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Eine Klasse für sich: Joshua Kimmich.© rtr
Bayern München

Joshua Kimmich: Das Alphatier

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Joshua Kimmich schießt Bayern zum Sieg und stellt als Dauerläufer eine Bestmarke auf.

Exakt 13,7 Kilometer, das ist eine Menge. Zwischen der Säbener Straße und der Arena in Fröttmaning zum Beispiel liegen nur ein paar hundert Meter mehr. Wenn man knapp 14 Kilometer zurücklegen will, kann man auch vom Marienplatz zum Zoo und wieder zurück laufen. Oder aber ganz München durchqueren, von der Messestadt bis ins Westend. 90 Minuten Zeit bleiben dafür, wahlweise mit Ball am Fuß oder Gegner im Weg. „Aber mit Fans im Rücken“, sagte Joshua Kimmich am Dienstagabend, „geht das schon“.

Natürlich schmunzelte der Matchwinner, als der kurz nach Abpfiff des 1:0 seiner Bayern gegen Borussia Dortmund diesen Satz sprach. Das Stadion war bekanntlich leer, und aus Statistiken, Prozentwerten und Bestmarken machen sich Fußballprofis sowieso nicht allzu gerne allzu viel. Aber diese Laufleistung, seit Beginn der Bundesliga-Datenerfassung vor sieben Jahren Rekord, war doch beeindruckend und sprach zudem Bände. Wer vor dem Geister-Gipfel die Mentalitätsfrage gestellt hatte, fand seine Antwort in Kimmich. Dass ausgerechnet ihm, dem besten Mann, Antreiber und Schlüsselspieler im Team von Hansi Flick per genialem Lupfer das Tor des Tages gelang, passte freilich bestens. „Er hat da am Morgen schon so etwas angedeutet“, posaunte der bestens gelaunte Thomas Müller hinter Kimmichs Rücken in die Kamera. Auch das: Ein Witz. Aber ein echter Zufall war es auch nicht, dass Kimmich die Bayern so gut wie zum Meister machte.

„Ich sehe da eine Entwicklung – und diese Entwicklung ist sehr gut“, sagte Flick. Der Bayern-Coach sprach damit nicht das Tor an, bei dem Kimmich Weitsicht bewiesen und die hohe Positionierung von BVB-Torwart Roman Bürki ausgenutzt hatte. Vielmehr lobte der 55-Jährige den Nationalspieler für seinen Gesamtauftritt. Er verwies vor allem auf „die Position, die er aktuell spielt, als Sechser“. Da könne Kimmich „seine Qualitäten einfach auch gut einsetzen“.

Der 25-Jährige sei schon immer jemand, „der viel sprechen kann. Aber die Art und Weise, wie er das ausfüllt, wie er die Position besetzt, wie er immer wieder anspielbar ist und den Mitspieler immer wieder stärkt, das ist gut.“ Den Ausfall von Thiago ließ Kimmich nahezu im Alleingang vergessen. Er nahm das Spiel einfach selbst in die Hand.

Man darf nicht vergessen, dass Kimmich ja erst unter Flick zum unantastbaren defensiven Mittelfeldspieler wurde. Als Niko Kovac noch an der Seitenlinie stand, musste er flexibel agieren, lief teilweise drei Spiele am Stück als Rechtsverteidiger auf. Für das Bayern-Spiel ist die dauerhafte Versetzung mindestens genauso wichtig gewesen wie die Stärkung von Thomas Müller sowie David Alabas neue Rolle als Abwehrchef. Kimmich hält die Ordnung der Bayern, „er setzt aber auch immer wieder Akzente nach vorne“, sagt Flick. Für den Trainer ist der Ex-Leipziger so etwas wie der Musterschüler. Egal, ob im Training oder im Spiel: „Er gibt immer 100 Prozent.“

Der Jubel, der Kimmich mit Spielende überkam, passte da bestens ins Bild. Er selbst wunderte sich beim Blick auf seine verhalten freudigen Mitspieler, kurz fragte er sich, „ob sie wissen, wie wichtig diese drei Punkte waren“. Sie alle hatten sich auf dieses Kräftemessen gefreut, doch gerade bei Kimmich mussten Anspannung, Druck und Erleichterung einfach raus.

Im Juni wird Kimmich, der ganz sicher irgendwann Bayern-Kapitän werden wird, zum fünften Mal die Meisterschale in den Händen halten, für einen 25-Jährigen ist das beachtlich. Allerdings ist es nur logisch, dass er nach Höherem strebt. Kein Zweiter verkörpert die Generation der Bayern, der man wieder Großes zutraut, so wie der gebürtige Rottweiler.