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Menschen laufen vor einer schwedischen Flagge entlang. | Bildquelle: AFP

"Das Mobbingopfer Europas"

Reisebeschränkungen für Schweden

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Mehrere europäische Länder wollen Einreisen von Ausländern bald wieder erlauben - außer von Schweden. Grund sind die hohen Infektionszahlen in dem Land. Nun fürchten die Schweden um ihren Sommerurlaub.

"Sind wir Schweden mit unserem eigenen Weg durch die Corona-Krise jetzt so etwas wie das Mobbingopfer Europas?", fragte ein Fernsehmoderator am Wochenende. Also mit vergleichsweise geringen Einschränkungen im Alltag, wenig Tests, aber mehr als 4000 Toten? Das könne man wohl so sagen, meint die Reiseexpertin Lotti Knutson im Sender TV4.

Einreiseverbote für Schweden

Gerade war bekannt geworden, dass Zypern Mitte Juni die Öffnung seiner Grenzen für Direktflüge mit gesund getesteten Touristen unter anderem aus Deutschland, Dänemark, Norwegen oder Finnland plant - aber eben nicht für Besucher aus Schweden. Denn die gelten offenbar generell als zu großes Infektionsrisiko. "Wir sind da wohl unerwünscht", so Knutson.

"Dabei haben viele Schweden Ferienimmobilien im Ausland und auch SAS, die skandinavische Airline, ist betroffen, weil sie in diese Regionen fliegt." Jetzt bestehe die Gefahr, dass andere Länder nachziehen und Reisekorridore zwischen einzelnen Ländern entstehen. "Die baltischen Staaten öffnen sich beispielsweise für Finnland, aber nicht für uns. Das ist gar nicht gut."

Regierung kalt erwischt

Diese Fakten sorgen für Schlagzeilen im Land, dessen Bürger plötzlich gar nicht mehr so entspannt auf die Folgen ihrer eher lässigen Corona-Politik schauen. Zumal die Unsicherheiten nur wenige Wochen vor den langen und vor allem lange herbeigesehnten Sommerferien kommen.

Man fürchtet, vom langsam wieder anlaufenden Tourismus bis auf Weiteres ausgeschlossen zu werden. Die Regierung gibt sich überrascht und enttäuscht, so wie Gesundheitsministerin Lena Hallengren: "Schweden war vor und während der Krise eines der Länder mit offenen Grenzen für Waren und Menschen. Wir sind grundsätzlich dafür, dass alle Länder gleich behandelt werden, egal in welchem Zusammenhang." Was Zypern vorhabe, sei deshalb unglücklich. "Auf der anderen Seite sollten Schweden im Moment ohnehin nicht woanders in Europa Urlaub machen."

Drohen weitere Einreiseverbote?

Die offizielle Reisewarnung der Regierung Stockholm gilt zunächst noch bis Mitte Juli. So lange bliebe das vermeintliche Mobbing der anderen Länder für die Schweden zwar ärgerlich, aber ohne konkrete Folgen - denn sie sollen ja eh nicht verreisen.

Nur, was kommt danach? Drohen womöglich weitere Einreiseverbote in Europa und wären diese legal? Ulf Bernitz, Professor für EU-Recht an der Uni Stockholm, hat eine klare, wenn auch sicher nicht gern gehörte Antwort: "Ja, für kurze Zeit", sagte er im schwedischen Rundfunk, "und mit Blick auf die Ansteckungsgefahr müssen wir wohl damit rechnen." Der Weg in den Sommerurlaub könnte für die Schweden auch ohne Reisewarnung der Regierung schnell an der eigenen Landesgrenze enden.

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"Stay Home" mal anders: Viele Schweden stellen sich bereits darauf ein, den Sommerurlaub zu Hause zu verbringen. Etwa an einem der zahlreichen Seen oder Fjorde - dort lässt es sich wohl auch ganz gut aushalten. | Bildquelle: picture alliance / Mary Evans Pi

"Hemester" statt "Semester"

Doch die pragmatischen Schweden stellen sich bereits darauf ein: Nur wenige wollen es trotzdem mit einer Auslandsreise versuchen, die Masse macht die Ferien, auf Schwedisch "Semester", zum "Hemester", also Urlaub zu Hause. Boote und kleine Sommerhäuser sind derzeit gefragt wie lange nicht und auch der Outdoor-Handel brummt. Der Verkauf von Zelten, Gaskochern, Angeln oder Wanderschuhen ist in vielen Läden um mehr als 50 Prozent gestiegen

Schweden fürchten um Reisefreiheit
Carsten Schmiester, ARD Stockholm
26.05.2020 06:56 Uhr