Karl-Ludwig Kley

Deutschlands wohl mächtigster Aufsichtsrat steht derzeit unter Dauerfeuer

Als Chefkontrolleur steckt Karl-Ludwig Kley mit der Lufthansa mitten im Existenzkampf. Jetzt gibt es auch noch Ärger bei seinem anderen Mandat Eon.

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Karl-Ludwig Kley auf einem Laptop-Monitor

Die Lufthansa-Hauptversammlung fand in diesem Jahr erstmalig virtuell statt. Eine Ausnahmesituation für den Chefkontrolleur.(Foto: imago images/Rene Traut)

Düsseldorf, Frankfurt. Der Gesichtsausdruck war ernst. Mit einer fast versteinert wirkenden Miene eröffnete Karl-Ludwig Kley am 5. Mai das Aktionärstreffen der Lufthansa. „In dieser Hauptversammlung ist alles anders als sonst“, sagte der Chefkontrolleur. Und er musste es nicht groß erklären.

Nur wenige Menschen hatte Kley in einem Sitzungszimmer im Lufthansa Aviation Center, der Konzernzentrale, um sich versammelt. Die Coronakrise hatte das Jahrestreffen der Anteilseigner in die virtuelle Welt gedrängt. Und Lufthansa an den Rand des Abgrunds.

Auch für Kley, der in wenigen Tagen 69 Jahre alt wird und Aufsichtsratschef der nach Umsatz bisher größten Fluggesellschaft Europas ist, war das eine Ausnahmesituation. Kley gelingt es in der Regel bestens, auch große Versammlungen eloquent zu steuern. Doch an diesem Tag fehlten die Lufthansa-Aktionäre – und damit die Interaktion. „Wir versuchen, möglichst viel vom Geist der vergangenen Hauptversammlungen in diese virtuelle zu übertragen“, versprach Kley und blickte in die Kamera.

Auch ohne die Aktionärskritik auf offener Bühne steht das Aufsichtsgremium um Kley unter massivem Druck. Die EU-Kommission hat Bedenken gegen die Staatshilfen formuliert. Der Aufsichtsrat will prüfen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich daraus ergeben könnten.

„Vor diesem Hintergrund hat der Aufsichtsrat dem Stabilisierungspaket in Zusammenhang mit den EU-Auflagen nicht zustimmen können“, teilte die Lufthansa am Mittwoch mit. Die Finanzhilfen sähe das Gremium aber weiterhin als einzig gangbare Alternative an. Auch die Entscheidung über die Einberufung einer Hauptversammlung zur geplanten Kapitalerhöhung sei damit vorerst verschoben.

Klage gegen den Innogy-Deal

Kley ist der wohl mächtigste Aufsichtsrat in Deutschland, das bescheinigen ihm aktuelle Rankings. Bei Eon führt er das Kontrollgremium, bei BMW gehört er dazu. Zudem ist er Vorsitzender der „Baden-Badener Unternehmergespräche“, jener Institution, aus der viele Vorstände hervorgehen.

Seine Karriere startete er nach Ausbildung zum Industriekaufmann und Jurastudium bei Bayer, anschließend stieg er erst zum Lufthansa-Finanzvorstand und dann zum Vorstandschef des Chemie- und Pharmakonzerns Merck auf.

Es gibt größere und wertvollere Dax-Konzerne als Lufthansa und Eon, aber kaum schwierigere Aufgaben. Bei Lufthansa tobt der Existenzkampf, bei Eon wähnte Kley ihn endlich beendet. Fast zwei Jahre lang stritt er Seite an Seite mit Vorstandschef Johannes Teyssen um die Übernahme von Konkurrent Innogy, die Eon wieder zu einem der mächtigsten Energieversorger Europas macht.

Im Herbst erteilte die EU-Kommission die Freigabe. Am Donnerstag wollen Kley und Teyssen den Aktionären die Pläne des neuen Unternehmens präsentieren. Aber auch Eon ist nie wirklich zur Ruhe gekommen: Pünktlich zur Hauptversammlung reichten jetzt namhafte Konkurrenten eine Klage gegen die Transaktion beim Europäischen Gericht ein.

Es gibt auch eine Zeit nach Corona.Karl-Ludwig Kley (Aufsichtsratschef der Lufthansa, auf der Hauptversammlung Anfang Mai)

Solche Störgeräusche kann der gebürtige Münchener und Wahl-Kölner gerade nicht gebrauchen. Seit Wochen arbeitet Kley mit Hochdruck mit an einer Lösung für die Airline-Gruppe. Täglich tauscht er sich mit CEO Spohr aus. An vielen Vorstandssitzungen hat er seit Beginn der Krise teilgenommen.

Das nächste Aktionärstreffen dürfte für Kley ein besonderes werden, nicht nur wegen eines möglichen Rettungspakets. Auch sein Kontrollgremium könnte sich verändern, sollte doch noch Staatshilfe fließen. Zwei Mitglieder sollen dann in enger Abstimmung mit der Bundesregierung ernannt werden.

Dabei hatte Kley das Gremium gerade erst neu besetzt. Hochkarätig und mit viel Know-how bei der Digitalisierung und Integration von Marken. Für Kley ist es das richtige Team, um die Krise zu meistern – zusammen mit dem Vorstand, dem er „hervorragende Arbeit“ bescheinigt. Er könne sich, sagte Kley bei der Versammlung Anfang Mai, „keinen besseren Vorstandschef als Herrn Spohr vorstellen“.

Mehr: Streit um Staatshilfen: Die Rettung der Lufthansa wird verschoben