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Warren Buffett, einer der bekanntesten Investoren der Welt, traut der Erholung nach der Coronakrise an den Börsen noch nicht. Stattdessen verkauft er weiterhin seine Aktienanteile an bekannten Firmen.© Paul Morigi/Getty Images for FORTUNE

Börsenguru Warren Buffett kauft noch keine Aktien – ein Signal für den nächsten Crash?

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Der weltbekannteste Börseninvestor Warren Buffett misstraut der raschen Börsenerholung, verkauft grosse Engagements und zögert mit dem Neueinstieg. Er hortet lieber 137 Milliarden Dollar Cash. Viele werten das als ein Warnsignal, dass ein zweiter Börsenrückschlag droht.

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen - und es liegt einfach so "cash" auf dem Konto seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway. Dabei ist Buffett einer der grössten und einflussreichsten Aktieninvestoren der Welt und berühmt für seinen Spruch "Cash never makes happy". Nur in Corona-Zeiten will er einfach keine Aktien kaufen. Im Gegenteil, er verkauft immer weiter, obwohl rund um den Erdball zusehends Börsenanleger bei Aktien wieder zugreifen und auf einen Erholungsaufschwung nach der Pandemie setzen.

Da Buffett eine globale Kultfigur der Börsenwelt ist, wird sein Verhalten von Millionen Anlegern genau beobachtet. Wenn einer wie er mit einem zweiten Kurseinbruch an den Weltbörsen rechnet und jetzt noch nicht zugreift, dann gilt das als Warnsignal. Denn Buffett lag in den vergangenen Jahrzehnten regelmässig richtig mit seinen strategischen Anlageentscheidungen. So kaufte er - auch damals gegen den Mainstream - inmitten der panischen Finanzkrise 2008 grosse Aktienpakete von Banken - so etwa für 5 Milliarden Dollar eine Beteiligung an Goldman Sachs. Es wurde ein gewaltiges Geschäft.

Doch nun macht der Starinvestor das Gegenteil. Anstatt die scheinbar günstige Gelegenheit des Corona-Crashs zu nutzen, will er nur weiter raus aus dem Markt. Neben Goldman Sachs hat er im ersten Quartal auch seine Anteile an allen Fluglinien auf Null gefahren – genauso hat er seine Beteiligung an der US-Grossbank JP Morgan Chase, an Wells Fargo und dem weltweit grössten Online-Händler Amazon verringert. Vom Versicherer Travelers und vom drittgrössten US-Ölproduzenten ConocoPhillips hat er sich ganz getrennt. Dass sich Buffett so massiv von Banken zurückzieht, gilt als Misstrauensvotum gegenüber der Finanzbranche und dem gesamten Aktienmarkt. War es doch der Multimilliardär, der in der Finanzkrise 2008 die Investmentbank vor dem Zusammenbruch gerettet hatte.

Die Erholung am Markt - eine Bullenfalle?

Das extrem defensive Anlageverhalten Buffetts kann kluges Abwarten sein - es kann aber auch das Verpassen einer grossen Chance bedeuten. Jedenfalls erwartet Buffett eine schwere Rezession mit unabsehbaren Verwerfungen. Manche Analysten stimmen ihm bei: Die aktuelle Erholung an den Aktienmärkten sei ein verfrühter Comeback-Versuch, eine klassische Bullenfalle. Buffett wisse mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung, dass man viele Aktien in den kommenden Monaten noch günstiger bekommen werde als derzeit.

Womöglich befürchtet er auch eine zweite Infektionswelle der Pandemie im Herbst, also einen Doppelcrash. Kurzum: Buffett ist jetzt der Ober-Bär der Weltbörsen. Tatsächlich hat die Börsenlegende schon vor Ausbruch der Pandemie einen aussergewöhnlichen hohen Cashbestand gehalten - er erwartete nach den langen Jahren des Aufschwungs ohnedies einen Rückschlag. Und den hält er nun nach nur acht Wochen offenbar noch nicht für ausgestanden. Seine Mahnung dazu lautet: "Erst wenn die Flut sich zurück zieht, wirst Du sehen, wer nackt schwimmt."

Es könnte aber auch sein - so entgegnen die Börsenoptimisten - das Buffett erstmals richtig falsch liegt. Er sei mit seinen 89 Jahren (sein legendärer Geschäftspartner Charlie Munger ist sogar 96) einfach zu altmodisch geworden und mache zusehends Fehler. Tatsächlich meldet Berkshire Hathaway für das erste Quartal einen atemraubenden Rekordverlust von 50 Milliarden Dollar. Berkshire Hathaway ist an rund 90 Firmen beteiligt. Dazu gehören Anteile klassischer Konzerne wie Coca-Cola und dem Ketchup-Hersteller Kraft Heinz. Dagegen habe Buffett den Tech-Boom der vergangenen beiden Jahrzehnte fast verschlafen. Anstatt Google und Facebook habe er lieber Airlines gekauft - und die seien nun in der Coronakrise zum Desaster geworden.

Buffett verkauft mit hohen Verlusten

Fluggesellschaften wie Delta Air Lines, United Airlines, Southwest Airlines und American Airlines waren umfangreicher Bestandteil von Buffetts Portfolio. Delta und Southwest gehörten Anfang des Jahres noch zu seinen zehn grössten Beteiligungen. Doch davon ist nichts geblieben. Die Anteile wurden ebenfalls komplett veräussert, und zwar mit hohen Verlusten von geschätzten zwei Milliarden Dollar.

Und so steht Buffett derzeit mit jedem Tag weiter steigender Aktienkurse da wie der grosse alte Mann, dessen Zeit vorbei zu sein scheint und der die Börsenwelt nicht mehr richtig versteht. "Wir sehen nichts besonders Attraktives", erklärte er trotzig auf der Hauptversammlung. Dabei wären fast alle Aktien vor sechs Wochen - aus heutiger Sicht - sehr attraktiv gewesen.

Doch Buffett hat eine strategisch fundierte Meinung und warnt: Die Folgen der Pandemie seien schlichtweg unabsehbar. Es werde noch Disruptionen geben. Er vergleicht die Krise mit andere schlimmen Katastrophen wie der Grossen Depression, Kriegen, den Attentaten vom 11. September 2001 - Amerika habe letztlich alles gemeistert, das werde auch diesmal passieren. Nichts könne Amerika aufhalten. "Wetten Sie niemals gegen Amerika", ruft der alte Börsenfuchs trotzig. Doch die lukrative Wette für Amerika und seine Aktien braucht aus seiner Sicht noch ein Weilchen. So lauert er also mit seinen 137 Milliarden und wird zuschlagen, sobald der zweite Kursrutsch da ist.

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