https://www.fr.de/bilder/2020/05/27/13778413/1401969817-feu_kunstverein3_280520-ZXc6OctXgf9.jpg
Keiken + George Jasper Stone: „Feel My Metaverse“.  © Norbert Miguletz/Frankfurter Kunstverein
Ausstellung

Frankfurter Kunstverein: Der naheliegende Alptraum vom Paradies

by

„How to make a Paradise“: Im Frankfurter Kunstverein ist eine Ausstellung über generierte Welten ziemlich nah an der Realität.

Das Szenario ist nicht allzu fiktiv: Die Erde ist durch den Klimawandel unbewohnbar geworden, Menschen müssen in Schutzkapseln leben. Interaktion ist nur virtuell möglich, in einer Welt, die aalglatt ist und sauber. Alle Erfahrungen werden digital simuliert; seinen Körper und seine Identität kann man sich aussuchen. „Feel My Metaverse“, eine Filmarbeit, die das japanische Künstlerkollektiv Keiken zusammen mit George Jasper Stone, einem Experten für computergenerierte Bildwelten, entwickelt hat und die jetzt im wiedereröffneten Frankfurter Kunstverein zu sehen ist, handelt vom Leben im Paradies. Einem Ort, der zu schön ist, um wahr zu sein und der genau deshalb gespenstisch anmutet.

Es ist eine Welt, in der neue Regeln gelten, in der „Aurareinigung“ zum Alltag gehört und ein Punktesystem definiert, wie weit man im Erreichen eines höheren Selbst bereits vorangeschritten ist – kurz gesagt: ein Alptraum, von dem wir vermutlich weniger weit entfernt sind, als wir denken. Schließlich bestimmen virtuelle Realitäten längst einen Teil unseres Alltags, und eine weltweite Pandemie sorgt dafür, dass wir uns zunehmend von der physischen Interaktion zurückziehen müssen.

https://www.fr.de/bilder/2020/05/27/13778413/570763294-feu_kunstverein_lauren_2_28-17f9.jpg
Lauren Lee McCarthy: „LAUREN“. © Norbert Miguletz/Frankfurter Kunstverein

„How to make a Paradise – Sehnsucht und Abhängigkeit in generierten Welten“ ist der Titel der Ausstellung, die davon handelt, wie der Mensch in digitalen Universen nach Sehnsuchtsorten sucht und wie er versucht, seine körperlichen Grenzen mithilfe neuer Technologien zu erweitern – und sei es nur, indem er digitale Sprachassistenten wie Siri oder Alexa einsetzt. Die US-Amerikanerin Lauren Lee McCarthy hat sich für ihr Projekt „LAUREN“ selbst in eine solche Wunscherfüllungsmaschine verwandelt.

Über Anzeigen im Internet fand sie Menschen, die bereit waren, sich von der Künstlerin mittels Kameras und Mikrofonen überwachen zu lassen und speziell angefertigte Smart-Home-Geräte in ihren Haushalten zu installieren: Schalter für Licht, Fernseher, Toaster und Mikrowelle, steuerbare Wasserhähne und Türschlösser. „LAUREN“ war eine Woche lang rund um die Uhr für diese Menschen da, empfahl ihnen, wenn nötig, einen Friseurbesuch oder half dabei, Medikamente zu verwalten. „Mein Ziel war es, besser als Alexa zu sein, weil ich sie als Person verstehen und ihre Bedürfnisse antizipieren kann“, erklärt die Künstlerin. Erstaunlich schnell entstand eine Vertrautheit, für die die Protagonisten bereit waren, einen erheblichen Teil ihrer Intimsphäre preiszugeben. Wie sehr sie sich dabei der Überwachung aussetzen, die in der Realität einem Konzern nutzt, scheint vielen Menschen im Dienste der Bequemlichkeit und im Kampf gegen die Einsamkeit eher zweitrangig zu sein.

Die Ausstellung

Frankfurter Kunstverein: bis 16. August. www.fkv.de

Künstliche Intelligenz ist eine Versuchung. Neue Technologien helfen im Alltag, aber sie lullen uns auch ein. Das bequeme Leben fordert ja nicht nur die Preisgabe von Daten zu Zwecken, die zuweilen kaum noch zu durchschauen sind, sie schaden auch der Umwelt.

Dabei könnte die Intelligenz digitaler Systeme durchaus Vorteile für unser Leben und die Natur haben. Wie das funktionieren könnte, demonstrieren Tega Brain, Julian Oliver und Bengt Sjölén mit „Asunder“, einem KI-basierten fiktiven Umweltmanager. Die Arbeit besteht aus einem Hochleistungsrechner, der live zahlreiche Daten zu Klima, Geologie, Biodiversität, Topografie und Bevölkerung bestimmter Gebiete wie der Arktis oder dem brasilianischen Regenwald analysiert und simulierte Zukunftsszenarien zur Problemlösung anbietet.

Dummerweise nutzt dem Menschen ein solches Wissen nur sehr bedingt. Dass etwa die Aufforstung des Regenwaldes sinnvoller ist, als ihn abzuholzen, dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. Was dort geschieht, ist dennoch das Gegenteil. In manchen Bereichen, so scheint es, ist die künstliche Intelligenz dem Menschen haushoch überlegen. Zugleich ist sie stets von Interessen geleitet – den Interessen der Konzerne, die diese Technologien entwickeln. Dass es unsere Entscheidung bleibt, wie viel Macht wir den Unternehmen zugestehen – auch darauf verweist die Ausstellung.