Energiewirtschaft
Megadeal von Eon und RWE landet vor Europäischem Gericht
Eine Gruppe namhafter Konkurrenten hat eine Klage gegen die Freigabe der Aufteilung von Innogy eingereicht. Bei einem Erfolg droht Eon und RWE eine Rückabwicklung des Deals.
by Jürgen FlaugerDüsseldorf. Am Donnerstag will Johannes Teyssen seinen Aktionären stolz die Pläne des neuen Eon-Konzerns präsentieren. Auf der Hauptversammlung wird der Vorstandschef schildern, wie schlagkräftig der Energiekonzern nach der Übernahme von Konkurrent Innogy geworden ist.
Eine Gruppe namhafter Konkurrenten will die Pläne aber noch durchkreuzen – und hat pünktlich zum Aktionärstreffen beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg Klage gegen Teyssens Megadeal mit Konkurrent RWE eingereicht, mit dem die beiden Energiekonzerne die RWE-Tochter Innogy unter sich aufgeteilt haben.
Mit einer Nichtigkeitsklage greifen die zehn Kommunalversorger und der Ökostromanbieter Naturstrom die Freigabe der Transaktion durch die EU-Kommission an. Bei einem Erfolg müsste die EU-Kommission das milliardenschwere Tauschgeschäft neu prüfen. Eon und RWE würde dann im schlimmsten Fall eine Rückabwicklung des Deals drohen.
„Mit der Freigabe der Fusion im Februar und September 2019 machen die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt den Weg frei für zwei nationale Champions zulasten des Mittelstandes“, kritisieren die Kläger in einem gemeinsamen Standpunkt, der dem Handelsblatt vorliegt: „Zugleich annullieren sie die Liberalisierung des Energiemarktes und den dort geschaffenen Wettbewerb, den so viele kleinere Akteure in den letzten zwei Jahrzehnten gegen den Widerstand der Großkonzerne, allen voran RWE und Eon, miterkämpft haben.“
Zu den Klägern gehören einige der größten Kommunal- und Regionalversoger Deutschlands: Mainova aus Hessen, Teag aus Thüringen, Enercity aus Hannover, die Leipziger Stadtwerke oder die Stadtwerke Frankfurt. Sie werden unter anderem von der auf Energierecht spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held vertreten.
Freigabe mit milden Auflagen
Eine aufschiebende Wirkung hat die Klage zwar nicht. Eon und RWE können mit der Integration ihrer neuen Aktivitäten vorerst fortfahren. Für die beiden Konzerne, die schon dabei sind die neuen Aktivitäten zu integrieren, bedeutet sie aber ein neues Rechtsrisiko.
Eon-Chef Teyssen und RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hatten im März 2018 überraschend einen Deal präsentiert, der die deutsche Energiewirtschaft neu ordnet. Dabei übernahm Eon die RWE-Tochter Innogy. Eon behielt aber nur die Bereiche Netze und Vertrieb und stieg mit insgesamt 50 Millionen Kunden und 1,5 Millionen Kilometer langen Strom- und Gasleitungen zu einem der größten Versorger Europas auf.
RWE bekam unter anderem eine Beteiligung an Eon und vor allem die erneuerbaren Energien von Innogy, aber auch die Aktivitäten in diesem Bereich, die bislang Eon gehörten. RWE deckt damit wieder die komplette Palette der Stromproduktion von Atom- und Kohlekraftwerken über Gasanlagen bis Wind- und Solarstrom ab.
Der RWE-Konzern bekam schon im Februar 2019 von der EU-Kommission und dem Bundeskartellamt die Freigabe für seinen Teil der Transaktion – ohne dass die Behörden überhaupt in eine grundlegende Prüfung eingestiegen wären. Eons Teil wurde von der Kommission zwar vertieft geprüft, aber Mitte September mit vergleichsweise milden Auflagen freigegeben. In Deutschland musste sich Eon nur von seinem Geschäft mit Heizstromkunden trennen und 34 Stromladesäulen an Autobahnen abgeben.
