Sound der Jugendunruhen 1980

«Züri brännt» feuerte die Zürcher Jugendunruhen an

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Langeweile und Wut im Bauch: Warum die Musik in der 1980er-Jahre-Bewegung so wichtig war.

Als am 30. Mai 1980 vor dem Zürcher Opernhaus die Jugendunruhen losgingen, ging es um Politik. Aber auch um Musik. Im Opernhaus stand Vincenzo Bellinis Melodram «La Somnambula» auf dem Programm, als sich zu den Protestierenden Besucher des Bob-Marley-Konzerts im Hallenstadion gesellten.

Welten kollidierten. Funken sprühten. Viele Jugendliche hatten noch Marleys Song «I Shot The Sheriff» in den Ohren, als die ersten Steine gegen die Polizei flogen.

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▶️ Sara Schär, damalige TNT-Frontfrau, über den Song «Züri brännt»
Aus Kulturplatz vom 01.10.2008.

Der Sound war der Jugendbewegung immer schon einen Schritt voraus. «Züri brännt», der Song der Punkband TNT, der zur Hymne der Jugend wurde, erschien schon 1979. Man könnte auch behaupten: Zürich brannte damals, weil viele Junge für ihre Stadt brannten.

Nur wollten sie ein anderes Zürich, keine «alte Wichserstadt». Der Sound war das Vehikel, das die Wut der Jugend auf die Strassen brachte. Diese Protestmusik hatte eine Durchschlagskraft, wie sie in der Schweizer Geschichte einmalig ist.

Gegen die «arschlochige» Kommerzwelt

Die Musik war der Motor der Jugendbewegung. In der Musikszene brodelte es schon lang. Und es gehörte zum guten Ton, dass schon der Name einer Band klarmachte: Hey, wir sind Bürgerschrecke und geben einen Scheiss auf eure «arschlochige» Kommerzwelt.

So nannten sich die Bands Sperma, TNT, Bucks, Der Böse Bub Eugen oder Needles. War also alles wütender Punk, hingeschleudert von schroffen Gitarren? Einen einheitlichen Sound zur Jugendbewegung gab es nicht. Zu vielfältig war die Szene. Für die Revolution lief alles Mögliche: von Punk über Synthiepop zu Jazz und Reggae.

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🔊 Zu Gast: Sara Schär und Phil Rust von der Schweizer Punk-Legende TNT
01:45:49 min, aus Sounds! vom 02.10.2014.

«Plastik statt Jute»

Ironie war wichtig. Überhaupt der Humor. Das international erfolgreiche Frauentrio Liliput sangen «Yours is mine, and mine belongs to me» - eine Spitze gegen den innig beschworenen Gemeinschaftsgeist der frühen Achtzigerjahre. Forderten die Hippies «Jute statt Plastik», machten die Punks daraus «Plastik statt Jute».

Aber erst recht geistreich war, als sich die Band Hertz in selbstgenähten Jutekleidern am Monsterkonzert zur legendären Ausstellung «Saus & Braus» präsentierte.

Der Humor war auch eine indirekte Spitze gegen den todernsten und dogmatischen Politflügel der Szene. Da wurden auch mal rabiat Musikerinnen von der Bühne gezerrt, wenn diese geschminkt auftraten. Denn besonders für feministische Aktivistinnen war Schminke ein Affront.

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▶️ Dokumentarfilm: Drei Beteiligte berichten von den Jugendunruhen
Aus DOK vom 14.05.2020.

Rote Fabrik wird zum Kulturzentrum

Zwar wollten die Bands auch die Welt verbessern, und viele der Künstler wurden durch die Polizeigewalt erst politisiert. Aber auch sie wussten: Es geht besser mit Fun. Und es war auch der Fun, der das letzte Wort haben sollte. Denn es waren die kulturellen Forderungen, die schliesslich von der Stadt eingelöst wurden: die Rote Fabrik als Kulturzentrum, oder die Schaffung des Popkredits.

Nicht wenige Musiker, die der Jugendbewegung nahestanden, starten in diesem Jahrzehnt international durch: Yello, Stephan Eicher, The Young Gods oder Liliput. Auch die beiden Welthits «Bostich» (Yello) und «Eisbär» (Grauzone) entstanden 1980. Der Fall war klar, es war eine Mission höchster Dringlichkeit: den Schweizer Provinzmief endlich hinter sich zu lassen.

Drei Hymnen der Jugendbewegung

«Züri brännt, die alti Wichserstadt / Züri brännt vor Aschiss ab.» Der Song von TNT fühlte dem Aufruhr den Puls und entfesselte ihn von Neuem. Widerborstig, fadengrad und trotzdem hymnisch: der Song schlechthin der Zürcher Jugendunruhen.

Der Name war Programm – will heissen: Man hatte das Gegenteil von dem im Sinn, was der Freisinn wollte. Bei der Zürcher Punkband ging es richtig rabaukig zur Sache: «Schwizer simer, doch wänds nöd si / mir schiissed all uf euses Land.»

AlsProtestlied war es nicht gebaut, und es war auch nicht aus Zürich. Und doch schwang in den Zeilen «Ich möchte ein Eisbär sein, im kalten Polar. Dann müsste ich nicht mehr schreien, alles wird so klar» mächtig viel Zeitgeist mit.