Sparkassen
Verbraucherschützer klagen korrekte Zinsberechnung bei Sparverträgen ein
Im Streit um Zinsanpassungen geht die Verbraucherzentrale Sachsen in Revision. Ihre Musterfeststellungsklage richtet sich gegen die Sparkasse Leipzig.
by Elisabeth AtzlerFrankfurt. Die Auseinandersetzung um die korrekte Zinsberechnung in Sparverträgen landet vor dem obersten deutschen Zivilgericht. Die Verbraucherzentrale Sachsen teilte dem Handelsblatt auf Anfrage mit, dass sie mit ihrer Musterfeststellungsklage in Revision geht und sich an den Bundesgerichtshof (BGH) wendet. Die Klage richtet sich gegen die Sparkasse Leipzig.
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte Ende April zwar entschieden, dass die sogenannte Zinsanpassungsklausel der Leipziger Sparkasse unwirksam ist (Az. 5 MK 1/19). Es legte aber nicht fest, wie genau die Zinsen in den Prämiensparverträgen zu berechnen sind.
Genau dazu erhoffen sich die Verbraucherschützer aber Vorgaben – nun vom BGH. Michael Hummel, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Sachsen, sagte: „Wir wollen mit der Revision vollständige Klarheit für Verbraucher schaffen.“
Jeder Verbraucher solle die eigenen Ansprüche auf den Cent genau berechnen können. Die Verbraucherschützer wollen erreichen, dass Sparer letztlich „auch genau die Summe zurückbekommen, die ihnen zusteht“.
Die Sparkasse Leipzig wollte sich zur Revision noch nicht äußern. Das Geldhaus hatte nach dem OLG-Urteil seinerseits erklärt, es sehe sich in seinem Zinsanpassungsverfahren bestätigt. Der OLG-Entscheidung zufolge müssen Sparer individuell auf Nachzahlungen klagen.
Die Musterfeststellungsklage, der sich rund 1000 Sparer angeschlossen haben, betrifft zwar nur die Sparkasse Leipzig. Doch ein BGH-Urteil hätte Signalwirkung auf die gesamte Branche und könnte zu enormen Nachforderungen von Bankkunden führen. So listen Verbraucherschützer derzeit rund 150 Geldhäuser auf, vor allem Sparkassen, die zu geringe Zinszahlungen auf Sparverträge geleistet hätten.
Bundesweit haben Verbraucherzentralen, besonders die sächsische, mehr als 5000 langfristige Sparverträge überprüft. Das Ergebnis aus Sicht der Verbraucherschützer: Kunden haben im Schnitt rund 4000 Euro Zinsen zu wenig erhalten. Der höchste Nachforderungsanspruch beträgt demnach 78.000 Euro.
Sparkassen drohen hohe Millionenbeträge an Nachforderungen
Nach Hochrechnungen der Verbraucherzentrale Bayern summieren sich die möglichen Forderungen bei einzelnen Sparkassen auf höhere Millionenbeträge. Viele Sparkassen haben langlaufende Sparverträge, meist vom Typ „Prämiensparen flexibel“, in großem Stil verkauft. Sie stammen meist aus den 1990er- und 2000er-Jahren.
Die strittigen Sparverträge haben in der Regel eine steigende Bonuszahlung sowie einen variablen Grundzins, mit dem das jährliche Guthaben verzinst wird. Der Grundzins ist an einen Referenzzins gebunden, der die Marktentwicklung widerspiegelt.
Die Verbraucherschützer monieren, dass in vielen Verträgen nicht transparent sei, wie genau dieser Grundzins sich verändert. Aus ihrer Sicht seien die Zinsanpassungsklauseln daher in etlichen Fällen rechtswidrig. Daneben wird auch bei Riester-Sparverträgen über die korrekte Zinsberechnung gestritten.
Der BGH hat zwar bereits mehrere Entscheidungen zum Thema Zinsberechnung getroffen, doch die Konsequenzen daraus werden von Kreditinstituten und Verbraucherschützern unterschiedlich interpretiert.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erklärte: „Wir sind überzeugt, dass die Sparkassen eine faire und transparente Zinsberechnung vorgenommen haben.“ Offene Fragen würden derzeit von der Rechtsprechung geklärt.
Musterfeststellungsklagen gibt es erst seit 2018. Mit ihrer Hilfe können Verbraucherschützer stellvertretend für viele Betroffene gegen ein Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei zunächst kein finanzielles Risiko.
Sie können sich, wenn die Klage eingereicht wurde, dieser anschließen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat im Streit um die richtige Zinsberechnung bereits Musterklagen gegen Erzgebirgssparkasse und die Sparkasse Zwickau gestartet. „Weitere kommen dieses Jahr noch hinzu“, kündigte sie nun an.
Ein Grund dafür, dass sich Verbraucherschützer seit einiger Zeit intensiv mit der Zinsberechnung auseinandersetzen, ist die Kündigungswelle von Prämiensparverträgen. Bundesweit haben mittlerweile weit über 100 Sparkassen solche für die Kunden attraktiven, für die Kreditinstitute aber teuren Sparverträge gekündigt. Laut einer BGH-Entscheidung aus dem Mai 2019 dürfen Sparkassen die Sparverträge nach Erreichen der höchsten Bonusstufe kündigen (Az. XI ZR 345/18).