Kommentar

Von der Leyen will aus der Coronakrise eine Chance für Europa machen – das könnte ihr gelingen

Das Corona-Wiederaufbauprogramm ist sorgfältig austariert. Der Plan könnte das Meisterstück der ersten Deutschen an der Spitze der EU-Kommission werden.

by
https://www.handelsblatt.com/images/ursula-von-der-leyen/25865966/3-format2020.jpg
Ursula von der Leyen

Die Chancen sind gestiegen, dass die Kommissionschefin ihren historischen Plan beim EU-Gipfel am 18. Juni durchbringt.(Foto: Reuters)

Ihr Start war holprig, und ihre ersten Monate im Brüsseler Amt verliefen nicht eben glanzvoll. Doch nun scheint Ursula von der Leyen in Brüssel Tritt zu fassen. Die EU-Kommissionspräsidentin legte einen politisch und ökonomisch sorgfältig austarierten Wiederaufbauplan vor.

Für alle großen EU-Staaten ist etwas dabei: Italien und Spanien sind die Hauptgewinner des 750 Milliarden Euro schweren Hilfsfonds. Mangelnde Solidarität können die von der Coronakrise schwer getroffenen Südeuropäer der EU jetzt kaum noch vorwerfen.

Das von der Pandemie nur wenig in Mitleidenschaft gezogene Polen schneidet ebenfalls sehr gut ab – ein notwendiger Schachzug, denn ohne die Zustimmung des größten Staates in Mittel- und Osteuropa geht gar nichts. Mit Frankreich und Deutschland hatte sich die Kommissionschefin bereits im Vorfeld abgestimmt, sie folgte im Wesentlichen dem Vorschlag der beiden größten EU-Staaten.

Damit steigen die Chancen, dass von der Leyen ihren historischen Plan beim EU-Gipfel am 18. Juni durchbringt, auch wenn das sicher nicht einfach wird. Vor allem Österreich und die Niederlande müssen noch überzeugt werden.

Die EU schlägt mit dieser Antwort auf die Coronakrise ein neues, historisches Kapitel auf: Erstmals macht die Staatengemeinschaft im großen Stil Schulden, um Transfers an finanzschwache Mitgliedstaaten zu finanzieren. Dafür muss die nächste Generation geradestehen, die noch keine politische Stimme hat. Zu rechtfertigen ist das nur, wenn sie auch von den schuldenfinanzierten Ausgaben profitiert.

Deshalb müssen die milliardenschweren Subventionen für den Klimaschutz, die Digitalisierung und die Stärkung des Binnenmarkts reserviert sein. Genau das hat Ursula von der Leyen vorgeschlagen. Natürlich besteht die Gefahr, dass die Regierungen mit dem Geld am Ende doch wieder alte Industrien päppeln. Das wäre aber nicht die Schuld der Kommissionschefin. Ursula von der Leyen hat mit diesem Plan bewiesen, dass sie die Kunst des Möglichen beherrscht.

Mehr: Lesen Sie hier, warum die Rettung der Lufthansa in der Coronakrise verschoben wird