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© Thomas Topf

Darlehen wären nicht mehr als ein Placebo

Zuschüsse sind unabdingbar – die aufgeschobenen EU-Gemeinschaftssteuern müssen endlich Realität werden

„Frugal“ ist in unserer deutschen Sprache ein doppeldeutiger Begriff. Er kann ebenso üppig bedeuten wie karg. Im Englischen steht er hingegen eindeutig für sparsam. Diese Unterscheidung muss uns erst interessieren, seit es die „frugal Four“ gibt. Die aus Schweden, Dänemark, Holland und Österreich bestehende Gruppe von Nettozahlern hatte schon gemeinsam um Punkte hinter dem Komma gekämpft, als es um die Beiträge zum nächsten Sieben-Jahres-Haushalt ging. Letztstand vor der Nicht-Einigung im Februar: 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung.  Nun stellen sich die „sparsamen Vier“ gegen den von Frankreichs Präsident Macron initiierten und von Kanzlerin Angela Merkel nach anfänglichem Widerstand doch mitgetragenen 500-Milliarden-Plan für den „Wiederaufbau“ Europas.

Das Rettungspaket sieht vor, den Großteil des zur Aufstockung des EU-Haushaltes über langfristige Anleihen aufgebrachten Geldes in Form von Zuschüssen zu verteilen. Die Rückzahlung wäre ab dem zehnten Jahr überwiegend aus zusätzlichen Beiträgen zum EU-Haushalt zu bestreiten. Die sparsamen Vier bestehen im Gegensatz dazu auf der Verteilung dieser Mittel in Form von zinsgünstigen Darlehen, die viel später, aber eben doch, von ihren Verwendern wieder zurückzuzahlen wären.

Für solch bloße Kreditvergaben bräuchte man allerdings gar kein neues Instrument – dafür gibt es schon den permanenten Schutzschirm ESM, von dem 240 Milliarden bereits Anfang April mit einer gesonderten Pandemie-Widmung freigegeben wurden. Da diese Mittel jedoch nur für sieben Eurostaaten geringfügig vorteilhafter sind als ganz normale Staatsanleihen, handelt es sich dabei im Grunde um ein Placebo.

Zuschüsse sind daher unabdingbar, wenn nachhaltig positive Wirkungen erzielt werden sollen. Um sie sparsam einsetzen zu können, bedarf es kluger Gemeinschaftsprogramme für Klimaschutzprojekte, Ausbau der Infrastruktur und Digitalisierung, samt Kontrolle der zielgerechten Verwendung. Eben ein „frugaler“ Mittelweg zwischen der Üppigkeit ausschließlicher Direktzuschüsse und der Kargheit bloßer Darlehen.

Allerdings sind auch komplexe Fragen der Verteilung zu klären. Auch das ist schwieriger als gedacht, sind doch alle Mitgliedsstaaten von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie schwer getroffen. Italien – übrigens auch ein Nettozahlerland! – und Spanien wären demnach nicht zwingend die Hauptempfänger, denkt man nur an das durch den Ausfall des Tourismus so massiv betroffene Griechenland.  

Für die Rückzahlung der erstmals gemeinsam für das EU-Budget auf den Finanzmärkten aufgenommenen Mittel muss schließlich ein Durchbruch bei jahrelang aufgeschobenen Gemeinschaftssteuern gelingen: Eine Finanztransaktionssteuer, die den Namen verdient, eine CO2-Grenzsteuer sowie eine Mindestbesteuerung von Konzernen und digitalen Plattformen, die bisher auf – zum Teil auch innereuropäische! – Steueroasen ausweichen konnten.

Mit der Fixierung dieser Eckpfeiler wäre eine Evolutionsschub Europas erreicht, der uns in der globalen Konkurrenz gegenüber China und den USA nachhaltig stärkt.

Wilfried Stadler ist Ökonom und Publizist („Die Furche“)

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