Favre bald weg? So «lange» bekommen Fussball-Trainer bei ihren Klubs Zeit
Sind die Tage von Lucien Favre als Trainer von Borussia Dortmund bald vorbei? So wurde eine Aussage des Romands nach der 0:1-Niederlage im Spitzenkampf gegen Bayern München gedeutet. Mittlerweile hat Favre dies verneint. Aber selbst wenn er gehen würde: Immerhin konnte er sich dann doppelt so lange halten wie ein Trainer im weltweiten Durchschnitt.
In Teilen der deutschen Öffentlichkeit hatte Favre von Beginn weg fast keine Chance. Kaum gewann Dortmund mal nicht, wurde er in Frage gestellt. Ein Fakt zur Einordnung: Unter Favre holte der BVB im Schnitt 2,05 Punkte pro Spiel. Der ähnlich lange im Klub beschäftigte Thomas Tuchel kam auf durchschnittlich 2,12 Punkte, die wesentlich länger beim BVB tätige Überfigur Jürgen Klopp schaffte 1,90 Punkte pro Spiel.
In Paris musste sich Favre kurz vor der Corona-Pause aus der Champions League verabschieden.Bild: EPA
Was Favre angekreidet wird, ist, dass er keiner für Titel sei. Wobei dabei oft vergessen wird, dass von 18 Bundesligisten nur einer Meister werden kann. Dass ein Champions-League-Aus gegen Paris Saint-Germain, das den Fussballer mit der höchsten Transferablöse (Neymar, 222 Mio. Euro) und den Fussballer mit dem höchsten Marktwert der Welt (Kylian Mbappé, 180 Mio. Euro) im Team hat, keine Schande ist. Dass ein 2:3 im Pokal-Achtelfinal gegen Werder Bremen immer vorkommen kann in einem K.o.-Wettbewerb.
Ein Trainer muss im Schnitt nach 40 Spielen gehen
Doch knapp vorbei genügt bei der Borussia nicht mehr. Seit den Meistertiteln 2011 und 2012 und dem Champions-League-Final 2013, den die Dortmunder gegen Bayern München verloren, sieht man sich auf Augenhöhe mit dem Rekordmeister. Seither konnte die Visitenkarte wertvoller Titel (Europacup, Meisterschaft, Pokal) nur durch den Pokalsieg 2017 (gegen Eintracht Frankfurt) ergänzt werden. Borussia Dortmund ist den Bayern zwar nah – aber nicht auf Augenhöhe. Nach wie vor schielt der Branchenleader auf den Rivalen aus dem Ruhrpott herunter.
Ein Titel ohne grossen Wert: Favre mit dem Supercup 2019, den Dortmund 2:0 gegen Bayern gewann.Bild: DPA
Wie es nun aussieht, kommen zu Lucien Favres bisherigen 85 Pflichtspielen als Trainer von Borussia Dortmund nur noch sechs weitere hinzu. Nach 91 Partien wäre dann Schluss bei den Schwarz-Gelben. Das klingt zunächst nicht nach sehr viel – ist aber mehr als doppelt so lange wie ein Trainer im Durchschnitt von seinem Klub Zeit erhält. Das zeigt eine aktuelle Auswertung vom Internationalen Zentrum für Sport-Studien CIES in Neuenburg.
Die Fussballforscher haben die höchsten Ligen von 84 Ländern zwischen Januar 2015 und Dezember 2019 unter die Lupe genommen. Sie fanden heraus, dass ein Trainer durchschnittlich 40,6 Spiele im Amt war, bis es zur Trennung kam.
Trainer-Verschwender Constantin
Der heisseste Trainerstuhl der Welt steht in Bolivien. Dort verschliss der Club Real Potosi in den fünf untersuchten Jahren sagenhafte 20 Trainer. Nach durchschnittlich 11,3 Spielen wurde der Neue schon wieder abgelöst. Gar nur 9,8 Spiele im Schnitt erhielten die 14 Trainer des tunesischen Klubs JS Kairouanaise Zeit.
In der Schweiz ist – wen wundert's? – der FC Sion Spitzenreiter. Präsident Christian Constantin, der für seine Hire-and-fire-Mentalität bekannt ist, setzte in fünf Jahren auf neun verschiedene Trainer. Im Schnitt erhielt ein Coach im Wallis eine halbe Saison Zeit, ehe diese abgelaufen war.
