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Auch junge Frauen machen gerne mit beim Boxtraining.© Rolf Oeser
Hanau

Corona: Jugendzentrum in Hanau startet wieder mit Boxtraining

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In der Weststadt in Hanau öffnen nach der Corona-bedingten Schließung wieder erste Jugendzentren. Das Jugendzentrum k.town. ist für viele eine zweite Heimat geworden.

Auf die Öffnung der Läden, Lokale und der Schwimmbäder sowie der Kindertagesstätten und Schulen wird gedrängt. Die Jugendzentren (Juz), so scheint es, sind in dem Chor der Forderungen untergegangen. Die Stadt Hanau hat seit Montag in ihren Einrichtungen unter strengen Hygieneauflagen den Betrieb wieder zugelassen. Ein paar Tage früher dran war mit einer Teilöffnung das Juz „k.town“ im Stadtteil Kesselstadt-Weststadt, dessen Träger die evangelische Kirche ist.

Das k.town liegt inmitten einer 1965 am Reißbrett entwickelten Retortensiedlung aus Bungalows bis Hochhäusern für rund 10 000 Menschen. Überdurchschnittlich viele junge Leute leben in der Weststadt. Das k.town ist in vielerlei Hinsicht für sie zu einem zweiten Zuhause geworden. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das seit 18 Jahren laufende, mehrfach ausgezeichnete sportpädagogische Programm Box-Gym mit bis zu hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern ab sechs Jahren, das ausgefallen war. Zu der Corona-bedingten Kontaktsperre kam überdies noch ein anderes Ereignis dazu, das für viele Jugendliche schwer auszuhalten war: Am 19. Februar ermordete ein rechtsextremistisch motivierter Täter in der Innenstadt und in der Weststadt neun Menschen.

„Die Zeit der Kontaktbeschränkung war wirklich schlimm“, sagt die 19-jährige Sara-Liya, die seit fünf Jahren zum Boxtraining ins k.town kommt. „Auf einmal war alles weg und man war allein.“ Der Schock über den knapp vier Wochen zurückfliegenden Anschlag sei nicht verarbeitet, sagt sie. Einige der Getöteten waren dort bekannt und beliebt. Telefon, Videophonie oder Whats-App seien in dieser Situation „kein wirklicher Ersatz für das Gespräch von Angesicht zu Angesicht“. Auch Michael vermisste es, seine Leute im Juz leibhaftig zu treffen. „Das hat einem schon depressiv gemacht. Hätte man sich nur fünf Minuten treffen und reden können, wäre es einem schon besser gegangen“, sagt er über den zeitweiligen Verlust realer sozialer Kontakte.

Der 31-Jährige fing mit 17 Jahren im k.town mit dem Boxen an und tut es dort immer noch, auf Wettkampfniveau. Chiar kommt sogar aus Nidderau in das k.town. Die 20 Jahre alte Auszubildende ist seit einem Jahr dabei und hat dort schon viele freundschaftliche Kontakte geknüpft. „Wir haben uns geschrieben“, sagt sie. Geschrieben habe sie oft auch Trainer Davut Demir, damit er ihr den wöchentlichen Trainingsplan aufstellt. Mit Schreiben sich aus der Einsamkeit lösen, galt auch für den 16-jährigen Maurice. Er hielt seine Freundschaften über Whats-App aktiv.

Wer es unter den Jugendlichen in der Weststadt nicht ohne direkte Begegnung aushielt, ignorierte die Kontaktbeschränkung, was der Polizei, die wegen des Anschlags von 19. Februar, im Stadtteil häufiger Streife fährt, nicht entgangen war. Die Ansammlungen wurden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Der Lockdown und die damit verbundene Schließung des Jugendzentrums habe viele Jugendliche plötzlich und hart getroffen, sagt k.town-Leiterin Antje Heigl. Bereits in der vergangenen Woche sei deshalb mit Streetwork und Open-Office - ohne Betreten der Räume - wieder angefangen worden. Heigl und ihre Mitarbeiter haben sich zudem gleich darangesetzt, ein Hygienekonzept aufzusetzen, ohne das Kirchengemeinde und Diakonie eine Wiedereröffnung des Juz nicht zugelassen hätten.

„Das Gemeindehaus hat genug Räume für mehrere Kleingruppen, um so das Abstandsgebot einzuhalten“, sagt sie. Masken, Desinfektionsmittel und Hinweisschilder gibt es nun auch. Und mit den Jugendlichen wird über die Vorsichtsregeln gesprochen. Davut Demir lässt das Training, so lange es das Wetter zulässt, auf einer nahen Freizeitfläche laufen. Mit Kreidefarbe sind zehn „x“ mit weitem Abstand auf dem Asphalt gesprüht, damit jeder weiß, wo sein Platz ist. Das Training, das derzeit ohne Sparring und Kampf im Ring auskommen muss, erfolgt in kleiner Besetzung. „Wir haben nun jeden Tag drei bis vier Gruppen“, sagt Demir. Er äußert sich sehr zufrieden über die Disziplin der Teilnehmer. „Alle kommen jetzt pünktlich oder melden sich frühzeitig bei einer Verspätung.“