Antisemitismus im Karneval
Fragwürdige Antwort auf den Brief der „Kölsche Kippa Köpp“
by Monika SalchertKöln - „Tiefe Bestürzung, Wut und Verärgerung“: In einem Brief an den Generaldelegierten der Regierung Flanderns, zugestellt über die belgische Botschaft in Berlin, drückt Aaron Knappstein als Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft „Kölsche Kippa Köpp“ sein völliges Unverständnis über die Vorgänge rund um die Karnevalsumzüge in Aalst aus.
Den Brief schickten die Kippa Köpp am 26. Februar, kurz nach dem Ende der Karnevalssession 2020, los. Auslöser war die Karnevalsparade drei Tage zuvor in der belgischen Stadt, bei der eine Gruppe antisemitische Motive auf Wagen und in der Fußgruppe zeigte. Ebenso wie im Jahr 2019. Ungeachtet der damaligen Proteste gab es erneut Karikaturen orthodoxer Juden, die zum Beispiel als große Insekten, als Ungeziefer oder als Schießbudenfiguren in einem Jahrmarktstand dargestellt wurden.
„Völlig inakzeptabel“
Vor einigen Tagen traf die Antwort aus Aalst ein. Absender ist Jan Jambon, Ministerpräsident und Minister für Kultur in Flandern. Der Inhalt löste in Köln keine Begeisterungsstürme aus. Jambon schreibt unter anderem, er „sei sich bewusst, dass die Karnevalsumzüge 2019 und 2020 eine heftige Kontroverse ausgelöst hätten. Er könne sich auch gut vorstellen, dass viele Menschen diese als verletzend empfunden hätten“. Auch im Rahmen eines Besuchs „von Auschwitz-Birkenau Ende Januar 2020 habe ich erklärt, dass – im Wissen darum, was der jüdischen Gemeinschaft widerfahren ist – ich es nicht für wünschenswert halte, dies bei »Aalst Carnaval« zu thematisieren.“
Die Kölner Karnevalisten stellen in ihrem Schreiben klar, dass „es keine auch nur halbwegs ernsthafte Rechtfertigung für dieses Zurschaustellen dunkelster antisemitischer Klischees“ gebe. „Keine noch so herbeigeredete Freiheit deckt antisemitischen Hass ab. Meinungsfreiheit endet immer dort, wo Menschenverachtung beginnt.“
Aaron Knappstein findet Antwort „inakzeptabel“
Was der Wunsch des Ministerpräsidenten bei seinen Landsleuten in Aalst bewirkt hat, ist bekannt. Heftige Kritik oder gar Konsequenzen fürchteten die Karnevalisten offenbar nicht. Mit Recht nicht. Das zeigt ein weiterer Passus in dem Antwortbrief an die Kölschen Kippa Köpp. „Für die flämische Regierung ist es weder einfach noch wünschenswert, sich zu sehr in Diskussionen oder Kontroversen über bestimmte Traditionen einzumischen oder (Teile von) Veranstaltungen zu verbieten.“ Solange man innerhalb des gesetzlichen Rahmens bleibe, könne die Regierung nicht intervenieren. Denn Zensur stehe nicht zur Debatte. Jambon verspricht aber: „Die flämische Regierung wird die Stadt Aalst und die Karnevalisten in aller Ruhe dazu auffordern, im Hinblick auf die folgenden Karnevalsveranstaltungen voll und ganz auf Dialog zu setzen.“
Aaron Knappstein ist von derartigen Sätzen wenig erbaut: „Persönlich finde ich es völlig inakzeptabel, sich im Januar 2020 in Auschwitz-Birkenau hinzustellen und zu sagen, dass es »wünschenswert« wäre, keinen Antisemitismus im Aalster Karneval darzustellen. Ohne »Zensur« üben zu müssen, hätte man hier ganz andere und vor allem unmissverständliche Worte finden können und müssen.“ Den angekündigten Dialog sieht er eher skeptisch: „Ich versuche mich darüber zu freuen, dass es Gespräche gibt. Dialog ist ja an sich immer gut. Aber das, was in dem Brief steht, lässt mich sehr daran zweifeln, dass die Gespräche zu einem positiven Ergebnis führen können. Man hört ja auch nichts konkretes.“
Kein Welterbe mehr
Die Erklärungsversuche und den Verweis auf die Tradition findet er „abstoßend“. „Man hinterfragt doch auch Traditionen. Außerdem fragen wir uns, auf welche Tradition man sich bei diesen Karikaturen beruft? Bestimmte Dinge kann man einfach nicht machen. Dazu gehören diese absolut antisemitischen Darstellungen in den Karnevalsparaden. Satire oder Ähnliches erkennen wir nicht.“
Das können offenbar die Verantwortlichen bei der Unesco auch nicht. Wegen der antisemitischen und rassistischen Darstellungen strich sie die Karnevalsparade in Aalst bereits Ende 2019 von der Liste des Immateriellen Kulturerbes.