Coronakrise: Tourismus-Shutdown brachte Umsatzeinbruch für Molkereien
Absatzplus im Handel konnte Gastro- und Hotel-Sperre nicht ausgleichen. Molkereiverbands-Chef: Coronakrise wird Strukturwandel nicht beschleunigen, Bio und Regionalität werden wichtiger
Die coronabedingte Sperre von Hotels, Gastronomie und Kantinen hat die Umsätze der heimischen Milchwirtschaft in den vergangenen zweieinhalb Monaten einbrechen lassen. Das Umsatzminus würden je nach Molkerei bis zu 26 Prozent betragen, sagte der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter und Chef der Kärntnermilch, Helmut Petschar, am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz.
Das kräftige Absatzplus für Molkereiprodukte im Lebensmitteleinzelhandel habe den Ausfall nicht kompensieren können, so Petschar. Aufgrund der fehlenden Nachfrage aus Gastronomie und Tourismus baten einige Milchverarbeiter - etwa die Kärntnermilch, Vorarlberg Milch und Sennerei Zillertal - ihre Bauern, weniger Milch anzuliefern. Die Mengenreduktion habe den Milchauszahlungspreis stabilisiert, so der Kärntnermilch-Chef. Im Juni hebt die Kärntner Molkerei wieder die Reduktion auf. Kritik übte der Verbandschef an Preisaktionen im Handel mit ausländischen Molkereiprodukten. Eine große heimische Lebensmittelkette verkauft fünf Packungen Butter für jeweils 99 Cent. Wenn die Supermärkte mit Regionalität werben, dann müssten sie "solche Aktionen abstellen", forderte Petschar.
Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Michaela Langer-Weninger, ortet einen hohen Druck auf landwirtschaftliche Betriebe, weil in der Gastronomie und im Export coronabedingt die Nachfrage nach heimischen Milch- und Fleischprodukten weggebrochen ist. Es brauche einen "entsprechenden Schulterschluss" entlang der Wertschöpfungskette von den Bauern über die Supermärkte bis zu den Konsumenten, so Langer-Weninger. Sie ist neben ihrer Funktion als Präsidentin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich auch Milchbäuerin. "Wir können unsere Kühe leider nicht in Kurzarbeit schicken, sie produzieren die gleiche Milchmenge."
Milchprodukte sind im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel seit Ende Februar stärker nachgefragt. Die Menge und der Umsatz stiegen im ersten Quartal 2020 über alle Sortimente der Molkereiprodukte jeweils um 11 Prozent, geht aus Daten der AMA Marketing hervor. Seit den ersten Corona-Fällen in Österreich am 25. Februar wurden mehr Milchprodukte in den Supermärkten gekauft. Mit dem Lockdown Mitte März schnellte der wöchentliche Umsatz mit Molkereiprodukten in den Supermärkten um 40 Prozent nach oben, die starken Zuwächse gingen dann aber wieder zurück. AMA-Marketing-Geschäftsführer Michael Blass ortet bei den Konsumenten aufgrund der Coronakrise ein steigendes Qualitätsbewusstsein. Der Anteil der Milchprodukte, die in Aktion gekauft wurden, sei nach dem Lockdown leicht rückläufig gewesen, der Bio-Anteil und der Glasflaschenanteil sei angestiegen.
Der Molkereiverbands-Chef erwartet nicht, das dass die Coronakrise den Strukturwandel beschleunigen wird und mehr Milchbauern ihren Betrieb zusperren werden. Die Krise sei vielmehr "eine Chance für die Milchwirtschaft". Bio und Regionalität gewinne an Bedeutung. Auch die Direktvermarktung und Bauernläden würden aktuell einen Boom erleben.