Stabschef des Bundesrates zieht erste Lehren aus der Corona-Krise
by Agentur sdaDies sagte der Stabschef des Bundesrates in einem Interview mit dem «Blick» vom Mittwoch. Etwa bei den Beschaffungen von medizinischem Material, aber auch bei der Vorsorgeplanung und den Pandemieplänen, solle kritisch hingeschaut werden, erklärte er. «Wir werden zudem prüfen müssen, ob es beim Epidemiengesetz Änderungsbedarf gibt», hiess es weiter.
Ein gewisser Faktor an Improvisation gehöre aber bei jeder Krise dazu, weil es ein Prozess sei, und weil niemand wisse, ob jeder Entscheid zu 100 Prozent richtig sei, betonte der 56-Jährige.
Der studierte Physiker lobte gegenüber dem «Blick» aber das Entscheidungsprinzip im Bundesrat. «Im Kollegialsystem sind Fehler auch möglich, aber ich behaupte insgesamt weniger wahrscheinlich», sagte Thurnherr. Falls in einer Krise nur eine Person entscheide, wäre das zwar rascher - doch «schnell entscheiden kann man immer, einfach zum Preis, dass es auch komplett falsch sein kann», betonte er.
Arbeit rund um die Uhr
Das Gute am Kollegialsystem sei, dass man Geschäfte aus verschiedener Perspektive sorgfältig prüfe und diskutiere. Unter dem Zeitdruck sei dies bei den über 170 Corona-Geschäften «fast nicht möglich» gewesen, sagte er.
«Wir nahmen die Geschäfte bis Mitternacht entgegen, prüften und übersetzten sie, die Stäbe aller Departemente und der Bundeskanzlei schauten sich die Anträge an, schrieben Mitberichte und Stellungnahmen, und am anderen Morgen um 9 Uhr hat man entschieden», verriet der Bundeskanzler.
Normalerweise gebe es zudem nur eine Bundesratssitzung pro Woche. «Im März gab es eine Phase, in der wir in acht tagen fünf Sitzung hatten», sagte Thurnherr. «Für einige Bereiche der Bundesverwaltung bedeutete das ein 7-mal-24-Stunden-Betrieb», hob der Leiter der Bundeskanzlei gegenüber dem «Blick» hervor.