Autoallianz

So wollen sich Renault und Nissan neu aufstellen

Die französisch-japanische Autoallianz will enger zusammenarbeiten. So sollen die Kosten gesenkt werden. Doch das Gerangel um Kompetenzen dürfte weitergehen.

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Renault-Werk in Flins-sur-Seine

Sowohl Nissan als auch Renault stehen wegen der Coronakrise zusätzlich unter Druck und müssen ihre Kosten massiv senken.(Foto: AFP)

Paris. Die Autohersteller Renault, Nissan und Mitsubishi haben am Mittwoch die neuen Richtlinien für ihre Zusammenarbeit bekanntgegeben. Integrieren, ohne zu fusionieren, könnte das Motto lauten. Für jedes Segment soll es einen sogenannten „Leader“ und zwei „Follower“ geben. Bei Kleinwagen (A- und B-Segment) soll Renault die Führung haben, bei Mittel- und Oberklassefahrzeugen (C, D) und der Plattform für Elektroautos Nissan.

„Der Augenblick ist gekommen, um unsere drei Unternehmen und unsere Allianz neu zu bauen“, sagte Jean-Dominique Senard, Renault-Verwaltungsratschef, bei der Pressekonferenz, die per Video aus Paris, Tokio und Yokohama übertragen wurde. Das neue Modell der Kooperation sei fokussiert auf „Kompetenz und Effizienz, nicht mehr auf Volumen“.

Eine Fusion – wie sie der langjährige Konzernchef Carlos Ghosn und Senard selber eine Zeit lang vorangetrieben hatten – sei weder beabsichtigt noch nötig. Man werde auf andere Weise zu einem „Vorbild für die erfolgreiche Integration der Autoindustrie“, sagte Senard. Erzrivale Peugeot-Citroën (PSA) strickt derweil an seinem Zusammenschluss mit Fiat Chrysler (FCA)

„Unser Ziel ist es, die operative Effizienz des Bündnisses erheblich zu steigern“, sagte Nissan-Chef Makoto Uchida. „Das Bündnis ist ein Vorteil für jedes Unternehmen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben.“ Nissan müsse darauf achten, die Fixkosten schlank zu gestalten, und werde dabei von der Allianz profitieren. Die bestehenden Synergien seien „bereits enorm“.

Der im vergangenen Jahr neu eingerichtete „Alliance Operating Board“ (AOB) ist von der neuen Integration nicht berührt. Er bleibt bestehen, gewinnt aber keine Kompetenzen dazu. Die Allianz bleibt ein loser Zusammenschluss, der mit wechselseitigen Kapitalbeteiligungen unterlegt ist. Renault hält 43 Prozent an Nissan, die Japaner besitzen 15 Prozent der Renault-Aktien.

Nissan setzt auf Nordamerika, Renault auf Europa

Das Leader-Follower-Schema soll auch bei Querschnittstechnologien gelten. So leite Nissan die Entwicklung des autonomen Fahrens und die Motor-Getriebestränge für große Verbrenner, Renault soll die Technologie für vernetzte Autos und die Antriebe für kleine Benziner und Diesel vorantreiben.

Was die geografische Aufteilung angeht, wird Nissan das Referenzunternehmen für Japan, China und Nordamerika werden. Renault fällt diese Rolle in Europa, Russland, Südamerika, Indien und Nordafrika zu und Mitsubishi in den Asean-Staaten und Ozeanien.

Referenzunternehmen zu sein bedeutet allerdings nicht, Richtlinienkompetenzen zu haben. Jedes Unternehmen bleibt in allen Regionen, in denen es präsent ist, Herr der Entscheidung. So wird Nissan beispielsweise auch darüber befinden, was aus seinen Werken in Spanien oder Großbritannien wird. Das Werk in Barcelona soll vor der Schließung stehen. Spanische Gewerkschafter behaupten, die Produktion werde nach Frankreich verlagert.

Der vorgestellte Plan wirkt anspruchsvoll. Doch selbst bei Renault räumt man ein, dass dessen Verwirklichung auf einem ganz anderen Blatt stehe. 2025 soll erst die Hälfte der produzierten Modelle nach dem Leader-Follower-Schema hergestellt werden. Das ist eine sehr lange Zeit für die Verwirklichung der in Aussicht gestellten Effizienzgewinne.

Renault-Interimschefin Clotilde Delbos beeilte sich, das Positive hervorzuheben: Schon vorher werde man von geringeren Investitionen und niedrigeren Aufwendungen für Forschung und Entwicklung profitieren. Finanziell werde sich ebenfalls schon im nächsten Jahr günstig auswirken, dass Renault, Nissan und Mitsubishi im Vertrieb und im Backoffice enger zusammenarbeiten wollen.