Die lange Liste der Sion-Trainer unter Christian Constantin
Am 1. Januar 2020 begann die Amtszeit von Ricardo Dionisio als Trainer des FC Sion. Er hat einen Vertrag bis Ende Saison. Seine Vorgänger: quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTJean-Paul Brigger (SUI), Juli 1992 – Januar 1993. quelle: SIGI TISCHLERClaude «Didi» Andrey (SUI), Januar 1993 – Juli 1993. quelle: LAURENT GILLIERONUmberto Barberis (SUI), Juli 1993 – Oktober 1994 und gemeinsam mit Christian Zermatten Dezember 2008 – April 2009. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTJean-Claude «Boubou» Richard (SUI), Oktober 1994 – Juli 1995 und interimistisch im August 1996. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTMichel Decastel (SUI), Juli 1995 - August 1996. quelle: BISTAlberto Bigon (ITA), August 1996 – September 1997. quelle: FABRICE COFFRINICharly Rössli (SUI), März 2003 – Juli 2003. quelle: ANDREE-NOELLE POTDidier Tholot (FRA), Juli 2003 – Mai 2004, April 2009 – Mai 2010 und Januar 2015 – August 2016. quelle: OLIVIER MAIREGuy David (FRA, kein Bild), November 2003 – Mai 2004. quelle: DENIS EMERYAdmir Smajic (BIH), Mai 2004 – August 2004. quelle: OLIVIER MAIREChristian Zermatten (SUI), interimistisch August 2004 und gemeinsam mit Umberto Barberis Dezember 2008 – April 2009. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTGilbert Gress (FRA/SUI), August 2004 – Juli 2005. quelle: OLIVIER MAIREGianni Dellacasa (ITA), Juli 2005 – Oktober 2005. quelle: DENIS EMERYChristophe Moulin (SUI), Oktober 2005 – Mai 2006 und interimistisch Oktober 2006. quelle: LAURENT GILLIERONNestor Clausen (ARG), Mai 2006 – Oktober 2006. quelle: OLIVIER MAIREMarco Schällibaum (SUI), Oktober 2006 – November 2006. quelle: OLIVIER MAIREPierre-Albert «Gabet» Chapuisat (SUI), November 2006 – Februar 2007. quelle: OLIVIER MAIREAlberto Bigon (ITA), Februar 2007 – Dezember 2007. quelle: LAURENT GILLIERONMaurizio Jacobacci (ITA, links) und Charly Rössli (SUI), Dezember 2007 – März 2008. quelle: DOMINIC FAVREAlberto Bigon (ITA), März 2008 – Mai 2008. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTUli Stielike (GER), Mai 2008 – Oktober 2008. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTChristian Constantin (SUI), Oktober 2008 – Dezember 2008. quelle: KARL MATHISUmberto Barberis (SUI) und Christian Zermatten (SUI), Dezember 2008 – April 2009. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTChristian Constantin (SUI), interimistisch April 2009 quelle: URS FLUEELERDidier Tholot (FRA), April 2009 – Mai 2010. quelle: LAURENT GILLIERONBernard Challandes (SUI), Mai 2010 – Februar 2011. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTLaurent Roussey (FRA), Februar 2011 – April 2012. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTSébastien Fontbonne (FRA) und Rolland Courbis (FRA), April 2012 – Mai 2012. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTVladimir Petkovic (BIH/SUI), Mai 2012. