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Wen hat das KSK eigentlich im Visier?© picture alliance / Kay Nietfeld/
Rechtsextreme

Gegen die Mauer des Schweigens

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Der jüngste Skandal in der Elitetruppe KSK versetzt deren Kommandeur in Rage und animiert Politiker zur Offensive gegen rechte Umtriebe in den deutschen Streitkräften.

War das nun eine Entschuldigung oder Fassungslosigkeit? Im Verteidigungsausschuss des Bundestags beschrieb der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) den Ermittlungsversuch seiner Behörde jedenfalls mit ernüchternden Worten: „Sie stoßen auf eine Mauer des Schweigens“, wurde Christof Gramm von Teilnehmern zitiert. Es ging um Nachforschungen in der Elitetruppe der Bundeswehr, dem Kommando Spezialkräfte (KSK). Ein KSK-Soldat stand unter Verdacht rechtsextremer Umtriebe.

Vor zwei Wochen wurde der 45-Jährige aus Sachsen festgenommen, auf seinem Grundstück hatte man bei einer Razzia Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt. Erstmals war der Soldat 2017 aufgefallen; eine Soldatin meldete, er habe bei einer Feier den Hitler-Gruß gezeigt. Es war das Jahr, in dem der Bundeswehrsoldat Franco A. wegen möglicher rechtsterroristischer Anschlagpläne festgenommen wurde.

Der Waffenfund hat nun die KSK-Führung aufgeschreckt. „Dieser Fall stellt eine neue alarmierende Qualität dar“, las der Kommandeur, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, seiner Truppe die Leviten. Das KSK soll von Natur aus unauffällig agieren, aber auch proaktiv und offensiv. An die offensiven Formulierungen des Chefs wird man sich im KSK erst gewöhnen müssen. „Inmitten unserer Gemeinschaft befanden und befinden sich offensichtlich noch immer Individuen, die dem sogenannten rechten Spektrum zuzuordnen sind.“ Kreitmayr präzisierte, es handele sich um Personen rechtsextremer Gesinnung, mit fehlender Verfassungstreue oder Nähe zur Reichsbürger-Bewegung.

„Sie gehören nicht zu uns!“

Razzia bei Reichsbürgern

Polizisten durchsuchten in den Morgenstunden des Mittwochs die Wohnungen von 31 mutmaßlichen Reichsbürgern. Im Fokus standen 25 Wohnobjekte in Baden-Württemberg und Hessen, wie das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mitteilte. Bei den Beschuldigten handele es sich um Führungsmitglieder und Angehörige der Reichsbürgerorganisationen „Republik Baden“ und „Freier Volksstaat Württemberg“ sowie ihrer Dachorganisation „Staatenbund Deutsches Reich“. 

Die Staatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe werfen ihnen den Angaben nach unter anderem gewerbsmäßige Urkundenfälschung und Sachbeschädigung vor. Die Verdächtigen sollen Reisepässe, Führerscheine und Staatsangehörigkeitsurkunden gefälscht und hergestellt haben. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, massenhaft Faxnachrichten mit staatsleugnerischen Inhalten an verschiedene Behörden versandt zu haben. dpa

Diese Soldaten sollten die Truppe am besten von sich aus verlassen. „Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!“, versprach Kreitmayr. „Sie verdienen unsere Kameradschaft nicht! Sie gehören nicht zu uns!“

Auch das Verteidigungsministerium zieht nach der jüngsten personellen Verstärkung des MAD zur Abwehr von Rechtsextremismus ein weiteres Register: Eine Arbeitsgruppe wird den aktuellen Vorfall untersuchen. Ihr Bericht soll Ende Juni in der letzten Sitzungswoche des Bundestags vor der Sommerpause vorliegen. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müsse geklärt werden, warum der Fall so lange unentdeckt blieb oder innerhalb der Truppe möglicherweise aus Angst vor „Nestbeschmutzung“ Informationen nicht weitergegeben wurden. Angesichts der Spezialkämpfer-Ausbildung des Sachsen „hätte richtig was passieren können“. CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte: „Bundeswehr und Sicherheitsbehörden sollten den Weg abhanden gekommener Waffen, Munition und Sprengstoff aus den vergangenen Jahren intensiver ermitteln.“

Suche nach Netzwerken

Erneut wird nun auch die Frage nach rechtsextremen Netzwerken in der Bundeswehr aufgeworfen – und speziell im KSK, in dem es bereits mehrere solche Fälle gegeben hat. Es müsse auch geklärt werden, „wo von außen versucht wird, Einfluss zu nehmen“, sagte Strack-Zimmermann. Sie hält Verbindungen innerhalb wie außerhalb der Bundeswehr für wahrscheinlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Einzelleute sind.“ SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu meint, es gebe keine Belege für ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Bundeswehr. „Bei einer so auffälligen statistischen Häufung wie im KSK kann man aber auch nicht mehr von ‚Einzeltätern‘ sprechen.“

Schon 2017 hatte MAD-Chef Gramm in einem Interview im Magazin „Der Spiegel“ gesagt, man dürfe sich nicht mehr der „Illusion eines Einzelfalls“ hingeben. Damals versicherte er, es habe durch Franco A. einen Sensibilisierungsschub in der Truppe gegeben. Die „Mauer des Schweigens“ ist aber offenbar stehen geblieben.