Wirtschaftsforschungsinstitut

Berater wollen DIW-Präsident Fratzscher an die kurze Leine nehmen

Im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gibt es eine Führungsdiskussion. Eine Beratergruppe stellt DIW-Chef Fratzscher ein schlechtes Zeugnis aus.

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Marcel Fratzscher

Der DIW-Chef ist intern nicht unumstritten.(Foto: dpa)

Berlin. Umstrittene Personalentscheidungen, Strategiediskussionen, Finanzprobleme: Im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herrscht schon seit Monaten Unruhe. Mit Spannung wird deshalb eine Sitzung der Abteilungsleiter mit dem Vorstand an diesem Mittwoch erwartet. Dort soll eine vom DIW-Kuratorium beauftragte Beratergruppe aus erfahrenen Praktikern den Wissenschaftlern ihre Vorschläge darlegen, wie eine tragfähige Struktur und Strategie für das ins Schlingern geratene Institut aussehen könnte.

Ein zentrales Ergebnis des Berichts, der dem Handelsblatt vorliegt, steht jetzt schon fest: Die Berater empfehlen, DIW-Präsident Marcel Fratzscher an die kurze Leine zu nehmen. Künftig soll es für den Präsidenten ein begleitendes Monitoring durch das Kuratorium geben. Da man dem renommierten Ökonomen allein eine gute Positionierung des DIW nicht zutraut, wird eine „Erweiterung des Vorstands als strategisches Führungsgremium“ empfohlen.

Um das von einigen Beobachtern als vergiftet beschriebene Klima zwischen Vorstand und wissenschaftlichen Abteilungen wieder zu beruhigen und Misstrauen abzubauen, fordert die „DIW-External Advisory Group“ eine Anhörungsmöglichkeit der wissenschaftlichen Abteilungen. Die Berater verbinden mit ihren Vorschlägen zur neuen Leitungsstruktur die Erwartung, dass Kooperation, Transparenz und Verlässlichkeit zwischen Vorstand und wissenschaftlichen Abteilungen in beiden Richtungen rasch und nachhaltig gestärkt werden.

Die Beratergruppe, die vom Dezember 2019 bis Mai dieses Jahres 15-mal getagt hat, drückt damit freundlich aus, was außerhalb und innerhalb des Instituts schon lange kritisiert wird. Fratzscher kümmert sich gerne um den Außenauftritt. Doch die Finanzen müssen schon lange auf solidere Beine gestellt werden. Ebenso muss die Führung des Instituts verbessert werden. So liest sich die Präsentation wie ein Weckruf für den Präsidenten.

Während die Abteilungen des Instituts, vor allem das „Sozio-oekonomische Panel“ (SOEP), jüngst gut evaluiert worden sind, fehlte ein Lob für Fratzscher. Die Beratergruppe fordert deshalb die „Stärkung der Rolle der wissenschaftlichen Abteilungen als Träger der wissenschaftlichen Arbeit durch verlässliche Grundausstattung und transparente Leistungsziele gemäß Programmbudget“.

Als weiteren wichtigen Punkt sehen die Berater das Finanzcontrolling an, das als große Schwäche im Institut gilt. Sie definieren als Kernaufgabe für den Vorstand, ein einfaches und übersichtliches System für Finanzen einzurichten. Dazu gehören vierteljährliche Controllingberichte für die Abteilungen und die Festlegung, über welche Budgethöhe und Personalentscheidungen Abteilungsleitungen eigenverantwortlich im gesetzlichen Haushaltsrahmen verfügen können. 

Berater fordern übergreifende Drittmittelstrategie

Trotz jahrelanger Forderungen haben die Abteilungsleiter nur unzureichende Informationen darüber, welche Budgets ihnen zur Verfügung stehen. Das DIW profitiert von öffentlichen Aufträgen vor allem aus den Bundesministerien.

Umstritten war zuletzt insbesondere, dass das DIW in einem Konsortium an der Frühjahrs- und Herbstprognose der Wirtschaftsinstitute teilnehmen kann. Mit Blick auf solche unsicheren Vorgänge fordern die Berater die Entwicklung einer übergreifenden Drittmittelstrategie mit einer klaren Festlegung, für wie viele Projekte aus Drittmitteln das DIW die Overheads trägt.

Am Ende stellen die Berater fest, dass die Strategie allen Beteiligten im DIW viel abverlangt: „Gegenseitiges Vertrauen, das Entgegenkommen, Kompromisse einzugehen, sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und getroffene Entscheidungen mitzutragen und strukturiert umzusetzen.“ Alles Fähigkeiten, die offenbar bei DIW-Präsident Fratzscher vermisst werden.  

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