Meisterstück des Bayern-Trainers

Hans-Dieter Flick macht k(l)eine Fehler

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Hansi Flick hat keine Zeit für Fehler.(Foto: REUTERS)

Der FC Bayern ist zum achten Mal in Folge Deutscher Meister. Auch wenn die Münchner das noch nicht hören wollen. Aber was soll in der Bundesliga denn noch passieren mit einem Trainer, der fast alles richtig macht?

Hans-Dieter Flick hatte sich geirrt. Und das womöglich zum allersten Mal, seit er der Cheftrainer des FC Bayern ist. Er hatte im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga einen zunächst eher defensiv agierenden Gegner erwartet. Nach nicht einmal 30 Sekunden durfte er seine These widerlegt wissen. Da hatte Jérôme Boateng nämlich mit seinen geschlossenen Beinen einen Blitzschnell-Rückstand verhindert. Mit weltmeisterlicher Gelassenheit klärte er einen Schuss von Erling Haaland auf der Münchner Torlinie.

Borussia Dortmund - Bayern München 0:1 (0:1)

Tor: 0:1 Kimmich (43.)
Dortmund:
Bürki - Piszczek (80. Mario Götze), Hummels, Akanji - Hakimi, Delaney (46. Can), Dahoud (85. Witsel), Guerreiro - Hazard, Haaland (72. Reyna), Brandt (46. Sancho); Trainer: Favre.
München: Neuer - Pavard, Boateng (85. Hernandez), Alaba, Davies - Kimmich, Goretzka - Coman (73. Perisic), Thomas Müller, Gnabry (87. Martinez) - Lewandowski; Trainer: Flick.
Schiedsrichter: Stieler (Hamburg)

Drei Minuten später versuchte sich Nationalspieler Julian Brandt nach einer schönen Seitenverlagerung aus der Distanz - kein Problem für Torwart Manuel Neuer, der in der ersten Szene übrigens von Haaland getunnelt worden war. Die Dortmunder, sie hatten nach vier Minuten schon mehr Abschlüsse (doppelt so viele sogar) als im desaströsen Hinrundenduell, das in München mit 0:4 geendet war. Welches den Anfang der legendären Hansi-Flick-Saga bedeutete, die über ein Mini-Medium-Maxi-Interimsdasein nun in der achten Meisterschaft in Serie enden wird. Mit Flick als längst offiziellem und hoch gelobtem Cheftrainer.

Warum sie in München immer noch im Hansi-Hype-Modus sind, das begründete Flick einmal mehr in Dortmund. Seinen Irrtum korrigierte er nämlich eiligst. Nach ungefähr zehn Minuten hatten die Münchner sich mindestens mal auf das Niveau des Gegners gezogen, das Spiel ausgeglichen gestaltet. Dabei war es alles andere als spektakulär, was der FC Bayern zeigte. Weder Serge Gnabry konnte seine Kunst und Power voll entfalten noch Kingsley Coman. Thomas Müller war nach seinen furiosen Auftritten zuletzt mehr als Malocher gefragt denn als Scorer. Und Robert Lewandowski konnte seine phänomenale Torserie gegen den BVB ebenfalls nicht ausbauen.

Es geht auch mal ganz nüchtern

Die Bayern, sie gewannen dieses durchaus gute bisweilen sehr gute Fußballspiel, weil sie den Dortmundern die Stärken raubten. Das schwarzgelbe Tempo, dem so viele Mannschaften einfach nicht gewachsen sind, bremste sich am Münchner Kollektiv brutal aus. Das Zentrum war dicht, dank Joshua Kimmich, dessen spontane Genialität das Spiel in der 43. Minute entschied, und dank Leon Goretzka, der ebenfalls so gut wie alles abfing, was die Dortmunder als Attacke zum Tor versuchten. Und auf den Außenbahnen - da spielte Benjamin Pavard gewohnt solide und Alphonso Davies gewohnt furios. Die wenigen Momente der mannschaftlichen Instabilität, die in jedem Spiel vorkommen, sie blieben unbestraft.

Haaland, der so früh so gefährlich war, kam kaum ins Spiel. Und wenn der Norweger mal am Ball war, dann war da auch ganz oft Boateng und dann war Boateng auch ganz oft der Sieger. Die Geschichte des Weltmeisters, der schon so oft weg war und plötzlich so unglaublich wichtig ist, sie erzählt ganz viel über das, was Flick beim Rekordmeister in kurzer Zeit schon bewirkt hat. Er hat die Dominanz wieder zum Herzen des Münchner Spiels gemacht. Er hat auch den ewigen und unerschütterlichen Glauben an die eigene Qualität wieder implementiert. Und das sowohl dem Kollektiv als auch den einzelnen Spielern.

Neben Boateng profitiert davon am meisten Müller, der seine mit Abstand beste Saison seit Jahren spielt. Der trifft, der vorbereitet, der dirigiert und der einfach wieder viel Spaß an dem hat, was er tut (und bis heute kaum ein Gegner versteht). Auch David Alaba, der neue Abwehrchef, ist seit Monaten in einer überragenden Verfassung. Und Davies hat sich unter Flick zum derzeit wohl besten, mindestens aber mal zum spektakulärsten Linksverteidiger der Liga gesprintet.

Höflich und meinungsstark

Aber Flick ist nicht bloß der Mann, der den Kader bei Laune hält und kluge Ideen hat. Flick hat sich bereits als meinungsstarker Chef etabliert - auch schon, als er nur Maxi-Interim war. In der Winterpause scheute er sich nicht davor, seinem Sportdirektor öffentlich 'ne Ansage zu machen, dass der Kader dringend Verstärkungen bräuchte. Er scheute sich dann auch nicht davor, den Konflikt des Klubs mit seinem Kapitän einzuordnen. Etwaige Vorgaben zu Einsatz-Versprechen an Neuzugänge - Torwart Alexander Nübel - konterte Flick mit der Entscheidungs-Autonomie seines Amtes.

Was er sagt, selbst wenn es nicht zwingend linientreu ist, das wird in München mit bemerkenswerter Gelassenheit hingenommen. Lediglich Hasan Salihamidzic erklärte, dass er die Transferdebatte lieber intern als über die Medien geführt hätte. Mit seiner unerschütterlichen Höflichkeit, mit seiner Menschlichkeit und der Klarheit in seinen Ansagen hat sich Flick sehr schnell unfreiwillig in die Nähe der Klublegende Jupp Heynckes gerückt. Der konnte spätestens nach seiner dritten Rückkehr und dem Triple 2013 nichts mehr falsch machen. Gleiches gilt jetzt auch schon für Flick. Auch wenn er diesen Status niemals für sich annehmen würde. Denn er hat ja noch nichts erreicht - offiziell nicht mal die Meisterschaft.