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTSébastien Fournier (SUI), Juni 2012 – September 2012. quelle: OLIVIER MAIREMichel Decastel (SUI), September 2012 – Oktober 2012. quelle: LAURENT GILLIERONPierre-André Schürmann (SUI), Oktober 2012 – Dezember 2012. quelle: OLIVIER MAIREVictor Muñoz (ESP), Dezember 2012 – Februar 2013. quelle: LAURENT GILLIERONGennaro Gattuso (ITA) und Arno Rossini (SUI), Februar 2013 – Mai 2013. quelle: JEAN-CHRISTOPHE BOTTMichel Decastel (SUI), Mai 2013 – Oktober 2013. quelle: LAURENT GILLIERONLaurent Roussey (FRA), Oktober 2013 – Februar 2014. quelle: ENNIO LEANZARaimondo Ponte (SUI), Februar 2014 – Mai 2015. quelle: URS FLUEELERJochen Dries (GER) und Frédy Chassot (SUI), Juni 2014 – September 2014. quelle: PETER SCHNEIDERJochen Dries (GER) und Admir Smajic (BIH), September 2014 – Dezember 2014. quelle: ALEXANDRA WEYDidier Tholot (FRA), Januar 2015 – August 2016. quelle: LAURENT GILLIERONChristian Constantin (SUI), interimistisch August 2016. quelle: CARLO REGUZZIPeter Zeidler (GER), August 2016 – April 2017 quelle: LAURENT GILLIERONSébastien Fournier (SUI), April 2017 – Juni 2017. quelle: SALVATORE DI NOLFIPaolo Tramezzani (ITA), Juni 2017 – Oktober 2017. quelle: VALENTIN FLAURAUDGabri (ESP), Oktober 2017 – Februar 2018. quelle: LAURENT GILLIERONMaurizio Jacobacci (ITA), Februar 2018 – September 2018. quelle: ALESSANDRO DELLA VALLEMurat Yakin (SUI), September 2018 – Mai 2019. quelle: OLIVIER MAIREStéphane Henchoz (SUI), Juli 2019 – November 2019. quelle: GIAN EHRENZELLER
Ausnahmen bestätigen die Regel
Von 766 Klubs, die im untersuchten Zeitraum durchgängig in der höchsten Liga spielten, beschäftigten lediglich 30 durchgehend den gleichen Übungsleiter. Der bekannteste dieser Vereine ist River Plate: Marcelo Gallardo führte den Grossklub aus Buenos Aires zu zwei Triumphen in der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions League.
Vier Mal Meister und afrikanischer Champions-League-Sieger wurde Pitso Mosimane, der seit 2012 bei den Mamelodi Sundowns aus Südafrika tätig ist. Und in Dänemark führte der amtierende Trainer Stale Solbakken den FC Kopenhagen seit 2013 zu drei Meistertiteln (nachdem er schon bei seinem ersten Engagement fünf Titel gewann).
River-Coach Gallardo mit der Copa Libertadores, die 2018 im Final gegen den Erzrivalen Boca Juniors gewonnen wurde.Bild: AP
Konstanz? Langfristiges Arbeiten?
Das sind Ausnahmen. In der Super League waren nebst Sion noch fünf Klubs ebenfalls durchgehend höchstklassig. St.Gallen und Thun verbrauchten in den fünf Jahren jeweils fünf Trainer, Basel, Luzern und YB jeweils vier. Fallen bei der Vorstellung eines Neuen also Stichworte wie «Konstanz» oder «langfristig», dürfen diese getrost als hohle Phrase abgetan werden. Erfolgreiche Trainer wollen gehen, schlechte Trainer müssen gehen. Es zählt nur der Moment, in der Schweizer «Durchlauferhitzer-Liga» erst recht.
Sollte Lucien Favre tatsächlich seinen noch bis im Sommer 2021 laufenden Vertrag vorzeitig kündigen, hätte er mehr geschafft als viele Berufskollegen. Auch wenn er den Traum nicht verwirklichen konnte, Borussia Dortmund zu einem grossen Titel zu führen.
Update:
Mittlerweile gibt es neue Aussagen der Protagonisten. Am Tag nach dem Spiel bemühte sich BVB-Boss Hans-Joachim Watzke heute, die Wogen zu glätten. «Der Trainer wollte nur sagen, dass wir wie immer am Ende der Saison eine Analyse machen werden», sagte er der «WAZ». Er habe Favre zuletzt als sehr fokussiert empfunden und Dortmund spiele eine sehr, sehr gute Rückrunde, so Watzke weiter. «Aktuell gibt es überhaupt keinen Anlass für eine Trainerdiskussion.»
Auch Lucien Favre äusserte sich in der Zeitung. Seine Worte direkt nach dem Spiel seien falsch verstanden worden: «An Aufgeben denke ich überhaupt nicht.» Zur Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte er unmissverständlich: «Ich werde nicht zurücktreten. Das ist totaler Quatsch!»
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