Box-Manager Nartz erinnert sich an legendären WM-Kampf
Vor 25 Jahren: Maskes umstrittener Sieg gegen Rocky
27. Mai 1995, Westfalenhalle, Dortmund. Henry Maske gegen Graciano Rocchigiani. Ein Boxkampf elektrisiert Deutschland. In der blauen Ecke "Gentleman" Maske, Box-Liebling der seit kurzem wiedervereinten Nation, in der roten Ecke "Rocky", der Berliner "Straßenköter". 13 Millionen Deutsche haben RTL laufen, als der Gong schlägt für "Eine Frage der Ehre"
Jean-Marcel Nartz zog damals als Matchmaker des Sauerland-Boxstalls die Fäden. Im Interview mit RTL/ntv erinnert sich der 74-Jährige an den legendären Fight, erzählt, wen er als Sieger sah und deutet an, dass das Punkturteil offenbar nicht ganz hasenrein zustande kam.
Warum war der Kampf zwischen Henry Maske und Graciano Rocchigiani eigentlich "Eine Frage der Ehre" und wurde als solche promotet?
Die Idee für den Titel hatte Kai Ebel. Kai hat damals nicht nachgelassen, RTL zu überzeugen. Sauerland (Wilfried Sauerland, Maskes Promoter, die Red.) wollte ursprünglich eigentlich zur ARD, die hatten damals aber noch gar nicht erkannt, was für ein Potenzial in Henry steckte. Kai hatte das gut erkannt, er war ja auch ein Boxfan. Er rief dann immer bei mir an und so wurde das Ganze dann in Berlin festgemacht.
Jean Marcel Nartz zog als Matchmaker des Sauerland-Boxstalls 1995 die Fäden
Henry Maske war immer der "Gentleman" – wie kam es zu diesem edlen "Kampfnamen"?
Henry hatte sich anfangs vehement gegen den Gentleman gewehrt. Journalisten aus Ost-Deutschland hatten ihn zunächst nach einem Besuch in Miami zum 'Weißen Tiger' gemacht. Da habe ich gesagt: 'Den kannste nicht weißen Tiger nennen, der kann ja kein Ei zerschlagen (lacht, Maske gewann nur 11 seiner 32 Kämpfe durch K.o., Anm.d.Red.). Gentleman passt da besser, der kann boxen, aber er ist kein Tiger, kein Beißer.' So wurde er der Gentleman.
Rocky machte aus dem Kampf ein Ost-West-Duell
So war Maske gegen Rocky dann auch das Duell der Gegensätze: "Gentleman vs. "Straßenköter", Ossi vs. Wessi wurde im Vorfeld tituliert …
Rocky war einfach einer aus dem Volk, was Henry so nie war, obwohl er natürlich eine Persönlichkeit war. Rocky war ein Mann vom Volke. Achterbahn-Leben, mal besoffen, mal nüchtern, mal verhurt. Viele haben sich mit ihm und ihrem eigenen Leben identifiziert. Er war einfach eine Fighter-Natur, aber er konnte auch boxen. Das haben viele verhehlt.
So entstand die Situation der Gentleman aus dem Osten und der Streetfighter aus dem Westen. So kam das mit dem Ossi gegen den Wessi. Etwas, das Henry so nie wollte. Aber Rocky hat immer darauf gedrängt, auch bei der Pressekonferenz in Dortmund machte er ganz klar. 'Was erzählst du für einen Stuss, das ist ein Ost-West-Duell.' So ist das entstanden.
Rocky war sowieso derjenige, der durch seine Äußerungen das Ganze angeheizt hat. Das war nie Henrys Sache oder die von Manfred Wolke (Maskes Trainer, Anm.d.Red.), die sich nur auf das Sportliche konzentrieren wollten. Ein Ballyhoo wollten sie nicht und das ganze Wessi-Gedöns mochten sie überhaupt nicht.
Und durch diese Gegensätze …
Dadurch zog der Kampf ganz Deutschland in seinen Bann. Dank RTL, dank der ganzen Choreographie, an der Helmut Thoma (damals RTL-Geschäftsführer, Anm.d.Red.), der ein Fan von Henry war, einen großen Anteil hatte. Die Lasershow, die damals in der Westfalenhalle gemacht wurde, die war sensationell. So etwas hat es in Deutschland in dieser Form auch nicht mehr gegeben. Die Quoten haben es dann ja auch bestätigt.
Kein Skandalurteil, aber "skandalöse" Wertungen
Was hielten Sie selbst von dem Kampf?
Ich persönlich wollte den Kampf nie. Ich war damals bei Sauerland angestellt und musste für Maske sein, aber mein Herz schlug auch für Rocky. Denn Rocky hat unter meiner Regie als Matchmaker keinen einzigen Kampf verloren. Er war ja zwischendurch weg, weil ihn Sauerland nicht so gut behandelte, wie er den Henry behandelte, weil Rocky immer der Beschissene war. Deswegen wollte ich den Kampf nicht, obwohl ich wusste, dass er viel Geld bringen würde für beide. Und Rocky brauchte das Geld dringender als Henry.
Maske gewann auf den Punktzetteln deutlich nach Punkten, obwohl der Kampf mehr als ausgeglichen war – ein Skandalurteil?
Maske gewann nach einem umstrittenen Punktsieg
Ein Skandalurteil würde ich es nicht nennen. Auf meinem Punktzettel stand ein Unentschieden mit Tendenz zu Rocky. Das spiegelte sich ja auch in der Zuschauerreaktionen wider. Als Rocky als Erster in den Ring kam, wurde er ausgepfiffen und Henry danach bejubelt. Nach dem Kampf wurde Rocky bejubelt und Henry ausgepfiffen. Das sagt eigentlich alles aus. Ich würde es eher RTL-Heimurteil nennen.
Die Punkturteile, also die Einzelwertungen, die waren skandalös, machten am Ende aber nichts aus. Es war ja egal, ob Henry zwei oder vier oder sechs Punkte vorne lag. Das war nicht korrekt, wie die Punktrichter gepunktet haben. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass die drei Herren im Vorfeld mit Samthandschuhen behandelt und umgarnt wurden.
Sie haben lange auch als Boxfunktionär gearbeitet – hätte der Ringrichter Maskes Bodenbesuch in Runde 12 als Niederschlag werten müssen?
Es war ein Fehler des Ringrichters den Niederschlag nicht als Niederschlag zu werten. Deswegen war bei mir die Tendenz auch eher zu Rocky als zu Maske. Es war ein Niederschlag, hundertprozentig, auch wenn Henry das bis heute abstreitet.
Das Interview führte Martin Armbruster