Wird Donald Trump sich weigern, das Weisse Haus zu verlassen?
Zusammen mit Fox News sucht der Präsident heute schon nach Ausreden im Falle einer Niederlage im November.
by Philipp LöpfeDer Comedian Bill Maher warnt seit langem, Trump werde auch im Falle einer Niederlage das Weisse Haus niemals freiwillig verlassen. Michael Cohen, der ehemalige private Anwalt des Präsidenten, hat diese These bei einem Hearing vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses bestätigt.
Eine solche Wahlniederlage wird zunehmend wahrscheinlich. Die Vorzeichen für die Wahlen stehen derzeit schlecht für Trump. Verschiedene Umfragen zeigen, dass sein Herausforderer Joe Biden national die Nase deutlich vorn hat. Vor allem liegt Biden in wichtigen Swingstates wie Ohio, Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, Florida und Arizona in Führung.
Was das Trump-Team am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, dass sich die Senioren vom Präsidenten abwenden. «Wähler, die älter sind als 65, deuten regelmässig an, dass sie Biden Trump vorziehen», meldet die «Washington Post».
Das sind sehr schlechte Nachrichten für die Grand Old Party. 2016 hat genau diese Wählergruppe Trump ins Weisse Haus gehievt. «Analysen des Meinungsforschungsinstituts Pew deuten an, dass Trump (in den Wahlen 2016) bei den jungen Wählern in der Höhe von 30 Prozent verloren hat», so die «Washington Post». «Bei den Über-65-Jährigen lag er jedoch neun Prozent in Front.»
Anders als Hillary Clinton kommt Joe Biden bei den Senioren gut an. Sie vertrauen ihm und verzeihen ihm auch seine notorischen Versprecher. Mit seiner aggressiven Die-Wirtschaft-um-jeden-Preis-öffnen-Politik verunsichert Trump hingegen gerade diese Wählergruppe. Nicht zu Unrecht fürchten sie, zugunsten der Wirtschaft geopfert zu werden.
Mehr zu Donald Trump:
- Grosse Lockerungen per 6. Juni
- Sarah Cooper stellt mit einfachem Video-Rezept Trump bloss – und begeistert Millionen
- Warum Donald Trump auf Barack Obama eindrischt
- Wer ist schöner: USA oder China?
Verzweifelt versucht Trump nun, die Senioren wieder auf seine Seite zu ziehen. So hat er an seiner gestrigen Pressekonferenz unvermittelt verkündet, die Preise für Insulin würden sofort massiv gesenkt. «Das würde ‹Sleepy Joe› niemals hinkriegen», prahlte er dabei. Insulin ist für viele übergewichtige ältere Amerikaner überlebenswichtig.
Vor allem aber versucht Trump – wie schon 2016 – ein Narrativ aufzubauen, wonach Wahlfälschungen das Resultat im November bestimmen werden. Anlass dazu ist die Tatsache, dass viele Staaten wegen des Coronavirus zu einer brieflichen Abstimmung übergehen wollen. (Neckisches Detail: Trump selbst pflegt auf diese Weise seine Stimme abzugeben.)
Gegen die Abstimmung per Brief läuft Trump Sturm. «Auf KEINEN FALL (ZERO) werden Briefabstimmungen etwas anderes sein als betrügerisch», tweetete der Präsident. «Briefkästen werden gestohlen, Abstimmungszettel werden gefälscht & illegal gedruckt & betrügerisch unterschrieben.»
Wie auf Kommando nahmen die wichtigen Moderatoren Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham das Thema auf und walzten es abendfüllend auf Fox News aus, obwohl Trumps Behauptung über keinerlei faktische Basis verfügt. Erstmals hat Twitter deswegen einen präsidialen Tweet mit der Bemerkung angereichert, man solle doch bitte die Fakten checken – was prompt einen neuerlichen Tobsuchtsanfall Trumps zur Folge hatte.
Bei einem knappen Wahlausgang – und damit wird allgemein gerechnet – kann Trump Wahlbetrug als Vorwand nehmen, eine Niederlage nicht anzuerkennen und sich zu weigern, sein Amt niederzulegen. Wie bei den Wahlen im Jahr 2000 zwischen Al Gore und George W. Bush hätte das ein langes juristisches Nachspiel zur Folge. Ein Spiel, bei dem Trump gute Karten hat, weil er die Gerichte mit konservativen Richtern aufgefüllt hat.
In den USA sind mittlerweile mehr als 100’000 Menschen an Covid-19 gestorben. Zudem bahnt sich eine schwere Wirtschaftskrise an. Trump kann nicht mehr mit Erfolgen punkten, er kann die Wahlen nur mit einer Schlammschlacht gewinnen. Es zeigt sich, dass er dabei keine Schamgrenzen mehr kennt. So beschuldigt er den ehemaligen republikanischen Abgeordneten und heutigen TV-Moderator Joe Scarborough, eine ehemalige Mitarbeiterin ermordet zu haben.
2001 verstarb die junge Frau tragisch nach einem Herzversagen. Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass Scarborough etwas mit ihrem Tod zu tun hatte. Trotzdem verbreitet Trump diese Verschwörungstheorie per Twitter an seine rund 80 Millionen Follower. Er tut dies, obwohl der Witwer der Verstorbenen ihn eindringlich bittet, dies doch bitte zu unterlassen.
Man stelle sich dies vor: Der Präsident der Vereinigten Staaten, nicht irgendein Wirrkopf in der rechtsextremen Szene, verbreitet per Twitter eine völlig faktenfreie Verschwörungstheorie, besudelt dabei das Ansehen einer unter tragischen Umständen verstorbenen jungen Frau und lässt sich auch vom inständigen Bitten ihres Witwers nicht davon abbringen. Selbst das Trump-treue «Wall Street Journal» ist entsetzt.
Schlimmer kann es nicht mehr werden. Nur: Das wurde schon oft gesagt – und Trump hat stets das Gegenteil bewiesen.
DANKE FÜR DIE ♥
Da du bis hierhin gescrollt hast, gehen wir davon aus, dass dir unser journalistisches Angebot gefällt. Wie du vielleicht weisst, haben wir uns kürzlich entschieden, bei watson keine Login-Pflicht einzuführen. Auch Bezahlschranken wird es bei uns keine geben. Wir möchten möglichst keine Hürden für den Zugang zu watson schaffen, weil wir glauben, es sollten sich in einer Demokratie alle jederzeit und einfach mit Informationen versorgen können. Falls du uns dennoch mit einem kleinen Betrag unterstützen willst, dann tu das doch hier.
Würdest du gerne watson und Journalismus unterstützen?
(Du wirst zu stripe.com umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
CHF 10.00 CHF 15.00 CHF 25.00
Nicht mehr anzeigen