Bedburg-Hau: Nach Geiselnahme in Psychiatrie: Flüchtiger stirbt nach Schuss bei Festnahme
by FOCUS OnlineMit Gewalt und List brechen am Niederrhein zwei Insassen aus einer geschlossenen Anstalt für Straftäter aus. Sie nehmen einen Pfleger als Geisel und zwingen ihn, für die Öffnung der Außentür zu sorgen. Anschließend fliehen sie nach Aachen und werden dort gefasst. Einer der Flüchtigen stirbt am Abend, nachdem er bei der Festnahme angeschossen wurde.
Tödliches Ende einer Flucht: Zwei Straftäter fliehen aus der Psychiatrie in Bedburg-Hau, setzen sich in den Wagen eines Pflegers und fahren nach Aachen. Nach dpa-Informationen stammen die beiden von dort. Am Dienstagabend entdecken die Beamten dann die beiden Männer. Laut eines "Bild"-Berichts kam die Polizei den Straftätern über einen bekannten Kontakt in einem Aachener Hochhaus auf die Spur.
Dort hätten die Zivilbeamten das Gebäude umstellt und eine Hundertschaft zur Verstärkung hinzugerufen. Als die Straftäter das Haus verließen, hätten die Beamten sie mit der Absicht, sie festzunehmen, angesprochen. Doch die Geflohenen seien losgerannt.
Flüchtiger Straftäter hielt Mutter Messer an Hals
Daraufhin wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft kurzzeitig eine unbeteiligte Frau bedroht. So habe der 37-jährige Geflohene einer Geisel ein Messer an den Hals gehalten. Der Mann habe auf einem belebten Spielplatz am Dienstagabend eine Mutter von hinten mit dem Messer bedroht, sagte Sprecherin Katja Schlenkermann-Pitts. Mit vorgehaltenen Waffen hätten die Polizisten den Mann mehrfach aufgefordert, von der Frau abzulassen und auch den Schusswaffengebrauch angedroht. Als der Mann dem nicht nachkam, hätten zwei Polizisten "in einer klaren Nothilfelage" geschossen. Die Beamten hätten davon ausgehen müssen, dass der 37-Jährige der Frau etwas antue. Gegen die Beamten werde nicht weiter ermittelt.
Der Straftäter sei von beiden Kugeln getroffen worden. Welche tödlich war, sei noch nicht klar. "Der 37 Jahre alte Mann ist in Folge der Schussverletzungen gestorben", sagte Oberstaatsanwältin Schlenkermann-Pitts. Die Polizei hatte sein Alter am Dienstag noch mit 38 Jahren angegeben. Der zweite ausgebrochene Patient im Alter von 43 Jahren habe sich dann problemlos festnehmen lassen. Die unbeteiligte Frau blieb laut "Bild" unverletzt.
Die Geschichte beginnt am Vorabend in der forensischen Psychiatrie Bedburg-Hau.
Pfleger mit Küchenmesser bedroht
Es ist schon später Abend, als am Montag zwei Patienten der forensischen Psychiatrie in Bedburg-Hau Küchenmesser in die Hand nehmen und einen Pfleger bedrohen. Einen zweiten Pfleger schließen sie ein, dann zwingen sie ihre Geisel, die Außentür unter einem erfundenen Vorwand öffnen zu lassen. "Sie haben ihn genötigt, der Pforte Bescheid zu sagen, er müsse jetzt mal in den Außenbereich, um Müll zu entsorgen", erzählt Polizeisprecher Ingo Schankweiler. Der Plan geht auf. Wenig später sitzen die beiden im Auto des Pflegers und flüchten. Ihre Geisel lassen sie vor der Klinik stehen. Sie gelten als gewaltbereit.
38 und 43 Jahre alt sind die beiden ausgebrochenen Patienten. Sie waren laut Polizei wegen Raubdelikten verurteilt worden. Seit Oktober beziehungsweise Dezember 2019 waren sie in der forensischen Klinik. Dort werden im sogenannten Maßregelvollzug unter hohen Sicherheitsmaßnahmen psychisch kranke und suchtkranke Straftäter untergebracht, die schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sind. Einzelheiten über die Taten der beiden und die genauen Gründe für ihre Unterbringung in Bedburg-Hau teilen die Behörden am Dienstag nicht mit.
Großfahndung nach den Flüchtigen
Der zurückgelassene Pfleger schlägt sofort Alarm. Auch der eingesperrte Kollege konnte sich inzwischen befreien und ruft die Polizei. Beide Klinikmitarbeiter sind unverletzt geblieben, stellt sich später heraus. Sofort beginnt eine großangelegte Fahndung. Ein Hubschrauber durchkämmt die Dunkelheit. Zehn Streifenwagen der Klever Kreispolizei und die Kripo sind an der Suche beteiligt. "Alles, was wir auf der Straße hatten, war eingebunden", sagt eine Sprecherin. Allein, der Wagen bleibt zunächst verschwunden.
Am Dienstagnachmittag wird er dann von einem Zeugen im etwa 150 Kilometer entfernten Aachen entdeckt. Die Polizei bittet in einer Mitteilung die Bevölkerung, den Notruf 110 zu anzurufen, wenn einer der als gefährlich eingestuften Männer gesehen wird. Mit Hochdruck wird im Raum Aachen gesucht. Daraufhin kommt es zur Festnahme und zum Schusswechsel vor dem Hochhaus in Aachen.
Träger der forensischen Klinik ist der Landschaftsverband Rheinland. Nach Angaben einer Sprecherin sind dort rund 400 Menschen untergebracht. In die Schlagzeilen war die Klinik zuletzt im November 2018 gekommen, als nach einem vereitelten Ausbruchsversuch mehrerer Patienten Tumulte auf einer Station ausbrachen. Im Mai 2017 war einem Psychiatrie-Gefangenen mit einer Geiselnahme der Ausbruch zeitweise gelungen. Im Maßregelvollzug gibt es in NRW nach Angaben des Gesundheitsministeriums 14 spezialisierte Einrichtungen, in denen rund 3000 Patientinnen und Patienten behandelt werden.
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