Dramatische Finanzlage bei Zürichs Nobelhotel Dolder

Kapital und Reserven nicht mehr zur Hälfte gedeckt, Vater und Sohn Schwarzenbach hoffen auf Wunder. Verzicht auf Waldhaus-Projekt.

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Das Dolder Grand hoch über dem Zürichsee ist in Not. Dies schreibt Guy Schwarzenbach, der Sohn des Besitzers Urs Schwarzenbach, als Präsident der Dolder Hotel AG im Geschäftsbericht 2019.

Die Jahresrechnung sei weiter „unter dem Grundsatz der Unternehmensfortführung“ erstellt worden; dies weil man „zuversichtlich“ sei, „dass die Dolder Hotel AG nach der Krise COVID-19 wider zur bisherigen angemessenen und kostentragenden Betriebsstruktur“ zurückfinden würde.

Dann kommt’s knüppeldick. „Dabei sind wir uns bewusst, dass das Nichterreichen dieser Ziele wesentliche Unsicherheiten auslösen und erhebliche Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann.“

Zweifel zur Fortführung: Wenn also die Gäste nicht rasch zurückkommen und die Übernachtungen nicht schnell wieder hochschiessen, dann ist Schluss mit dem grossen, stolzen Dolder.

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„Erhebliche Zweifel“ (Dolder Hotel AG)

Die deutliche Warnung war offenbar zwingend nötig. Der Revisor, es handelt sich um die PwC, hätte wohl sonst die Jahresrechnung und den Jahresbericht nicht akzeptiert.

PwC hält denn auch in ihrem Testat fest: „Wir machen auf die Anmerkungen ‚Ereignisse nach dem Bilanzstichtag‘ (…) aufmerksam (…). Unser Prüfungsurteil ist im Hinblick auf diesen Sachverhalt nicht eingeschränkt.“

Mit dieser Vorbemerkung kann die PwC dann die Dolder Hotel AG-Rechnung abnehmen. Aber sie muss trotzdem Klartext reden.

„Ferner machen wir darauf aufmerksam, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist (Art. 725 Abs. 1 OR).“

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„Nicht mehr gedeckt“ (PwC, Dolder Hotel AG)

Ups. Es handelt sich um den berühmtesten Paragraphen im Schweizer Wirtschaftsrecht. Unter „Kapitalverlust und Überschuldung“ sowie dem Subtitel „Anzeigepflichten“ steht unter Paragraph 1 klar und deutlich:

„Zeigt die letzte Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, so beruft der Verwaltungsrat unverzüglich eine Generalversammlung ein und beantragt ihr Sanierungsmassnahmen.“

Guy Schwarzenbach und sein Dolder-Team müssten also heute noch von Gesetzes wegen die Aktionäre der Dolder Hotel AG zusammenrufen und diesen aufzeigen, wie sie das Schiff finanziell wieder auf Kurs bringen wollen.

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Am Hang (Dolder Grand)

Das tun sie nicht, sondern sie setzen auf das Prinzip Hoffnung.

„Der Verwaltungsrat und die Geschäftsführung haben keine Zweifel an der Fortführungsfähigkeit und Liquidität der Gesellschaft“, halten sie im Jahresbericht fest.

Wie dramatisch die Lage im bekanntesten Luxushaus der helvetischen Wirtschaftsmetropole ist, zeigt ein denkwürdiger Entscheid: der Verzicht auf den Neubau des Dolder Waldhaus.

Es handelt sich um das Objekt unterhalb des Dolder Grand, wo derzeit Studenten leben. Geplant war ein Neubau mit viel Luxus, Start 2021.

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Vom Tisch (Dolder Waldhaus)

Das ist nun vom Tisch. Man habe entschieden, „das bewilligte Bauprojekt aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen nicht umzusetzen“.

Folgen: 15,5 Millionen Sonderabschreiber für die „aufgelaufenen Projektkosten“.

Das allein ist rabenschwarz.

Hinzu kommt schon im 2019, also vor der Viruskrise, ein Einbruch bei den Gästezahlen.

Übernachtungen: minus 4’500 oder 7,5 Prozent, verkaufte Zimmer: minus 3’800 oder fast 10 Prozent, Zimmerpreis: 717 Franken im Schnitt, Rückgang um 11 Franken.

Die Dolder Hotel AG ist so zum grossen Sanierungsfall geworden. Schon für 2019, also vor dem Virus, hätte ein schwarzes Loch in der Bilanz geklafft.

Dass das nicht passierte, ist dem Eigentümer Urs Schwarzenbach zu verdanken.

„Der Hauptaktionär hat sich (jedoch) erneut bereit erklärt, zur Beseitigung des (dadurch) deutlich erhöhten Jahresverlustes auf Forderungen unwiederbringlich zu verzichten“, steht im Jahresbericht.

Schwarzenbach strich sich 28 Millionen ans Bein, wie die Handelszeitung und der Blick vor kurzem berichteten.

Wie weiter? In der Bilanz steht unter „Betriebsliegenschaften“ ein Wert von 343 Millionen. Dahinter dürfte schwergewichtig das Hauptgebäude Dolder Grand stehen.

Mehrheitsbesitzer Urs Schwarzenbach, den die Behörden zu 270 Millionen Steuern-Nachzahlungen verurteilt haben, sagte wiederholt, er würde das Dolder Grand verkaufen.

Aber sicher nicht unter einer Milliarde.

Vielleicht muss Schwarzenbach diesbezüglich über die Bücher. Auf der gegenüberliegenden Stadtseite steht das Atlantis Giardino der Scheichs aus Katar zum Verkauf. Noch ist nichts von einem Deal bekannt.