Visum futsch wegen Corona
Türken verärgert über Deutschland
by Karin SenzTürken haben im Moment fast keine Chance, nach Deutschland zu reisen. Das ist vor allem für die bitter, die vor Corona ein Visum bekamen. Andere haben, weil sie nicht einreisen konnten, ihre dauerhafte Aufenthaltserlaubnis verloren.
Ayse ist mit vier Jahren nach Deutschland gekommen, war dort im Kindergarten, in der Schule und hat auch dort studiert. Sie hat den türkischen Pass, dazu aber auch eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland - eine Niederlassungserlaubnis - wie es im Beamten-Deutsch heißt. Oder besser gesagt, sie hatte eine - denn Anfang des Monats bekam sie Post ihrer zuständigen Ausländerbehörde.
Darin stand sinngemäß: "Ihre Niederlassungserlaubnis ist erloschen. Stellen Sie keine weiteren Fragen. Weitere Auskunft gibt es per Brief." In dem stand allerdings auch keine Begründung. Dabei hatte sich Ayse um alle Formalitäten rechtzeitig gekümmert, erzählt sie.
"Großzügige Fristverlängerung"
Sie lebt im Moment überwiegend in Istanbul, reist aber regelmäßig zu ihrer Familie nach Deutschland, mindestens jedes halbe Jahr. Das ist Voraussetzung dafür, dass sie die Aufenthaltsgenehmigung nicht verliert. Im März wäre es wieder soweit gewesen. Wegen Corona konnte sie aber nicht fliegen.
Auf der Seite des Bundesinnenministeriums fand sie den Hinweis, dass sie eine Fristverlängerung beantragen muss. Weiter heißt es, die zuständige Behörde ist angehalten, "eine großzügige Fristverlängerung zu gewähren".
Ayse ist ratlos: "Wenn das Bundesinnenministerium dieses Schreiben herausbringt, dann hat die Ausländerbehörde das zu befolgen. Wie oft habe ich in meinem Umfeld gehört gehört, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Aber jetzt frage ich mich, wonach die einzelnen Ausländerbehörden in den Städten eigentlich handeln?"
Visa ohne Nutzen
Suat Özcelebi und seine Frau hatten Schengen-Visa in Griechenland beantragt - und Anfang März tatsächlich auch welche bekommen. Nur nutzen können sie die wegen Corona nicht.
"So wie die Lufthansa mir die Flugkosten erstattet hat, oder ein gebuchtes Hotel mir gesagt hat, ich bekomme meine Anzahlung zurück, so sollte mir auch die Visa-Stelle Griechenlands mein Geld zurückgeben. Aber das ist nicht nur die Angelegenheit von Griechenland, sondern der Europäischen Union, weil es Schengen-Visa sind", sagt Özcelebi.
Auf einer Seite des Auswärtigen Amtes heißt es dazu: Eine Erstattung der Gebühren "kann leider nicht erfolgen". Daran könnte sich allerdings bald etwas ändern. Man arbeite daran, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.
"Das könnte die EU durchaus machen"
Suat Özcelebi hatte das Visum für ein Jahr bekommen. Zuerst wollte er zu einem Festival nach Griechenland, danach nach Deutschland. Das Festival findet wegen Corona erst nächstes Jahr wieder statt. Da ist das Visum aber schon abgelaufen, sagt Suat. "Was uns wichtiger ist als eine Rückerstattung der Visa-Gebühren, ist eine Verlängerung der Visa. Das könnte die EU durchaus machen, ohne dass sie das zusätzlich etwas kosten würde."
Aber wer sein Visum wegen des Corona-Einreiseverbots gar nicht nutzen kann, muss bei Bedarf ein neues beantragen, selbstverständlich wieder mit neuen aktuellen Unterlagen. Ein Interview zum Thema Visa in Corona-Zeiten lehnt das Auswärtige Amt ab.
E-Mail sorgte für Tränen
Ayse hat sich von ihrem Schock mit der aberkannten Aufenthaltserlaubnis noch nicht erholt. Sie hatte das einfach nicht erwartet. "Vor allem nicht von Deutschland! Meine Schwester - eine Juristin - sagte: 'Hier gilt doch Recht und Ordnung'. Aber als ich die E-Mail auf der Arbeit gelesen habe, sind mir die Tränen gelaufen."
Sie solle ein normales Visum beantragen, stand noch in dem Brief. Das kostet aber und nimmt ihr jede Flexibilität.
Ayse heißt eigentlich anders, will aber anonym bleiben. Sie hofft ihre dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung doch noch zurück zu kriegen. Aus dem Innenministerium heißt es, die Chancen stehen gut, sie müsse dafür einen neuen Antrag stellen. Da sei wohl etwas nicht sehr glücklich gelaufen.
Karin Senz, ARD Istanbul
27.05.2020 07:43 Uhr