Staatstrauer in Spanien: Gedenken 27.000 Corona-Tote
Mit der längsten Staatstrauer seiner demokratischen Geschichte gedenkt Spanien zehn Tage lang der mehr als 27.000 Todesopfer der Pandemie in dem Corona-Hotspot. Die Ehrung begann am Mittwoch mit einer bewegenden Schweigeminute im ganzen Land. Von Barcelona bis Bilbao, von Madrid bis Murcia hielten die Menschen ab zwölf Uhr zum Teil viel länger als vorgesehen still.
Autos und Busse blieben stehen. Überall wurden die Landesfahnen auf halbmast gesetzt. Es handelt sich um die längste Staatstrauer in Spanien seit dem Ende der Diktatur von Francisco Franco im Jahr 1975.
König Felipe VI., Königin Letizia, die 14-jährige Kronprinzessin Leonor und Infantin Sofia (13) absolvierten die Zeremonie im Vorgarten ihrer Residenz Palacio de la Zarzuela nordwestlich von Madrid. "Ganz Spanien weint um so viele Tausende Landleute, die wir in dieser Pandemie verloren haben", twitterte das Königshaus.
Im Regierungssitz Palacio de la Moncloa stand der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez der Zeremonie vor. Im Parlament unterbrach die Gedenkzeremonie eine sehr hitzige Debatte. Die Abgeordneten standen alle auf, viele waren sichtlich bewegt.
Die Schweigeminute war vor allem auf den Straßen sehr ergreifend. Der staatliche Fernsehsender RTVE zeigte, wie überall im Land die Menschen aus Wohnhäusern, Geschäften und öffentlichen Gebäuden strömten, um die Opfer des Virus öffentlich zu würdigen. Vor Krankenhäusern versammelten sich viele Ärzte, Pfleger und Patienten. Einige hatten Tränen in den Augen. Das Gesundheitspersonal war zum Höhepunkt der Krise Ende März und Anfang April enormen Belastungen ausgesetzt, Krankenhäuser und Kliniken standen zeitweilig vor dem Kollaps. Mindestens 35 Ärzte und Pfleger starben mit der Covid-19-Krankheit.
Auf den Straßen blieben Passanten aller Altersgruppen stehen. Vor den Altersheimen, in denen das Virus Tausende Menschenleben forderte, standen Betreuer und zum Teil sehr betagte und auf einen Rollstuhl angewiesene Senioren still, wie die RTVE-Kameras zeigten. Die 54-jährige Architektin Marta, der das Virus die Mutter (82) entriss, sagte in Madrid der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Es fühlt sich so an, als ob das ganze Land von meiner Mama Abschied genommen hat." Zum Abschluss der Zeremonie gab es vielerorts lauten Beifall.
Regierungssprecherin Maria Jesus Montero hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass acht von zehn Menschen, die an Covid-19 starben, älter als 70 gewesen seien. Sie hätten in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre dabei geholfen, Spanien beim schwierigen Übergang von der Diktatur (1939-1975) in die Demokratie aufzubauen.
Mit mehr als 235.000 Infektionsfällen und über 27.100 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder der Welt. Die Zahl der Menschenleben, die Corona forderte, könnte aber viel höher liegen. Die Behörden gaben am Mittwoch inmitten der Trauer die seit März registrierte sogenannte Übersterblichkeit bekannt: Demnach starben in den vergangenen drei Monaten 43.000 Menschen mehr als im Vorjahreszeitraum.
Im Kampf gegen Corona erzielt Spanien aber seit Wochen beachtliche Fortschritte. Seit Mitte März gelten im Rahmen eines mehrfach vom Parlament verlängerten Alarmzustandes strenge Ausgangsbeschränkungen und Regelungen, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert werden. Sanchez betonte mehrfach, diese Maßnahmen seien dafür verantwortlich, dass die Zahlen immer besser werden. Seit über einer Woche ist die Zahl der täglich gemeldeten neuen Todesfälle nur noch zweistellig.