Schon während der kartellrechtlichen Prüfung hatten sich zahlreiche Konkurrenten in Deutschland über die drohende Marktmacht von Eon und RWE beschwert und versucht, eine Freigabe zu verhindern. Letztlich aber mit mäßigem Erfolg. Sowohl Schmitz als auch Teyssen hatten die Vorwürfe auch stets zurückgewiesen – und konnten sich dabei auf zahlreiche Kartellrechtsexperten stützen. Teyssen hatte stets betont, dass das Netzgeschäft reguliert und der Wettbewerb um deutsche Stromkunden rege sei.
Konkurrenten steht nach der Genehmigung einer Fusion auf europäischer Ebene aber der Gang zum Europäischen Gericht offen. Mit der Nichtigkeitsklage nach Artikel 263 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) soll geprüft werden, ob ein Organ der EU rechtmäßig gehandelt hat. Hierzu gehören insbesondere auch Freigabeentscheidungen der EU-Kommission.
Eine prominente Nichtigkeitsklage gibt es aktuell im Telekommunikationsbereich: Die drei deutschen Netzbetreiber Telekom, Netcologne und Tele Columbus haben eine Klage gegen die Freigabe der Fusion von Vodafone und Unitymedia eingereicht.
Klage gegen RWEs Teil der Transaktion
Die Klage der Energiekonzerne richtet sich zunächst gegen die zügige Freigabe von RWEs Teil der Transaktion. In der Klage werde unter anderem bemängelt, dass das Verfahren zur Erzeugung nicht von den anderen Teilen der Transaktion hätte abgetrennt werden dürfen, heißt es in Kreisen der Kläger.
Durch die „künstliche Aufspaltung“ sei verhindert worden, dass die Wechselwirkungen der einzelnen Teile berücksichtig würden. Zudem seien die betroffenen Dritten nur unzureichend beteiligt worden. Die Begründung der Freigabe sei schließlich „zu spät und ungewöhnlich dürftig“ erfolgt. Die Kommission hätte in eine vertiefte Prüfung einsteigen müssen, weil der RWE-Konzern unter anderem seine ohnehin „dominante Position“ in der Stromerzeugung absichere und stärke.
„In einem einmaligen Akt auf dem deutschen Energiemarkt haben sich die beiden größten Wettbewerber, RWE und Eon, darauf geeinigt, den Wettbewerb miteinander aufzugeben und sich den Markt stattdessen aufzuteilen“, heißt es in dem gemeinsamen Standpunkt der Kläger. Dadurch entstünden „zwei fokussierte, aber miteinander verflochtene Unternehmen“. „Beide dominieren jeweils 'ihren' Teil der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungsstufen zulasten des Wettbewerbs.“
RWE werde der mit Abstand größte Erzeuger und Großhändler von Strom sein, „der sein traditionelles konventionelles Erzeugungsportfolio in beispielloser Weise mit einem großen und weiter wachsenden Erneuerbare-Energien-Portfolio kombinieren“ könne. Eon hingegen werde mit der Innogy-Übernahme „der mit Abstand größte Betreiber von Verteilnetzen, der Versorger mit den mit Abstand meisten Kunden“ und verfüge zudem über die meisten Daten.
„Mit diesem Deal verbunden sind erhebliche Nachteile für den Wettbewerb und damit für alle Verbraucher“, beschweren sich die Kommunalversorger und Naturstrom: „Das wollen wir nicht hinnehmen!“ Da die Europäische Kommission sich mit ihren Freigabeentscheidungen über „die massiven Bedenken von Marktteilnehmern ohne ausreichende Abwägung hinweggesetzt und sogar auf wirksame Auflagen zum Schutz des Wettbewerbs und der Kunden verzichtet habe, halte man es es für geboten, „gegen die Fusionsfreigabe den Rechtsweg einzuschlagen“.
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