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Verbesserungen im Pflegesystem: Früher ignoriert, jetzt stockt der Bonus: Was Pflegekräften wirklich helfen würde

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Mittwoch, 27.05.2020, 12:15

Die Coronakrise zeigt, wie wichtig Pflegekräfte sind. Diese Woche beschließt die Regierung einmalige Bonus-Zahlungen für Beschäftigte in der Alterspflege - doch bei der Umsetzung bahnen sich Probleme an. Auch der Kern des eigentlichen Problems bleibt unberührt. Langfristige Lösungsansätze gäbe es jedoch viele.

Bis zu 1000 Euro Bonus vom Bund versprach Gesundheitsminister Jens Spahn den Bediensteten in der Altenpflege, mit der Option für die Bundesländer und Arbeitgeber den Betrag um weitere 500 Euro steuerfrei aufzustocken. Ein Zeichen der Anerkennung für diejenigen, die die Folgen der Coronakrise in den Altenheimen aus nächster Nähe miterleben und sich trotz eigenem Risiko unermüdlich einsetzen.

Diese Woche hat der Bund nun das entsprechende Gesetz dazu verabschiedet, doch bei den Ländern herrscht weiterhin Unklarheit, ob und welchem Rahmen sie den Bonus aufstocken. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, seien bisher nur zehn der 16 Bundesländer dazu bereit. Wie das Blatt weiter schreibt, stehe zudem in vielen Ländern noch nicht fest, wann und aus welchem Topf die 500 Euro bezahlt werden sollen. Gleiches gilt für die Beteiligung der Arbeitgeber.

Kritik gab es zudem dafür, dass der Bonus nur an Alten-, nicht aber an Krankenpfleger in den Krankenhäusern ausgezahlt wird. „Es ist sehr bedauerlich, dass die bundesweite Vereinbarung nur die Altenpflege in den Blick nimmt“, sagte der Fraktionsvize der Grünen, Lasse Petersdotter, Mitte Mai.

Klar ist: Die einmalige Bonus Zahlung ist nur eine kleine Geste der Wertschätzung. Das lenkt den Blick auf die Diskussionen über den geringen Stellenwert der Pflegekräfte in Deutschland, die es bereits vor der Coronkrise gab.

Pflege: Angemessene Bezahlung ist Grundvoraussetzung

„Pflege verdient eine bessere Bezahlung“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, als er Ende Januar die Anhebung des Pflegemindestlohns bekanntgab. Bis zum 1. April 2022 steigen die Stundensätze deswegen auf 11,20 Euro (Pflegehilfskraft) respektive 15,40 Euro (Pflegefachkraft). Bezieht eine Pflegekraft also Mindestlohn, liegt ihr Bruttoeinkommen mindestens zwischen 2175 Euro und 2669 Euro.

Das Problem: Weit über Mindestlohn zahlt heute kaum ein Arbeitgeber, kritisiert Thomas Müller. Der Experte war selbst mehr als 15 Jahre in der Pflege tätig, bevor er sich mit seiner Firma Curassist selbstständig machte und nun freiberufliche Pflegekräfte und Pflegebedürftige durch das Dickicht bürokratischer Hürden zueinander führt. „Die Erhöhung des Mindestlohns hat letztendlich dazu geführt, dass sich viele Krankenhäuser, Altenheime, ambulante Pflegedienste oder Krankenkassen, jetzt daran orientieren."

Fachkenntnisse der Pflegekräfte müssen honoriert werden

Statt eine faire Bezahlung zu gewährleisten, vermittelt der undifferenzierte Mindestlohn nach Müllers Meinung eine ganz andere, gefährliche Botschaft: „Jeder kann Pflege.“ Genau das sei jedoch nicht der Fall. Um Pflegeberufe attraktiver zu machen, müsste sich die Bezahlung endlich an den Fachkenntnissen der Pflegekräfte anpassen, fordert der Experte.

Und weiter: „Die Fachkompetenz der einzelnen Pflegekräfte wird nicht honoriert. Wenn ich mich beispielsweise als Pflegekraft zum Wundmanager weiterbilden lasse und diese Expertise erwerbe, werde ich deswegen in der Regel nicht besser bezahlt. Bei Ärzten ist das völlig anders.“ Weiterbildungen müssten sich nicht nur im Lebenslauf, sondern auch auf dem Gehaltszettel bemerkbar machen.

Selbstständigkeit für Pfleger nur unter größten Mühen möglich

Dass sich Lohnzahlungen in der Pflege allzu oft im Bereich des Pflegemindestlohns bewegen, hängt auch mit dem beschränkten Zugang zu Selbstständigkeit zusammen. Verlässt man als Pflegekraft das Angestelltenverhältnis, „kann ich meine Fachkenntnisse quasi nicht mehr anbieten“, moniert Müller. Es entstehe ein Abhängigkeitsverhältnis, weil sich Krankenkassen häufig weigern, Zahlungen für freie Pflegekräfte zu übernehmen.

Die Gründe dafür sieht Müller insbesondere in der mangelnden Anerkennung von Abschlüssen sowie bürokratischen Hürden, obwohl die entsprechenden Paragrafen des Sozialgesetzbuches sehr konkret seien.

Stattdessen herrsche ein laxer Umgang mit dem Gesetz, was dazu führe, „dass das Ziel, Karriere zu machen, oder gar der Traum von der Selbständigkeit in der Pflege nicht existieren“. Mit einer konsequenten Umsetzung der Gesetzgebung wäre bereits viel gewonnen.

Pflege braucht mehr Personal auf den Stationen

Für das angestellte Pflegepersonal auf den Krankenhausstationen gibt es zusätzliche Herausforderungen. So planen viele Kliniken gerade nachts mit minimalem Personalaufwand.

Ein Pfleger in Alleinverantwortung für eine gesamte Station sei nach Aussage Müllers demnach keine Seltenheit: „Die Pflegekraft muss permanent Angst haben, dass jemand verstirbt, während sie mit der Betreuung eines anderen Patienten beschäftigt ist. Diese chronische Unterbesetzung geht auf die Psyche.“ Mehr Personal würde das Problem lösen.

Angemessener Lohn, Selbständigkeit und ein Personalschlüssel oberhalb des Minimums – die langfristigen Maßnahmen, um Pflegeberufe attraktiver zu machen, sind erkennbar. Womöglich liefert die Coronakrise den Anstoß für wirkliche Veränderung.

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