Seit Jahren steigt die Nachfrage nach Getränkedosen. Auch 2019 sind die Verkaufszahlen wieder sprunghaft angestiegen. Das zeigen Daten des Forums Getränkedose, die WELT exklusiv vorliegen. Größter Wachstumstreiber ist Bier.

Quelle: WELT/Laura Fritsch

Ausgerechnet Bier verhilft der Dose zu einem überraschenden Comeback

Nach der Einführung des Pfands war die Getränkedose in Deutschland am Ende. Doch jetzt steigt die Nachfrage immer stärker an – größter Wachstumstreiber ist Bier. Und besonders eine Gruppe greift immer häufiger zur Dose.

Das Comeback der Getränkedose geht ungebremst weiter. 2019 sind die Verkaufszahlen erneut sprunghaft gestiegen. Das zeigen aktuelle Daten des Forums Getränkedose, die WELT exklusiv vorliegen: 3,9 Milliarden Stück wurden hierzulande konsumiert, das sind gut elf Prozent mehr als vor einem Jahr.

In fünf Jahren hat sich die Zahl der verkauften Dosen nun mehr als verdoppelt, im Zehnjahresvergleich ist die Menge sogar um das Sechsfache gestiegen.

Getrieben wird die Nachfrage dabei vom noch immer anhaltenden Boom bei Energydrinks, die nahezu ausschließlich in Dosen abgefüllt werden. Größter Wachstumstreiber aber ist Bier – und das, obwohl dessen Absatz hierzulande eigentlich stark rückläufig ist.

Um fast zwölf Prozent auf mittlerweile 1,2 Milliarden Stück legten die Dosenverkäufe der Brauereien 2019 zu, meldet das Forum Getränkedose. Damit liegen Bier und Energydrinks nun gleichauf bei den Verkaufszahlen. „Die Dose entwickelt sich wieder zu einem echt starken Gebinde für die Branche“, beschreibt Volker Kuhl, der Marketing-Geschäftsführer der Sauerländer Brauerei Veltins.

Das zeigt auch der Blick in die Regale. Beispiel Aldi: Fast fünf Meter seiner wertvollen Stellfläche hat der Discounter in seiner Filiale auf der Düsseldorfer Königsallee mittlerweile für Bier reserviert. Kistenware gibt es nicht, dafür aber fünf verschiedene Sorten PET-Flaschen im Sechserpack und sogar 16 Plätze mit Papppaletten für Dosen, angefangen bei Pils, über Kölsch und Alt, bis hin zu Weizen und Radler.

Und nicht viel anders sieht es bei Konkurrent Lidl aus, dessen Filiale nur ein paar Meter entfernt auf der anderen Straßenseite liegt. Auch dort gibt es reichlich Dosenbier, konkret 19 Sorten.

Mit dabei ist auch Krombacher. „Die Dose ist bei uns ein absolutes Trendgebinde“, heißt es beim Branchenführer. Das Segment erreiche mittlerweile einen Anteil von rund zehn Prozent, sagt ein Sprecher. Das Unternehmen hat daher 2018 eine neue Dosenabfüllanlage gebaut. „Aber auch die ist mittlerweile gut ausgelastet.“

Stabile Zahlen in der Corona-Krise

Aktuell spüren die Hersteller und Abfüller von Dosen keinen Corona-Effekt, weder beim Bier noch bei Energy- und Softdrinks. Zwar leidet das Geschäft an den Tankstellen, weil dort die Kundenfrequenz in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen ist.

Dafür aber steigen die Verkaufszahlen im Einzelhandel, weiß Stephan Rösgen, der Geschäftsführer des Forums Getränkedose. Und auch am Kiosk sei der Absatz weiterhin gut. Die Lobbyorganisation der Dosenhersteller rechnet daher auch für 2020 mit Wachstum. Die Größenordnung lasse sich aber noch nicht abschätzen.

Käufer sind dabei vor allem junge Leute. So geben zum Beispiel fast 31 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, mindestens einmal im Monat Getränke in Dosen einzukaufen, wie eine aktuelle Umfrage von Civey im Auftrag des Gesamtverbands der Aluminiumindustrie (GDA) zeigt.

