Machtverhältnisse in Ungarn

Was Orban will, das hat er schon

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Eine noch nie dagewesene Hetzkampagne und viel Hysterie habe Ungarns Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus begleitet, schreibt die Regierung von Viktor Orban. Er und seine Minister fordern von allen, die dem Regierungschef diktatorische Machtgelüste unterstellten, eine Entschuldigung. Doch diese wird nicht kommen.

Nicht nur, weil Entschuldigungen in der Politik etwa so häufig sind wie Zärtlichkeiten in einem Boxkampf. Sondern vor allem, weil Orban seine Macht in den letzten Coronawochen mit gezielten Schlägen weiter ausgebaut hat.

Seine Gegner hat der ungarische Regierungschef weiter in die Ecke gedrängt, sich und seiner Entourage noch mehr Geld und noch mehr Einfluss zugeschanzt. Wer falsche Informationen zur Corona-Epidemie oder zu den Regierungsmassnahmen dagegen verbreitet, riskiert neu eine Gefängnisstrafe. Was wahr und was falsch ist, entscheidet dabei die Regierung.

Zwei Festnahmen wegen Fake-News-Gesetz

In über hundert Fällen hat die Polizei ermittelt, zwei Regierungsgegner kurzzeitig festgenommen. Der eine hat Orban als Diktator bezeichnet, der andere die Corona-Massnahmen in den Spitälern kritisiert. Wie viele haben geschwiegen – eingeschüchtert von drohenden Strafen zu Missständen? Niemand weiss es.

Politische Parteien in Ungarn verlieren per Dekret des Regierungschefs die Hälfte ihrer staatlichen Finanzierung. Das trifft Orbans reiche Fidesz-Partei wenig. Die schwachen Oppositionsparteien dagegen sehr. Städte und Gemeinden, die einzige politische Ebene in Ungarn, auf der die Opposition relativ stark ist, verlieren wichtige Steuereinnahmen.

Sie fliessen nun an Orte, die Orbans Fidesz-Partei unter Kontrolle hat. Die finanziellen Eckpunkte eines umstrittenen Milliarden-Projekts, der neuen Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest, bleiben für die nächsten zehn Jahre unter Verschluss. Über ein Projekt, das einem Orban-Freund zig Millionen in die Kasse spült, wird ein Schleier gelegt.

Mehrheit im Parlament auf Orbans Seite

Einige dieser neuen Bestimmungen werden nach dem voraussichtlichen Ende des Ausnahmezustands am 20. Juni bleiben, andere werden abgeschwächt; das Gesetz gegen Falschmeldungen zum Beispiel. Wie es aussehen soll, wird das Parlament in den nächsten Tagen bestimmen. Die Mehrheit der Abgeordneten wird sich auf jeden Fall nach Orbans Wünschen richten.

Das ist so sicher wie der Gong am Ende jeder Boxrunde. Orban braucht die Sondervollmachten nicht, um Ungarn nach seinem Gusto umzubauen. Dafür reicht ihm seine grosse Mehrheit im Parlament. Die vergangenen Wochen, in denen er noch mehr Macht hatte als sonst, haben gezeigt: Ungarns Regierungschef will die Demokratie nicht k.o. schlagen. Aber er will auch in Zukunft jede Runde nach Punkten gewinnen.

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Roman Fillinger
Osteuropa-Korrespondent, SRF

Roman Fillinger ist Osteuropa-Korrespondent von Radio SRF. Von 2007-2018 arbeitete er in verschiedenen Funktionen beim «Echo der Zeit», zuletzt als Moderator und stellvertretender Redaktionsleiter.