Kommentar

Internationale Lieferketten werden neu geordnet – doch die USA gehört nicht zu den Profiteuren

Zeit für Veränderungen: Corona zeigt die Schwachstellen internationaler Lieferketten. Dennoch geht das Kalkül des US-Präsidenten mittelfristig nicht auf.

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Donald Trump

Die US-Regierung hofft, von der Neuordnung der Lieferketten nach der Pandemie profitieren zu können.(Foto: AFP)

„Die Ära des Offshorings von US-Jobs ist vorbei“, schreibt der US-Handelsbeauftragte Robert Lightizer jüngst in seinem Kommentar in der „New York Times“. Wie die Lemminge hätten US-Unternehmen die Produktion in den vergangenen Jahrzehnten in Billiglohnländer wie China ausgelagert, moniert Lightizer und gibt sich überzeugt: Die Pandemie, kombiniert mit Trumps Handelspolitik verstärke nun den Trend, die Produktion wieder in den USA anzusiedeln.

Ein Virus im Dienste Trumps? Mit seiner These hat Lightizer in Teilen sicher recht. Die Corona-Pandemie wird die Produktion der US-Unternehmen in China voraussichtlich verringern. Doch ob dieser Trend langfristig anhalten wird, ist mehr als fraglich. Außerdem wird diese potenzielle Rückkehr der Jobs aus Asien nach Amerika wohl kaum die vielen Arbeitsplätze wettmachen können, die durch eine viel zu späte und chaotische Reaktion auf das Coronavirus in den USA verloren gegangen sind.

Eins ist unbestreitbar: Die Coronakrise hat die Schwachstellen offengelegt, die die internationalen Lieferketten mit sich bringen. Auf einmal fehlten Zulieferungen aus Asien, weil der Handel gestoppt oder die Fabriken in den einzelnen Ländern nicht als „Essential Business“ galten und schließen mussten. Vor allem bei medizinischer Schutzkleidung und Medikamenten wie Insulin wurde offensichtlich, wie abhängig der Westen von Ländern ist, die sich außerhalb seiner Einflusszone befinden.

Deshalb wird es in Zukunft zu Verschiebungen kommen. Bei medizinischen Produkten werden auch Regierungen drängen, die Produktion zumindest teilweise in die jeweils heimischen Regionen zu verlagern. Das ist sinnvoll, wenn man eine gewisse Grundsicherung garantieren will. Bei anderen Branchen sind es die Unternehmen selbst, die mehr Planungssicherheit haben wollen und die Herstellung zumindest teilweise wieder ins Land holen.

Den Trend weg von China gab es nicht zuletzt wegen des Handelskriegs zwischen China und den USA schon vorher. Das bestätigen Daten der Unternehmensberatung Kearney. Danach sind die US-Importe aus 14 asiatischen Billiglohnländern 2019 um sieben Prozent auf 757 Milliarden Dollar gesunken, während die US-Industrie genauso viel produzierte wie im Vorjahr. Dabei war China laut der Studie der größte Verlierer, während andere asiatische Billiglohnländer leicht zulegen konnten.

Unternehmen wollen Abhängigkeit reduzieren

Diese Entwicklung wird durch die Pandemie noch verstärkt. Nach einer Umfrage des Industriezuliefer-Experten Thomas Consulting vom April gaben 64 Prozent von knapp 900 befragten Unternehmen an, die Produktion und die Beschaffung stärker zurück in die USA verlagern zu wollen. Das spiegelt sich auch in Gesprächen mit US-Unternehmenschefs wider, die derzeit alle ihre Lieferketten überprüfen lassen.

Keiner will mehr nur von einem Land abhängig sein. Viele denken darüber nach, nicht nur die Lagerhaltung, sondern auch die Produktion und Beschaffung vor Ort auszubauen. Es gibt auch erste konkrete Beispiele: Das taiwanische Technologie-Unternehmen TSMC etwa hat diesen Monat angekündigt, ein Chip-Werk in Arizona zu bauen. Damit können US-Kunden vor Ort beliefert werden.

Das ist Musik in Trumps Ohren. Doch ob es wirklich zu einem massiven Ausbau der Fertigungsstätten in den USA kommt, das muss sich erst noch zeigen. Die Logik, dass Vor-Ort-Produktion besser für die Unternehmen ist, gilt nur, solange das Risiko unsicherer Lieferketten die Vorteile der Billigproduktion überwiegt.

Die US-Regierung erwägt derzeit, die Rückführung der Produktion und damit Jobs finanziell und steuerlich zu begünstigen. Denn auch der Präsident Trump weiß: Unternehmen müssen ihre Produkte verkaufen, und dabei zählt auch bei den Verbrauchern letzten Endes der Preis.

Sosehr die Amerikaner jetzt über „Made in China“ schimpfen – letztlich kaufen sie doch gern Jeans für 20 Dollar oder den Bohrer von Black & Decker für 29,90 Dollar. Werden sie bereit sein, für ein Smartphone 2000 Dollar auf den Tisch zu legen? Erst dann würde sich das iPhone made in Texas für Apple rechnen. Die Chancen, dass die Konsumenten aus ethischen Gründen mehr bezahlen, stehen in diesen Krisenzeiten äußerst schlecht.

Eines hat Trump mit Sicherheit geschafft: China zu schaden. Viele US-Unternehmen haben schon wegen des Handelskriegs China verlassen und werden dies nach den Corona-Erfahrungen noch verstärkt tun. Aber viele von ihnen werden wohl nicht zurück in die USA kommen, sondern lieber in asiatischen Nachbarländern von China produzieren, wo die Arbeitskräfte noch günstiger sind.

Das zeigt auch das jüngste Beispiel von Apple: Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass der Technologiekonzern seine neuen Kopfhörer nicht in China herstellen wird, sondern komplett in Vietnam. Das dürfte sicher nicht im Sinne von Trump oder seines Handelsbeauftragten Lightizers sein.

Mehr: Der US-Handelsbeauftragte Robert Lightizer gibt China Schuld an Eskalation des Handelsstreits.