Coronakrise
„Wir brauchen neue Antworten“ – Grüne Bundestagsfraktion legt Zukunftspakt vor
Die Grünen wollen Zukunftsbranchen fördern und die ökologische Modernisierung der Industrie voranbringen. Staatliche Hilfen soll es nur unter Bedingungen geben.
Berlin. Der Drang der Grünen, sich als künftige Regierungspartei zu empfehlen, ist groß. Am selben Tag, an dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel ihren Wiederaufbauplan vorlegt, stellen auch die Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, eine Strategie für einen Aufbruch aus der Krise vor.
„Wir machen das, was wir von der Regierung einfordern“, sagte Hofreiter in Berlin. Die Grünen legten einen Gesamtplan vor, wie wirtschaftliche Erholung mit Klimaschutz mit sozialem Zusammenhalt und Europa zusammengedacht werden müsse. Dagegen sei die Große Koalition auf dem Weg zu alten Mustern. „Alle wurschteln vor sich hin und später entscheidet der Koalitionsausschuss.“ Deutschland stehe vor einer Wegscheide, sagte Hofreiter: „Stecken wir Geld in die Vergangenheit oder investieren wir in die Zukunft?“
„Der grüne Zukunftspakt“ – so ist das 48-seitige Eckpunktepapier für ein grünes Konjunktur- und Investitionsprogramm überschrieben. Darin wird deutlich: Die Grünen, so sehr sie die Wirtschaft unterstützen wollen, lehnen eine Politik ab, die „die alte Brüchigkeit, die alte Überanspruchung der Ressourcen, die alten Ungleichheiten“ fortsetzt.
„Wir brauchen neue Antworten“, sagte Göring-Eckardt. Im Programm der Bundesregierung erkenne sie jedoch keinen Plan, etwa zum Klimaschutz. Scharf kritisierten die Fraktionsvorsitzenden, dass die Bundesregierung sich nicht die französische Regierung zum Vorbild genommen habe, die den Einsatz von Steuergeldern für die Luftfahrt an weitreichende Bedingungen für den Klimaschutz geknüpft hat.
Die nächsten Jahre sollen zum Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen werden. „Wir haben nicht nur die Coronakrise zu bewältigen“, schreiben die Grünen. Die anderen Krisen, allen voran die Klimakrise, schritten unverändert voran. „Wenn wir die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens einhalten und die Klimakrise mit all ihren dramatischen Verwerfungen noch aufhalten wollen, dann sind die nächsten zehn Jahre dafür das entscheidende letzte Zeitfenster.“
Die Ökopartei erneuert ihre Forderung nach einem kurzfristigen Konjunkturprogramm in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro und einem langfristigen Investitionsprogramm von 500 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre.
Staatliche Hilfen unter Bedingungen
Der Anspruch: Öffentliches Geld ist zwingend strategisch für die Zukunft einzusetzen. Es brauche vor allem Investitionen und Investitionsanreize, Forschungs- und Innovationsförderungen, soziale Hilfen während der Krise sowie Qualifizierungsmaßnahmen, heißt es.
Der European Green Deal, das Pariser Klimaabkommen und die nationalen Klimaschutzziele sowie die Internationalen Nachhaltigkeitsziele (die so genannten SDGs) bilden für die Grünen den Rahmen. Staatliche Hilfen an Unternehmen könne es nur geben, wenn ökologische, soziale und gleichstellungspolitische Kriterien erfüllt seien.
Beispiel Automobilindustrie: Man sehe die Notwendigkeit zielgerichteter Hilfen. Es sei jedoch klar, dass nur mit einer langfristigen Transformationsstrategie kurzfristige öffentliche Hilfen begründbar seien. So müsse einerseits der Markthochlauf sauberer Antriebe beschleunigt werden, etwa durch Investitionsanreize, öffentliche Beschaffungsprogramme und zusätzliche Kaufanreize. Eine Förderung für fossile Verbrenner lehnen die Grünen ab. Andererseits seien Investitionen und Forschung zu unterstützen, die Ladesäuleninfrastruktur und Batteriezellenproduktion voranzubringen.
Gebraucht werde zudem ein ökologischer Rahmen für die Zeit nach der Rezession. Dies seien etwa ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer, ein schrittweiser Abbau umweltschädlicher Subventionen wie das Dieselprivileg sowie eine Anhebung der europäischen CO2-Flottengrenzwerte. Ein solcher Rahmen sorge für Planungssicherheit und Innovationsdynamik.
Gründung eines Investitionsfonds
Die Grünen schlagen vor, einen Investitionsfonds zu gründen, als Sondervermögen im Bundeshaushalt und zu einem großen Teil finanziert aus der Kreditaufnahme des Bundes. Damit sind die Mittel nicht der Jährlichkeit des Haushaltes unterworfen.
Das Geld steht über Jahre zur Verfügung und verfällt nicht, wenn sich ein Projekt verzögert. Kommunen und Länder sollen ebenfalls Mittel aus diesem Fonds abrufen können, um Investitionen in die Zukunft finanzieren zu können.
Über diesen Fonds sollen in den nächsten zehn Jahren insgesamt 500 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Klimaschutz, fordern die Grünen, muss dabei die zentrale Säule sein. Dazu gehören beispielsweise Investitionen in die Energienetze und eine Infrastruktur für grünen Wasserstoff, Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, in die Verkehrs- und Agrarwende. Weitere Schwerpunkte wollen die Grünen in Digitalisierung und Bildung setzen. Planungs- und Umsetzungsprozesse seien deutlich zu beschleunigen.
Mehr: Lesen Sie hier die Vorstellungen der Grünen zur Modernisierung der Luftfahrt.