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Genussmittel mit Nebenwirkungen: Laut Bundesregierung raucht mehr als jeder vierte Bürger - 121 000 sterben jährlich daran.© imago
Menthol-Zigaretten

Reemtsma in der Kritik

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Menthol macht das Rauchen weicher und animiert dazu, tiefer zu inhalieren. Glimmstengel mit diesem Geschmack sind deshalb jetzt verboten. Der Tabakkonzern Reemtsma umschifft das Gesetz trickreich.

Der Verkauf von Menthol-Zigaretten ist seit vergangener Woche europaweit verboten. Die EU-Richtlinie schiebt dem Vertrieb der Glimmstängel unter anderem einen Riegel vor, weil sie als Einstiegszigaretten gelten und besonders Jugendliche davor geschützt werden sollen, mit dem Rauchen anzufangen.

Die Firma Rizla, die zum deutschen Tabakkonzern Reemtsma gehört, hat nun sogenannte „Aroma Cards“ in der Geschmacksrichtung Menthol auf den Markt gebracht. Nach dem Einlegen der Karten in eine herkömmliche Zigarettenpackung geben sie innerhalb von 60 Minuten ihr Aroma an die Zigaretten ab.

Das Aktionszentrum Forum Rauchfrei sieht darin eine Umgehung des Verbots. Reemtsma stelle sich mit dem Verkauf der „Aroma Cards“ außerhalb des Gesetzes. „Die Käufer atmen in beiden Fällen Tabak mit dem Zusatzstoff Menthol ein, so dass es zu den Wirkungen kommt, die durch das Verbot von Menthol-Zigaretten gerade vermieden werden sollen“, so ein Sprecher der Berliner Initiative.

Aus einem Informationsblatt des Deutschen Krebsforschungszentrums geht hervor, dass Menthol den Rachen betäubt und den Rauch weicher macht. Dies überdecke zum einen die Schärfe des Tabakrauchs und erleichtere so das Rauchen. Zum anderen neigten Raucher durch den kühlenden Effekt dazu, tiefer zu inhalieren. Die Wirkungen und der Minzgeschmack seien für junge Raucher reizvoll.

Drogenbeauftragte alarmiert

Laut einem Reemtsma-Sprecher verändern die „Aroma Cards“ weder die Tabakzusammensetzung noch die Rauchemissionen herkömmlicher Tabakzigaretten. Das EU-Verbot betreffe lediglich Zigaretten und Tabake mit einem charakteristischen, von Tabak unterscheidbaren Aroma. „Bei den Rizla Aroma Cards“, so der Sprecher, „handelt es sich jedoch nicht um ein Tabakprodukt.“

Daniela Ludwig, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, kritisiert den Verkauf der „Aroma Cards“. „Wenn die Tabakindustrie nun quasi durch die Hintertür mittels aromatisierter Mentholstreifen weiter auf den Markt drängt, ist das schlicht und einfach ein schamloser Versuch, das Verbot zu umgehen“, teilte Ludwig auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit. An dieser Stelle seien auch die Aufsichtsbehörden der Länder gefragt. Zudem habe sie das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf die Entwicklungen aufmerksam gemacht.

Über die neue Tabakrichtlinie stimmte der Europäische Gerichtshof bereits 2014 ab. Während unter anderem größere Warnhinweise in Text und Bild auf Zigarettenschachteln bis 2016 in nationales Recht umgesetzt wurden, galt für das Verbot von Menthol-Zigaretten eine Übergangsfrist bis Mai dieses Jahres.