Affäre um uneinsichtigen Berater

Johnson bekommt Druck aus eigener Partei

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Der britische Premier Johnson muss heute vor dem Liaison-Committee aussagen.(Foto: picture alliance/dpa)

Ein Rücktritt, einbrechende Umfragewerte und eine Revolte in den eigenen Reihen setzen den britischen Premier zunehmend unter Zugzwang. Sein Ausgangssperren missachtender Berater Dominic Cummings sei nicht mehr zu vermitteln, sagen viele. Johnson muss dazu heute Stellung nehmen.

Die Rufe nach einem Rücktritt des britischen Regierungsberaters Dominic Cummings werden immer lauter. 39 Parlamentarier der Konservativen Partei verlangen bereits, dass Cummings seinen Hut nimmt. Premierminister Boris Johnson habe Schwierigkeiten, die wachsende "Revolte" in den eigenen Reihen zu kontrollieren, berichtete die "Times". Aus Protest war gestern bereits Staatssekretär Douglas Ross zurückgetreten.

In einer YouGov-Umfrage gaben 71 Prozent der Befragten in Großbritannien an, dass sie Cummings Reise nach Durham im Nordosten Englands für einen Verstoß gegen die Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Krise halten. 20 Prozent waren anderer Meinung, 9 Prozent enthielten sich. In anderen Umfragen verloren die regierenden Konservativen deutlich an Zuspruch, während die Opposition zulegte.

Heute am späten Nachmittag soll Johnson vor dem sogenannten Liaison-Committee im Parlament zu Cummings Stellung nehmen. Es besteht aus den Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse des Parlaments und ist das einzige, gegenüber dem der Regierungschef Rechenschaft ablegen muss. Es ist Johnsons erster Auftritt als Premier dort.

Johnsons Schwester übt subtile Kritik

Cummings hatte am Montag in einer einstündigen Pressekonferenz Vorwürfe, er habe mit einer Reise zu seinen Eltern die Ausgangsbeschränkungen ignoriert, strikt zurückgewiesen. Er bedaure sein Verhalten nicht und habe auch nie einen Rücktritt in Erwägung gezogen, so Cummings, der als hochintelligent und unberechenbar gilt.

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Johnsons Berater Dominic Cummings gilt als Kopf hinter der Brexit-Kampagne.(Foto: imago images/PA Images)

Der Chefberater hatte als Grund für seine Reise Ende März angegeben, dass er die Betreuung seines kleinen Sohnes sicherstellen wollte: Seine Frau sei an Covid-19 erkrankt gewesen und er selbst habe mit einer Ansteckung gerechnet. Auf Empörung stieß vor allem seine Aussage, dass er von Durham aus mit Frau und Sohn zu einem Schloss gefahren sei, um seine Sehkraft nach der Infektion zu testen. Der Vorfall war durch eine Anzeige ans Licht gekommen.

Nach Ansicht von Kritikern schwächt Cummings das Vertrauen in die Regierung und in Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Der zurückgetretene Staatssekretär Ross sagte: "Einwohner in meinem Wahlkreis konnten sich nicht von ihren Angehörigen verabschieden, sie konnten nicht gemeinsam trauern, die Menschen konnten ihre kranken Angehörigen nicht besuchen, weil sie sich an die Empfehlungen der Regierung hielten", erklärte Ross mit Blick auf die Corona-Ausgangsbeschränkungen. "Ich kann ihnen beim besten Willen nicht sagen, dass sie alle falsch lagen und ein Regierungsberater im Recht war." In einem Interview mit dem Fernsehsender ITV sagte Johnsons Schwester Rachel heute, sie hätte sich an Cummings Stelle entschuldigt.