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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
© REUTERS/Johanna Geron

EU-Corona-Hilfe: Viel Drama, viel Streit und sehr viel Geld

Brüssel will insgesamt gewaltige 2.400 Milliarden Euro ausgeben, um Europas Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Kanzler Kurz beharrt: Mehr Kredite, weniger Zuschüsse.

Sie hat begonnen – die „Mutter aller Schlachten“ um das Geld in der Europäischen Union: Gerungen wird dabei nicht nur um das nächste, siebenjährige EU-Budget mit einem Volumen von rund 1.100 Milliarden Euro. Gekämpft wird auch um die Verteilung von zusätzlichen 750 Milliarden Euro, die den von der Corona-Krise besonders schwer getroffenen Staaten wieder auf die Beine helfen sollen.

Italien und Spanien werden demnach einen großen Teil dieser Hilfe ausschöpfen (insgesamt 313 Milliarden Euro), wie die EU-Kommission am Mittwoch darlegte. Entsprechend zufrieden fielen gestern die ersten Reaktionen aus Rom und aus Madrid aus.

Und um ein Scheitern der Verhandlungen ums große Geld gleich von vornherein zu verhindern, präsentierte Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen sorgsam austarierten Kompromissplan: Eine halbe Billion Euro für den Wiederaufbau der Wirtschaft wird in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen verteilt, sagte die Kommissionschefin.

Damit kommt sie den Forderungen der deutschen Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron entgegen: Beide pochten auf die Vergabe von Zuschüssen; angesichts der Schwere der Krise sei einigen Ländern nur so zu helfen.

Kurz: Mehr Kredite, weniger Zuschüsse

Dagegen aber stemmen sich Kanzler Sebastian Kurz und die drei Regierungschefs von Schweden, Dänemarks und der Niederlande. Zusammen beharren die sogenannten „sparsamen vier“ darauf, dass die Hilfsgelder nur als Kredite vergeben und zurückgezahlt werden. Laut Kommissionsplan wären dies nun 250 Milliarden Euro – ein Kompromissangebot an die „sparsamen vier“.

Kurz sieht den Kommissionsplan in einer ersten Reaktion darauf als "Startpunkt für die Verhandlungen". Positiv sei anzumerken, so der Kanzler, "dass die Zahlungen aus dem Wiederaufbaufonds zeitlich befristet sein sollen und sichergestellt ist, dass es dadurch keinen Einstieg in eine dauerhafte Schuldenunion gibt."

Was aus Sicht des Kanzler allerdings noch verhandelt werden müsse: "Die Höhe sowie das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Krediten. Es ist naheliegend, dass die Südländer möglichst viel einfordern, dass die Visegrad-Staaten darauf schauen, dass Geld auch in den Osten Europas fließt. Genauso gibt es die Länder, die zahlen müssen, wie die Niederlande, die Schweden, die Dänen und wir. Wir sprechen uns daher aus Verantwortung gegenüber unseren Steuerzahlern klar für Kredite aus.“

Auch in den Niederlanden bewertet man den Kommissionsplan noch nicht als konsensfähig. „Die Positionen liegen weit auseinander“, kommentierte ein niederländischer Diplomat am Mittwoch in Brüssel. Es sei schwer vorstellbar, dass der Vorschlag so angenommen werde.

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Vier Milliarden für Österreich

Laut Plan der Kommission würden Österreich Zuwendungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro zukommen. Bahnbrechend neu an den Wiederaufbaumilliarden der EU ist die Art, wie sie aufgebracht werden: Die Kommission erhält grünes Licht, die gewaltige Summe auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen. Die EU-Staaten garantieren dafür, aber nur für den Anteil, den sie auch am EU-Budget leisten: Im Fall Österreichs wären dies 2,6 Prozent der Summe.

„Eine gemeinsame Schuldenaufnahme ist in dieser Krise sinnvoll, weil damit auch die hoch verschuldeten Länder billiges Geld bekommen und in der Krise gegensteuern können“, sagt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger. Er habe aber auch „Verständnis, dass die Nettozahler es mit gewisser Vorsicht machen wollen und Bedingungen stellen“, führt der nunmehrige Chef der "Querdenkerplattform" gegenüber dem KURIER aus.

Abgestottert werden die 750 Milliarden in den kommenden Jahrzehnten aus dem EU-Haushalt – also letztlich über die Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten.

1.100 Milliarden fürd Budget

Wenig Überraschung bot Kommissionschefin von der Leyen gestern hingegen mit ihren Vorschlägen für das kommende EU-Budget: Rund 1.100 Milliarden Euro soll der Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 umfassen.

Zusammen mit den Corona-Hilfsmilliarden stehe der EU damit eine „Feuerkraft von 1,85 Billionen Euro zur Verfügung, um den Motor der europäischen Wirtschaft wieder anzuwerfen“, sagte sie. Bereits beschlossen wurden in der EU ein Paket an Kredithilfen für Kurzarbeiter, Unternehmen und Gesundheitskosten der EU-Staaten in Höhe von 540 Milliarden Euro.

EU: 750 Milliarden-Plan gegen die Corona-Krise

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„In der Summe würde das unsere Anstrengungen für die wirtschaftliche Erholung auf 2,4 Billionen Euro bringen“, rechnete von der Leyen vor.

Doch mit der Präsentation dieser Pläne hat das Ringen um die Milliarden erst begonnen: Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen einhellig zustimmen, das EU-Parlament muss ebenfalls Ja sagen.

Dabei zeichnen sich alte Gräben ab: Die „sparsamen vier“ und Deutschland, allesamt Nettobeitragszahler, beharren auf ihren Rabatten hinsichtlich der Beiträge. Und von höheren Beiträgen ins EU-Budget will man schon gar nichts hören.

Zudem pochen sie darauf, dass die Budget-Ausgaben anders gewichtet werden müssen: Viel mehr Geld in Digitalisierung, Forschung und Klimaschutz und viel weniger für den noch immer riesigen Agrarbereich. Für ihn sind rund 30 Prozent der EU-Budgetausgaben vorgesehen. Aiginger: "30 Prozent Agrarmittel ist eine Idiotie, und diese Mittel gehen größtenteils für die Agrarindustrie. 20 Prozent wären genug, und davon müssten die Gelder in regionale und Bergbauernförderung fließen und nicht in die Unterstütztung für die Großbauern."

infoboxZehn Nettozahler<p>Zehn EU-Staaten &uuml;berweisen mehr Geld an Br&uuml;ssel als sie zur&uuml;ckbekommen: &Ouml;sterreich, Deutschland, D&auml;nemark, Schweden, Finnland, die Niederlande, Irland, Belgien, Frankreich und Italien. Auch das ausgeschiedene Gro&szlig;britannien war ein Nettozahler</p> <p><strong>Wer am meisten aus Br&uuml;ssel erh&auml;lt:&nbsp;</strong><br> In absoluten Zahlen ist Polen der gr&ouml;&szlig;te Nettoempf&auml;nger (rund zw&ouml;lf Milliarden Euro pro Jahr); gefolgt von Ungarn und Griechenland. Pro Einwohner gerechnet profitierte Litauen am meisten von der EU: 610 Euro pro Kopf/Jahr. Darauf folgt Ungarn: 533 Euro pro Kopf/Jahr</p> <p>&nbsp;</p> closed

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