Vorhaben einer engeren Kooperation scheiterten in der Vergangenheit an kulturellen Differenzen und den Egoismen in jedem der drei Unternehmen. Heute allerdings sind die wirtschaftlichen Zwänge ganz andere, weil es allen drei Partnern finanziell schlecht geht.

Mehr gemeinsame Teile

Senard sagte, dass derzeit erst 39 Prozent der verkauften Autos der Allianz auf gemeinsamen Plattformen stünden. Dieser Wert solle bis 2024 verdoppelt werden. Zugleich soll die Gemeinsamkeit künftig auch für die Struktur der Karosserie („upper body“) gelten, um mehr Kosten sparen zu können. Der seit sechs Monaten amtierende Nissan-Chef Uchida fügte hinzu, dass es denkbar sei, alle Teile gemeinsam zu fertigen, die der Kunde nicht als Identifikationsmerkmal der Marke wahrnehme – eine Strategie, die vor allem Konkurrent PSA verfolgt.

Nissan wird seinen Plan für Kostensenkungen am Donnerstag, Renault sein Konzept am Freitag bekanntgeben. Diese zeitliche Streckung zeigt bereits, dass die Integration der Allianz derzeit noch mehr Ziel als Realität ist. In Japan hat die pure Not den Widerstand gegen eine engere Kooperation mit den Franzosen besiegt.

Für das Ende März abgelaufene Bilanzjahr wird Nissan am Donnerstag nach eigener Prognose einen Verlust von 85 bis 95 Milliarden Yen (721 bis 806 Millionen Euro) ausweisen. Denn die Verkäufe sind bereits 2019 um 13 Prozent auf 4,79 Millionen Autos eingebrochen. In diesem Jahr kommt die Corona-Pandemie dazu.

Ein wichtiger Grund für die Verluste ist das Scheitern von Ghosns Expansionsstrategie auf Nissans wichtigem nordamerikanischen Markt. Dort rächte sich, dass der Konzern seine Autos lange mit hohen Rabatten verkaufte. Außerdem kam die Modellentwicklung durch Skandale in Japan so stark aus dem Tritt, dass der Konzern kaum neue Autos auf den Markt brachte.

Mitsubishi Motors, mit 1,1 Millionen verkauften Autos das kleinste Mitglied der Allianz, geht es nicht besser. Das Unternehmen stürzte innerhalb des vergangenen Jahres unter dem Strich von einem Rekordgewinn in Höhe von 132,9 Milliarden Yen (1,1 Milliarden Euro) auf einen Nettoverlust von 25,8 Milliarden Yen (219 Millionen Euro) ab.

Problematischer Einfluss des Staates

Nissan muss und wird massiv sparen. Nach bisherigen Medienberichten wird Nissan seine Produktionskapazitäten um 20 Prozent auf 5,4 Millionen Autos reduzieren. Außerdem beschleunigt der Konzern sein Sanierungsprogramm. Bis 2023 sollen weltweit 20.000 Jobs gestrichen werden, immerhin 15 Prozent der Belegschaft. So hart dies für das Unternehmen ist: Es fördert die Bereitschaft, nicht mehr alles allein zu entwickeln und herzustellen.

Senard, der das AOB leitet, nannte als Beispiel für mögliche Kostensenkungen den neuen SUV für die Mittelklasse: Dort könnten die Entwicklungskosten um zwei Milliarden Euro sinken. Ein anderes Beispiel sei Brasilien. Dort leisteten sich Nissan und Renault sechs verschiedene Plattformen, künftig soll es nur noch eine sein.

Offen ist, wie der absehbare größere Staatseinfluss auf Renault sich mit der Integration der Allianz verträgt. Frankreichs Regierung will großen Einfluss auf Renaults Elektrostrategie nehmen, bei der theoretisch künftig Nissan die Führung hat. Renault soll in das französisch-deutsche Batteriekonsortium eintreten, bei dem Peugeot und Total die Führung haben.

Renault-Interimschefin Clotilde Delbos wiegelte auf eine Frage des Handelsblatts hin ab: „Da gibt es absolut kein Problem, der Staat unterstützt Renault und die Allianz.“ Was die Batterien angehe, „werden wir uns ansehen, was das Konsortium uns vorschlägt und wie wettbewerbsfähig das sein wird.“ Renault wirkt noch nicht überzeugt von dem Projekt.

Senard sagte mit Blick auf die Kooperation mit Daimler, um die es sehr still geworden ist, sie laufe hervorragend. „In den nächsten Wochen werden wir Ihnen sehr, sehr positive Neuigkeiten mitteilen können.“

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