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Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer skizzierte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Köln den aktuellen Stand rund um den gigantischen Missbrauchskomplex, der in Bergisch Gladbach seinen Ursprung hatteFoto: Oliver Berg / dpa
Neue Details im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach

Baby aus Fängendes Vaters gerettet

Ermittler macht die Arbeit krank

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Bergisch Gladbach – Im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach ist eine weitere Anklage erhoben worden. Das sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Köln. Dabei wurden auch weitere erschreckende Dimensionen rund um den gewaltigen Missbrauchsring bekannt.

Die neue Anklage richte sich gegen einen Mann aus Bergisch Gladbach. Er soll unter anderem einer Chatgruppe angehört haben, in der kinderpornografische Bilder und Videos sowie Missbrauchsfantasien ausgetauscht wurden, so Bremer.

Der Mann befinde sich in Untersuchungshaft. Ihm werde sexueller Missbrauch von Kindern in mehreren Fällen zur Last gelegt.

Es offenbare sich hier ein „Abgrund“, der verstöre, sagte der Oberstaatsanwalt. Die Fallzahlen werden sich wohl noch deutlich erhöhen. „Wo wir am Ende stehen werden, lässt sich beim besten Willen nicht prognostizieren.“

Insgesamt 72 Tatverdächtige aus allen 16 Bundesländern wurden bislang identifiziert. Allein 32 stammen aus NRW, sagte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob.

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Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob: „Die psychische Belastung bei den Ermittlern ist enorm.“Foto: Oliver Berg / dpa

Am 13. Mai gelang den Ermittlern offenbar ein großer Schlag gegen den Missbrauchsring. In Baden-Württemberg sei der Administrator eines der Chatforen, in dem sich Pädophile ausgetauscht hätten, festgenommen worden, sagte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob bei der Pressekonferenz. Kriminaldirektor Michael Esser beschrieb den Festgenommenen als „zentrale Persönlichkeit, die die Chatverläufe zusammenhält“. Das Amtsgericht Offenburg habe mittlerweile Untersuchungshaft gegen den Mann verhängt.

Esser berichte von dem SEK-Einsatz: „Wir mussten sehr schnell vorgehen. Die Wohnungstür musste mit einer Schrotflinte beschossen werden, damit wir ohne Verzögerung in das Zimmer vordringen konnten, um den Verdächtigen festnehmen zu können.“

In der Wohnung des Mannes stellten die Ermittler jede Menge Beweismittel sicher – unter anderem sieben Handys, aber auch verstörende Dinge: „Wir entdeckten Kinderunterwäsche, die definitiv nicht zum Haushalt gehören kann, wodurch der Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern untermauert wurde.“

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Michael Esser, Leiter der Ermittlungsgruppe „Berg“Foto: Oliver Berg / dpa

Durch Auswertung der Chatverläufe erfuhren die Ermittler, dass ein Kind eines der Chatpartner aktuell noch missbraucht wurde – es handelte sich um ein drei Monate altes Baby eines Mannes aus Ostdeutschland. Die Polizei nahm auch diesen Mann fest.

▶ ︎Bislang seien 44 Opfer im Alter von drei Monaten bis 14 Jahren bekannt. Viele auf sichergestellten Fotos und Videos zu sehende Kinder seien aber noch nicht identifiziert, an ihnen gehe der Missbrauch aktuell weiter. Um ihr Martyrium zu beenden und die Täter zu finden, gehen die Ermittler mit den Bildern in Schulen, fragen Lehrer und andere Aufsichtspersonen, ob sie die Kinder kennen. Dafür wurde eine spezielle Öffentlichkeitsfahndung erwirkt.

Aktuell liegen den 120 Ermittlern mindestens 85 Terabyte Material zum Auswerten vor.

Jacob: „Die psychische Belastung ist enorm. Einige Kollegen haben sich offenbart, dass sie es nicht mehr ertragen, hier mitzuarbeiten.“ Mindestens drei mit dem Fall beschäftigte Ermittler seien längerfristig krankgeschrieben – trotz psychologischer Unterstützung.

Anonymer Dankesbrief

Gleichzeitig stellte Jacob klar, wie wichtig die Arbeit der Polizei sei. In der vergangenen Woche habe er einen anonymen Dankesbrief erhalten. Von einer Person, die selbst missbraucht worden ist. Jacob: „Der Brief macht für mich deutlich, wie wichtig es ist, dass wir in diesem Verfahren weitermachen. Um weiteren Missbrauch zu verhindern und um Opfern Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen.“

Die Beamten bekommen bei ihrer Arbeit unglaubliche Sachen zu hören, sagte Michael Esser, der die Ermittlungsgruppe „Berg“ leitet: „Wir erleben Tatverdächtige, die uns weismachen wollen, dass die Kinder genau das wollen, was ihnen angetan wird. Viele Kinder glauben, es ist normal, was ihnen dort angetan wird. Das zeigt uns, dass dieses Thema leider in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.“

Prozess-Lawine hat bereits begonnen

Polizeipräsident Jacob: „Wer hätte gedacht, dass wir in der gesellschaftlichen Mitte auf so eine sexualisierte Gewalt in Deutschland stoßen.“