Ibiza-Affäre: Video und Equipment sichergestellt

by

Die Soko Ibiza konnte das technische Equipment, mit dem das Video aufgenommen wurde - sowie das Bildmaterial selbst - sicherstellen. Fotos der vermeintlich russischen Oligarchennichte wurden zur Fahndung ausgeschrieben. Der Leiter der Soko wehrt sich gegen Vorwürfe, der unsauberen Ermittlungen.

40 Ermittlungsverfahren zu 31 unterschiedlichen Delikten - und bereits einige rechtskräftige Verurteilungen. 139 Anlassberichte über Zwischenergebnisse. 55 Hausdurchsuchungen. 259 Vernehmungen. 48 Observationsmaßnahmen. Die Telefonüberwachung von 15 Personen - und schlussendlich die Sicherstellung des Ibiza-Videos. Das ist die Bilanz der Soko Ibiza, die vor genau einem Jahr gegründet wurde. 

Dass das Video nach langer Suche sichergestellt werden konnte, ist wohl der größte Coup der Sonderermittlungskommission, die vor einem Jahr mit zehn handverlesenen Kriminalisten begann und nun auf 40 Personen angewachsen ist. Denn das Video zieht mittlerweile einen langen Rattenschwanz an Verfahren zu unterschiedlichen Causen nach sich - und einen U-Ausschuss, der heute in einer Woche beginnt: die Casinos-Causa, die Strache-Spesen, die Parteispendenaffäre, die Shredderaffäre und der mögliche Kauf von Mandaten werden untersucht.

https://media.diepresse.com/images/q75/uploads_300/b/4/0/5819200/vvvvvvvvvvvvvv_1590575322490258.jpg
Sichergestellte Equipment (c) Anna Thalhammer
https://media.diepresse.com/images/q75/uploads_300/b/4/0/5819200/1111_1590577333038369.jpg
 BK

Insgesamt knapp 13 Stunden Bild- und dazu acht Stunden Tonmaterial, die in der Finca aufgenommen wurden, konnten sichergestellt werden - ebenso das technische Equipment, mit dem es aufgenommen wurde. Es handelt sich unter anderem um Kameras in Knöpfen, Lichtschaltern, Krawattennadeln, Kaffeebechern oder Fernbedienungen (siehe Bildergalerie). Das Material konnte bei einem Komplizen der zentralen Figur, Julian H. gefunden werden. Der Mann wurde angeheuert, um das technische Equipment nach Ibiza zu bringen. 

Versteckte Speicherkarte

Dazu erhielten die Ermittler Ende April einen Hinweis, eines weiteren Komplizen, wo das Video versteckt sei. Nach langer Suche am genannten Ort, konnte ein Datenträger sichergestellt werden. Nach erster Sichtung sagt der Leiter der Soko, Andreas Holzer, zur „Presse": „Wir konnten nach erster Sichtung keine weiteren strafrechtlichen Hinweise entdecken - das ist aber nur der momentane Stand. Das Video wird nun ausgewertet und verschriftlicht und dann zum Akt gegeben.“ Und wird damit wohl früher oder später im U-Ausschuss landen. Darüber entscheidet die Staatsanwaltschaft Wien.

https://media.diepresse.com/images/q75/uploads_300/b/4/0/5819200/2222_1590574563499421.jpg
 BK

Bereits ausgewertet sind Fotos der vermeintlichen russischen Oligarchennichte, die nun international zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Ihr wirft man unter anderem Dokumentenfälschung und die missbräuchliche Verwendung von Film- und Tonaufnahmen vor. Die Polizei bittet um Hinweise.

Umstrittene Ermittlungen

Im Hintergrundgespräch mit der „Presse“ nimmt Holzer auch erstmals Stellung zu einigen Vorwürfen, mit denen er sich in den letzten Wochen konfrontiert sah. Die Anwälte des Beschuldigten H. sowie die Opposition bezweifelten die Objektivität der Ermittlungen. Ein Grund: In der Soko arbeitete bis August 2019, Ermittler R., ausgezeichneter Suchtgiftkriminalist, weil die Enden der Ibiza-Causa vielfach ins Drogenmilieu reichen. Die Soko wurde am 27. Mai gegründet, am 18. Mai hatte R. Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein SMS geschrieben, und sein Bedauern zum Rücktritt ausgedrückt - und Strache später auch als Zeugen vernommen.

„Ich habe mir die besten Kriminalisten in ganz Österreich gesucht, und für das Drogenmilieu ist R. ausgewiesener Experte“, sagt Holzer. R. habe vor Beginn seiner Tätigkeit das SMS an Strache gestanden. R. habe nie gegen Strache ermittelt, sondern ihn ausschließlich als Zeugen zur Causa rund um die Video-Entstehung vernommen. Weiterer SMS-Verkehr mit Strache, der R. nun vorgeworfen wird, habe sich inhaltlich nur um Vernehmungstermine und ähnliches gedreht - die SMS seien in Beisein des zuständigen Staatsanwalts verfasst worden. Anders als kolportiert habe R. die Soko dann freiwillig verlassen.

Wovon wusste die Soko?

Holzer selbst wird von H.s Anwälten vorgeworfen, Beweismaterial rund um die Spesencausa und Fotos von Sporttaschen voller Geld bereits 2015 gekannt zu haben - aber nicht ermittelt zu haben. Holzer wehrt sich gegen diese Darstellung: „Anwalt M. ist 2015 zu uns gekommen, mit einigen, wenigen Hinweisen. Sagte, er habe einen Mandanten, hat uns aber nicht gesagt, wer das ist. Wir sind nach einem ersten Gespräch sofort zur Staatsanwaltschaft und haben den Auftrag bekommen, den Hinweisgeber ausfindig zu machen.“ Er persönlich habe daraufhin mehrfach versucht, M. zu kontaktieren. Doch der forderte Geld und Absicherung für seinen Mandanten, eine Kronzeugenregelung - das konnte aber nicht versprochen werden, ohne zu wissen, wer das ist, und was nun wirklich vorliegt. „Auch eine der Bedingungen: Dass die Ermittlungen vor der Wien-Wahl im Herbst 2015 abgeschlossen sein müssten.“ Derartige Bedingungen wollte und konnte man nicht erfüllen.

Wie die Ermittlungen gelaufen sind, wird essentieller Teil des U-Ausschusses ab Herbst sein.

 

Hinweise werden jederzeit im Bundeskriminalamt per E-Mail (bundeskriminalamt@bmi.gv.at) oder telefonisch unter der Nummer +43 (0) 1/24836-985025 entgegengenommen.

(Red.)