Zum Vergleich: In der Altersgruppe 50 bis 64 liegt dieser Anteil bei gerade mal 8,4 Prozent. Knapp sieben Prozent der jungen Verbraucher greifen sogar mehrmals pro Woche zur Dose, weitere 4,6 Prozent einmal die Woche und acht Prozent zumindest mehrfach im Monat.

Ähnliche Werte gibt es auch noch bei den 30- bis 39-Jährigen, dann aber reißt die Beliebtheit abrupt ab. Bei den 40- bis 49-Jährigen zum Beispiel sagen bereits knapp 46 Prozent der 5000 Befragten, dass sie überhaupt keine Getränkedosen kaufen. Und dieser Wert steigt noch mal mit zunehmendem Alter – auf knapp 63 Prozent bei den Verbrauchern, die älter sind als 65 Jahre.

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Quelle: Infografik WELT

„Die Dose funktioniert vor allem bei jungen Konsumenten“, bestätigt Veltins-Vertreter Kuhl aus dem Vertriebsalltag. Seine Begründung: „Es gibt mittlerweile eine Generation, die sich gar nicht erinnert, dass es mal Dosen ohne Pfand gab.“

Branchenvertreter Rösgen wiederum spricht von einer Käuferschaft, „denen die ideologische Auseinandersetzung um die Dose nichts mehr sagt“. Der Lobbyist spielt damit an auf eine emotional geführte Diskussion über das Dosenpfand, das am 1. Januar 2003 eingeführt worden ist.

Streit zwischen Einweg- und Mehrweglobby

Die Dose schien dadurch praktisch am Ende in Deutschland. Der Absatz jedenfalls ist von 7,5 Milliarden Stück im Jahr 2002 auf zeitweise nur noch 100.000 Stück in den Folgejahren zusammengebrochen. Erst nach der Einführung eines vereinfachten Rücknahmesystems im Einzelhandel ging es allmählich wieder nach oben.

Sprunghaft steigt die Nachfrage nun seit 2013. „Auch weil sich die Umwelteigenschaften durch verringerten Materialeinsatz verbessert haben“, heißt es beim Handelsverband Deutschland (HDE). Tatsächlich haben die Dosen von heute nicht mehr viel gemein mit den Dosen, die vor 85 Jahren in Deutschland erstmals auf den Markt gekommen sind.

12,2 Gramm wiegt zum Beispiel eine 0,33-Liter-Dose aus Aluminium. Bei der Markteinführung 1935 waren es noch 100 Gramm. „Und mit einer Recyclingquote von 99,1 Prozent ist die Dose in Deutschland der Recyclingmeister unter den Getränkeverpackungen“, sagt Rösgen.

Umweltschützer sind dennoch kritisch gegenüber der Dose, vor allem wegen des hohen Energiebedarfs bei der Herstellung. Gleichzeitig widerspricht ihre Renaissance dem Ziel der Bundesregierung, den stark gesunkenen Mehrweganteil wieder nach oben zu schrauben.

Auf 42,2 Prozent schätzt das Umweltbundesamt derzeit die Mehrwegquote in Deutschland. Vorgeschrieben sind im seit 2019 geltenden Verpackungsgesetz aber 70 Prozent. Längst tobt daher ein erneuter Streit zwischen der Einweg- und der Mehrweglobby. Die Deutsche Umwelthilfe und auch die Grünen fordern bereits eine zusätzliche Lenkungsabgabe auf die aus ihrer Sicht per se umweltschädlichen Einwegverpackungen.

Die Lösung dieses Konflikts können neue Ökobilanzen sein, also eine wissenschaftliche Untersuchung des CO2-Fußabdrucks von Einweg- und Mehrweggebinden. Die bislang letzte breit angelegte Untersuchung ist nämlich mehr als 20 Jahre alt und daher kaum noch aussagefähig.

Das SPD-geführte Bundesumweltministerium (BMU) ist dem Vernehmen nach zwar gegen neue Ökobilanzen. Auf Druck der CDU gibt es nun aber trotzdem einen Haushaltstitel mit dem Namen „Kreislaufwirtschaft: Ökobilanz von Getränkeverpackungen“, veröffentlicht in der Drucksache 19/13924 aus dem November 2019.

400.000 Euro hat die Bundesregierung zunächst veranschlagt, um die Umweltverträglichkeit der beiden Systeme zu untersuchen.


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