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Einsatzkräfte in Hongkong zielen auf Demonstranten. Ihr Zeichen des Protests sind die Regenschirme.
(Foto: REUTERS)

300 Festnahmen in Hongkong

Die Polizei vertreibt die Menge an mehreren Orten mit Pfefferspray und löst Straßenblockaden auf. Trump kündigt "interessante" Reaktion an.

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In Hongkong ist die Polizei massiv gegen Tausende Demonstranten vorgegangen, die gegen das von China geplante sogenannte Sicherheitsgesetz protestiert haben. Rund 300 Menschen seien wegen unerlaubter Zusammenkunft festgenommen worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Sie setzte Pfefferspray ein, um die Menge zu vertreiben, und räumte Straßenblockaden im Finanzviertel der Millionenmetropole. Die kürzlich vorgelegten Pläne der Führung in Peking haben die Massenproteste gegen die Regierung in der Sonderverwaltungszone wiederbelebt. Die Demonstranten fürchten den Verlust von Freiheiten, die die ehemalige britische Kronkolonie seit ihrer Rückgabe an China genießt.

Vergangene Woche hatte Chinas Regierungschef Li Keqiang neue Gesetze und "Durchsetzungsmechanismen" zur Wahrung der nationalen Sicherheit in Hongkong angekündigt. Demnach könnten chinesische Polizei und Geheimdienste mit weitreichenden Befugnissen nach Hongkong verlegt werden. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam verteidigte die Pläne am Dienstag. Das neue Sicherheitsgesetz werde die Rechte und Freiheiten Hongkongs nicht beeinträchtigen, sagte sie. Doch viele Hongkonger gingen bereits am Sonntag und Dienstag auf die Straße. Am Mittwoch waren sie aufgerufen, sich rings um das Parlamentsgebäude zu versammeln, in dem ein Gesetz beraten werden sollte, das Respektlosigkeit gegenüber der chinesischen Nationalhymne unter Strafe stellt. Hunderte Polizisten riegelten das Gebäude jedoch ab. In der Stadt kesselten Polizisten Gruppen von Dutzenden Menschen ein, die sie für Protestierende hielten. Menschen jeden Alters versammelten sich in den Straßen. Einige trugen Schwarz, andere Büro-Kleidung, wieder andere Schuluniformen. Manch einer verbarg sich hinter einem aufgespannten Regenschirm - das Symbol der Proteste, die 2019 die Finanzmetropole monatelang erschüttert hatte.

"Obwohl man tief im Herzen Angst hat, muss man laut seine Meinung äußern", sagte eine 29-jährige Büroangestellte, die sich mit Schutzbrille und Atemschutzmaske ausgerüstet hatte. Ein Hotel-Manager räumte ein, er habe Angst. "Aber wenn du heute nicht rauskommst, dann wirst du das nie wieder können. Dieses Gesetz betrifft uns direkt." Als die Kundgebungen im Finanzdistrikt abebbten, versammelten sich Hunderte Menschen im Arbeiterviertel Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon. Kurzzeitig gelang es Demonstranten, Straßen zu blockieren.

"'Ein Land, zwei Systeme' ist eine Lüge"

Zahlreiche Geschäfte, Bankfilialen und Bürogebäude schlossen schon früh. In einem Einkaufszentrum skandierten Demonstranten "Befreit Hongkong!" und "Hongkongs Unabhängigkeit ist der einzige Ausweg!" Auf einem Plakat, das ein Demonstrant trug, stand: "'Ein Land, zwei Systeme' ist eine Lüge". Nach dem Prinzip wird Hongkong seit der Rückgabe an China 1997 mit mehr Freiheiten und autonom regiert, als das im chinesischen Kernland erlaubt ist. Dies ist laut Vertrag bis mindestens 2047 garantiert.

Doch genau das werde von der Führung in Peking untergraben, befürchten nicht nur Einwohner Hongkongs und Bürgerrechtler, sondern auch zahlreiche Staaten. So äußerte sich Japan zutiefst besorgt. Auch die Europäische Union und Großbritannien haben ihre Kritik an den Gesetzesplänen geäußert.

US-Präsident Donald Trump, der bereits mit China wegen des Handelsstreits und der Coronavirus-Pandemie über Kreuz liegt, drohte am Dienstag erneut mit einer harten Reaktion. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, sagte, der Präsident sei "verärgert" über Chinas Vorgehen. Es sei schwierig zu erkennen, wie Hongkong ein Finanzzentrum bleiben könne, wenn China die umstrittenen Pläne vorantreibe.Trump wurde später von Journalisten nach etwaigen Maßnahmen gegen China gefragt. "Wir machen derzeit etwas, ich denke, das werden Sie sehr interessant finden", sagte er. Er wolle darüber noch nicht sprechen, werde sich aber vor dem Ende der Woche dazu äußern.

Chinas Außenministerium erklärte, man werde Gegenmaßnahmen treffen, sollte sich das Ausland in rein innere Angelegenheiten einmischen. Die zunehmenden Spannungen belasteten auch die chinesischen Börsen.