Haft und Psychiatrie für Soldaten
Erstes Urteil im Missbrauchsfall Bergisch Gladbach
Moers - Die sexuellen Übergriffe des Vaters haben bei den Kindern Spuren hinterlassen. Das vierjährige Mädchen habe die Mutter gefragt, „ob die den Vibrator haben könne“, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Huismann. Das Kind und sein sechsjähriger Bruder zeigten ein „sexualisiertes Verhalten“. Im bundesweiten Kindesmissbrauchsfall Bergisch Gladbach ist am Dienstag ein Urteil gefallen: Ein 27-jähriger Soldat wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt und auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
Der Soldat habe vier kleine Kinder im Alter zwischen einem und fünf Jahren in über 30 Fällen zum Teil schwer missbraucht, stellten die Richter am Landgericht Kleve bei der Verhandlung in der Außenstelle Moers fest. Nach jeder Tat habe der Angeklagte zunehmend weniger Hemmungen gehabt. Wegen verminderter Steuerungsfähigkeit sei der Mann in vier Fällen vermindert schuldfähig.
Die Behandlung in der Psychiatrie werde so lange dauern, bis der Mann nicht mehr als gefährlich eingestuft werde, sagte der Vorsitzende Richter: Das könnten laut einem Gutachter im Schnitt 20 Jahre sein. Gegen das Urteil ist Revision zugelassen.
Moers: Angeklagter traf sich mit einem Bergisch Gladbacher
Der Richter listete in der Urteilsbegründung jede einzelne Tat auf - eine quälend lange Liste von unvorstellbaren Übergriffen auf die kleine Tochter - schon am Wickeltisch - auf den kleinen Stiefsohn, auf beide zusammen. Immer wenn die Mutter arbeiten war. Er traf sich mit einem in einem anderen Verfahren angeklagten Chatpartner aus Bergisch Gladbach, mit dem die Ermittlungen ins Rollen kamen. Sie missbrauchten laut Urteil auch dessen einjährige Tochter.
Bei der Urteilsbegründung hatte sich der unauffällig wirkende Angeklagte wieder gefangen. Nach den Plädoyers hatte er eine, wenn nicht sogar die einzige Gefühlsregung in dem Prozess gezeigt: Er weinte. „Ich kann mich dafür nur entschuldigen“, sagte er in seinem Schlusswort. Er wisse nicht, wie es dazu habe kommen können. Er hoffe, dass die Kinder das verarbeiten könnten.
Missbrauchsfall: Tatverdächtige in ganz Deutschland
Tatverdächtige gibt es mittlerweile in sämtlichen Bundesländern. Allein in NRW spricht die Polizei von 21 Angeschuldigten, davon 9 in Untersuchungshaft. Während der Prozess in Moers lief, kam von der Staatsanwaltschaft Köln die Nachricht, dass zwei weitere tatverdächtige Männer dieses Missbrauchs-Netzwerks festgenommen wurden, einer davon in Baden-Württemberg.
Es war der Stiefsohn des jetzt verurteilten Soldaten der nach einem schweren Übergriff im Juni 2019 bei seiner Mutter über Schmerzen klagte, wie der Richter sagte. Das Jugendamt schritt ein. Der heute 27-Jährige zeigte sich selbst bei der Polizei an, musste zuhause ausziehen. Trotz des hohen Risikos entdeckt zu werden, fing er laut Richter wieder an: Er speicherte zig tausend kinderpornografische Bilder ab und 1000 Videos.
Gericht geht über Forderung der Anklage hinaus
Mit seinem Chat-Partner in Bergisch Gladbach vereinbarte er ein Treffen und wollte auch ein Kind „beisteuern“, seine kleine Nichte. Genau diesen Mann habe er als Garant dafür angegeben, dass dem Mädchen nichts passiere. Vorher probierte er laut Gericht an dem Kind seiner Schwester aus, ob es für solche Treffen tauglich sei.
Die Staatsanwaltschaft hatte neun Jahre Haft gefordert und wegen verminderter Schuldfähigkeit die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie. Die Verteidigung hatte für sieben Jahre Haft plädiert mit der Möglichkeit, auch noch später eine Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Bereits Ende April hatte in dem Missbrauchskomplex ein erster Prozess in Mönchengladbach gegen zwei Männer begonnen, die des sexuellen Kindesmissbrauchs in 79 Fällen angeklagt sind. Vor dem Landgericht Köln ist Anklage gegen den Chat-Partner des jetzt Verurteilten aus Bergisch Gladbach erhoben worden. Am Landgericht Kleve wurde Anklage gegen einen 61-Jährigen erhoben, der zuletzt in Xanten lebte. (dpa)