dass ein Drittel aller Fälle in Dänemark und ein Sechstel aller Fälle in Schweden auf Ischgl zurückgeführt werden konnten. Die Studie zeigt: Rechtzeitige Reiseverbote können die Verbreitung des Virus eindämmen - und beliebte Reiseziele wie Ischgl spielen in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Rolle.
Alle Informationen zum Coronavirus im News-Ticker von FOCUS Online.
Auch Konfessionszugehörigkeit spielt eine Rolle
Neben der geografischen Nähe offenbaren die Daten des Kieler Instituts noch einen weiteren interessanten Einflussfaktor: der Anteil der katholischen Bevölkerung. Diesen Effekt führt IfW-Präsident Felbermayr auf die zahlreichen Karnevalsfeiern zurück, die Ende Februar in vor allem katholisch geprägten Orten stattfanden. Auch hierauf sind viele Infektionen mit Covid-19 in Deutschland zurückzuführen.
Salzwasser-Trick zeigt: In Erdbeeren verstecken sich mehr Tierchen als gedacht
„Aus aller Welt“ abonnieren