Freie Evangelische Gemeinde
15 Jahre lang war Jens-Peter Gast Pastor in Dessau
by Heidi ThiemannDessau - Nach 15 Jahren in Dessau ist Schluss. Für Pastor Jens-Peter Gast von der Freien evangelischen Gemeinde in der Marienstraße gibt es eine einfache Erklärung: „Ich gehe in den Ruhestand.“
Doch der Stadt, in der sich der Mann vom Jahrgang 1954 nicht nur in der Gemeindearbeit, sondern auch auf vielen andere Gebieten - wie der Notfallseelsorge, der Ausbildung von Sterbebegleitern im Hospiz oder lange Zeit als Vorsitzender des städtischen Seniorenbeirates - eingebracht hat, bleibt er noch eine Weile verbunden. Aber den Hamburger zieht es dann wieder nach Norden.
„Für mich gibt es keinen besseren Beruf als den des Pastors“, sagt Gast, „denn wir haben hier die Riesenchance Menschen zu begleiten von der Geburt bis zur Beerdigung. Das ist ein tolles Geschenk.“ Doch erst auf den zweiten Blick hat der großgewachsene Norddeutsche seine Berufung zum Beruf gemacht.
Vom Handwerksmeister zum Pastor mit 38 Jahren
Gearbeitet hat der Handwerksmeister (Maler und Tapezierer) als Arbeitstherapeut mit Jugendlichen. Doch mit 38 - inzwischen dreifacher Familienvater - sagte er sich: „Ich mach was Neues“. 1992 war das. Geliebäugelt mit einer theologischen Ausbildung hatte er schon zuvor. Die wurde nun berufsbegleitend absolviert. Und nach den Stationen an der Ostsee (Barth und Ribnitz Damgarten) und in Nordhessen folgte ab 2005 Dessau, die Stadt an der Elbe.
„Ich bin mit Elbwasser getauft“, schmunzelt der Hamburger. Doch nicht nur das nahm ihn für Dessau ein. „Mich hatte die enge Verbindung von Gemeinde und Diakonie gereizt“, erzählt er. Hier war sie gegeben durch die soziale Anbindung an das Therapiezentrum Bethanien, das alkoholabhängige Männer betreut, sowie die Bahnhofsmission. Ihm und seiner Frau Gisela, ausgebildete Sozialpädagogin, war das alles durch St. Pauli sehr vertraut.
Rund 90 Gemeindemitglieder hat die Freie evangelische Kirchgemeinde in Dessau (FeG), zu der auch Oranienbaum-Wörlitz gehört. „Wir sind die einzige Gemeinde in Anhalt“, erklärt der Pastor. Die Geschichte der Dessauer Gemeinde erstreckt sich schon über 120 Jahre, wobei die Gemeinde erst seit 1933 zum Bund der FeG in Deutschland gehört und heute eine von über 400 selbständigen Gemeinden in Deutschland ist.
Frei bedeute zum Beispiel, die Gemeinde wird nicht durch Kirchensteuern finanziert, sondern durch freiwillige Spenden der Mitglieder. „Wir sind keine Amtskirche“, erklärt Gast. Aber über alle Unterschiede zwischen den christlichen Kirchen hinweg fühlt sich die FeG mit allen Christen verbunden. Sichtbar wird das in der Zusammenarbeit in der Evangelischen Allianz und im Arbeitskreis christlicher Kirchen.
Das erklärt auch, weshalb Gast sich beispielsweise eingebracht hat in die Organisation der Gebetswoche der evangelischen Allianz und nicht fehlte bei ökumenischen Gottesdiensten - ob zum 3. Oktober oder zum jährlichen Gedenken an die Pogromnacht am 9. November. „Man muss sich einbringen, einmischen in die Stadt“, ist sein Credo.
Denn der Stadt Bestes suchen: von dem Gedanken, den der Prophet Jeremia im Alten Testament den Seinen als Botschaft ins Herz geschrieben hat, habe er sich stets leiten lassen. Auch John F. Kennedy („Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“) und Willy Brandt nennt Gast als Vorbilder für sein Tun.
In der Gemeindearbeit erinnert er sich besonders gerne an das David-Projekt
Die Rückschau von Gast auf die 15 Jahre in Dessau ist eine Gute, auch wenn er mit der Stadt insgesamt etwas hadert, weil die sich unter Wert verkaufe. „Dabei kann man hier sehr gut leben“, wie der Hamburger findet.
In der Gemeindearbeit erinnert er sich besonders gerne an das David-Projekt. „Eine grandiose Geschichte“, weil sich die Gemeinde aufgemacht habe, einen Weg zu finden, nach außen zu transportieren, was den Menschen wichtig ist. „Das hat die Gemeinde zusammengehalten und zusammengeschweißt“, erzählt der Pastor.
Höhepunkte waren auch stets die Taufgottesdienste in der Elbe. Besonders sticht dabei eine Taufe hervor, die eines jungen Iraners. Der Moslem habe als Dolmetscher geholfen beispielsweise Gasts Predigten für die iranische Gemeindegruppe zu übersetzen. Dass der junge Mann - auch dadurch inspiriert - den christlichen Glauben annahm, macht den Pastor ebenfalls stolz.
Pfingstsonntag und -montag folgen die letzten Gottesdienste
Persönlich gefreut hatte ihn auch, als eine internationale Internetbibelschule auf ihn aufmerksam geworden war. Die Studenten aus unterschiedlichsten europäische Ländern konnte er an einem Wochenende begrüßen, ihnen Dessau, aber auch Wittenberg näherbringen. Auch eine Gruppe Japaner hieß er willkommen.
Vieles gäbe es noch zu erzählen, auch über die Arbeit im Seniorenbeirat der Stadt oder dass Gast und seine Frau auf dem Bio- und Regionalmarkt auf dem Lidiceplatz nicht wegzudenken sind. Über das eine oder andere wird sicher noch gesprochen bei seiner Verabschiedung. Wann, ist in Corona-Zeiten aber unklar.
Von der Gemeinde hat er sich am Wochenende schon ein wenig verabschiedet. Pfingstsonntag und -montag folgen die letzten Gottesdienste in Dessau und in Oranienbaum. Aber auch danach werden Jens-Peter Gast und seine Frau noch gut ein Jahr da sein. Ein junger Nachfolger in Dessau, weiß der Pastor, ist schon bestimmt. Alles ist auf dem Weg. (mz)