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Diese Aufnahme zeigt einen möglichen Schlammvulkan auf dem Mars.© Nasa / JPL / Caltech / University of Arizona
Weltraum

Schlammvulkane auf dem Mars

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Die Hügel im Norden des Planeten könnten aus einem Wasser-Staub-Gemisch entstanden sein.

Ein karger Wüstenplanet, auf dem gelegentlich heftige Sandstürme toben – so präsentiert sich der Mars heute. Doch Aufnahmen seiner Oberfläche lassen erahnen, dass der rote Nachbar der Erde auch andere Zeiten gesehen hat: Sie zeigen ausgetrocknete Flussbetten und Seeböden, Täler, Berge, Hügel und tiefe Krater. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es auf dem Mars einst feuerspeiende Vulkane gab, die flüssige Lava in großer Menge ausspuckten, welche sich als heiße Glut über dem Planeten verteilte und nach dem Erkalten Gesteinsformationen bildete. Doch es könnten noch andere Phänomene Landschaften auf dem Planeten geformt haben. So vermuten einige Forscher, dass die zehntausenden Bergkegel auf der Nordhalbkugel durch „Schlammvulkanismus“ entstanden sind – ihre Grundlage also nicht erstarrte Lava ist, sondern ein matschiges Wasser-Staub-Gemisch, das aus dem Untergrund an die Oberfläche gedrückt wurde.

Dass es früher auf dem Mars reichlich Wasser gab, gilt als gesichert, und auch heute noch ist es dort mit großer Wahrscheinlichkeit vorhanden, wenn wohl auch nur in kleinen Mengen. Die markanten Hügelformationen könnten sich gebildet haben, indem große Wassermengen zunächst im Boden versickerten und anschließend gemischt mit Sedimenten durch Risse im Boden wieder nach oben gepresst wurden. Auch auf der Erde gibt es solche Schlammvulkane, in Europa zum Beispiel in den Karpaten oder im italienischen Apennin. Allerdings sehen sie anders aus als die Strukturen auf dem Mars.

Auch fehlten bislang Belege für die Annahme, dass es sich bei den Bergkegeln auf dem Mars um Spuren von Schlammvulkanismus handelt. So wusste man nicht einmal, wie sich wasserreicher Schlamm auf der Oberfläche des roten Planeten mit seinen zum Teil sehr niedrigen Temperaturen und dem geringen Atmosphärendruck verhält.

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Auch auf der Erde gibt es „kalten Vulkanismus“.© CAS / Peter Brosz

Genau das hat ein Forschungsteam unter der Leitung der Tschechischen Akademie der Wissenschaften nun in Laborversuchen nachgestellt. Auch Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) waren an der Studie beteiligt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht.

„Wir wissen seit langem, dass in der frühen Marsgeschichte vor mehreren Milliarden Jahren große Wassermengen in kurzer Zeit freigesetzt wurden und dabei Täler riesigen Ausmaßes in die Landschaft erodierten, die heute längst trockengefallen sind“, erklärt Ernst Hauber vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof, der an der Studie beteiligt war. „Von diesen Ausflusstälern wurden umfangreich abgetragene zerkleinerte Gesteinsmassen in die nördlichen Tiefebenen des Planeten transportiert und dort schnell abgelagert.“ Später seien diese Gesteinsmassen dann von jüngeren Sedimenten und vulkanischen Gesteinen überdeckt worden.

Bereits seit einiger Zeit gibt es die These, dass diese wasserreichen Sedimente im Untergrund verflüssigt worden sein könnten und unter enormem Druck wieder an die Oberfläche katapultiert wurden – ähnlich wie beim Aufstieg von Magma aus Vulkanen. Deshalb wird dieser Prozess auch als Schlammvulkanismus bezeichnet. Die Bergkegel in der nördlichen Tiefebene des Mars, die auf ihrem Gipfel oft einen kleinen Krater aufweisen, könnten so entstanden sein.

Mit einer Serie von Experimenten wollten die Wissenschaftler das Freisetzen von Schlamm unter Bedingungen wie auf dem Mars simulieren. Dafür verwendeten sie eine zylinderförmige Unterdruckkammer und gossen bei minus 20 Grad Celsius wasserreichen Schlamm über eine Sandfläche. Zum Vergleich wiederholten sie den gleichen Prozess unter irdischen Bedingungen – also mit mehr Druck und auch wärmeren Temperaturen. Ziel war es herauszufinden, ob, wie und durch was sich das Fließverhalten des Schlamms veränderte.

Dabei war zu beobachten, dass sich Schlamm auf der Erde selbst bei eisigen Temperaturen eher flächig ausbreitet. Das Resultat der Mars-Simulationen hingegen überraschte die Forscher, wie Peter Brosz von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften berichtet: Unter dem geringen Druck der Marsatmosphäre fließt Schlamm demnach ähnlich wie dünnflüssige Lavaströme auf der Erde, sogenannte Pahoehoe- oder Stricklavaströme. Sie sind unter anderem von den großen Vulkanen auf Hawaii oder Island bekannt. „Unsere Experimente zeigen, dass selbst ein vermeintlich so einfacher Prozess wie das Fließen von Schlamm, den viele von uns seit ihrer Kindheit aus eigener Anschauung kennen, auf dem Mars ganz anders ablaufen würde“, sagt Peter Brosz. Diese Beobachtung widerspreche zudem der Theorie, dass vergleichbare geologische Prozesse auf anderen Himmelskörpern im Sonnensystem oft so ähnlich vonstatten gehen wie auf der Erde.

Als entscheidenden Grund für das andere Fließverhalten des Schlamms auf dem Mars sehen die Wissenschaftler vor allem die sehr dünne Atmosphäre auf dem Planeten an, deren Druck 150-mal geringer ist als auf der Erde in Meereshöhe. Dadurch sei Wasser in flüssiger Form auf der Marsoberfläche nicht sehr stabil und fange an zu kochen und verdunsten, erläutert Brosz. Die äußere Schicht des Schlamms kühlt aber schnell ab und erstarrt, während der innere Kern flüssig bleibt und die gefrorene Kruste sprengen kann. Solche Prozesse könnten sich nach Ansicht der Forscher nicht nur auf dem Mars abspielen, sondern in ähnlicher Form auch auf den Eismonden im äußeren Sonnensystem – mit dem Unterschied, dass dort statt Magma oder Schlamm flüssiges Wasser an die Oberfläche gelangen würde.