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Polizisten vor dem Justizzentrum Dresden

Quelle: dpa-infocom GmbH

Das gut gefüllte Waffenversteck des KSK-Soldaten

Nach dem Waffenfund im Garten eines deutschen Elitesoldaten werden neue Details der laufenden Ermittlungen bekannt: Der Sprengstoff, den der KSK-Mann heimlich hortete, könnte aus Bundeswehr-Beständen stammen. Ebenso Tausende Schuss Munition. Auch NS-Devotionalien wurden sichergestellt.

Am Ende sollte die Durchsuchung des verdächtigen Grundstücks in diesem sonst so ruhigen Dorf Nordsachsens mehrere Tage andauern: So umfassend waren die Arbeiten der Ermittler, so schwerwiegend der Verdacht gegen den Bewohner. Umso gravierender waren die ersten Erkenntnisse, weil es sich bei dem Mann um einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr handelte.

Mitte Mai hatten die Ermittler des LKA Sachsen dessen Privathaus und Garten durchsucht. Der Kommandosoldat war festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft.

Jetzt wird bekannt, welches Ausmaß das geheime Waffenversteck wirklich hatte, auf das die Ermittler bei ihren Grabungen mit dem Bagger gestoßen sind.

Das steht auf der Asservatenliste

In einem vertraulichen Papier, das Staatssekretär Peter Tauber Verteidigungspolitikern im Bundestag überstellt hat, findet sich eine detaillierte Asservatenliste.

Rund 20 Sprengzünder lagerte der KSK-Oberstabsfeldwebel demnach heimlich zu Hause (Typ „Shocktube“). Außerdem zwei Kilogramm Sprengstoff, aufgeteilt in vier Blöcke zu je 500 Gramm, und drei Sprengfolien. Ebenso auf der Liste stehen rund zehn Irritationskörper und genauso viele Signalpatronen. Dazu Zünder für Übungshandgranaten.

Sichergestellt worden sind darüber hinaus mehrere Schusswaffen: Über das Auffinden eines automatischen Gewehres hatte zuerst „Spiegel Online“ berichtet. In der internen Auflistung an das Parlament wird dieses nun genauer als „MG Kalaschnikow (mit Magazin)“ geführt.

Die Ermittler schrieben weiterhin eine Schreckschusswaffe, zwei Luftdruckwaffen und mehrere Tausend Stück Gewehr- und Pistolenmunition auf ihre Fundliste. Auch andere Gegenstände sind gefunden worden: Hierbei handelt es sich um eine Armbrust, einen Schlagstock, zwei Messer und einen Sportbogen.

Stille MAD-Operation im Hintergrund

Wegen des Ausmaßes dieses Falls laufen im Verteidigungsministerium bereits eilige Ermittlungen. Ersten Erkenntnissen zufolge könnten Teile der Patronenmunition sowie der sichergestellte Sprengstoff und die Signalmunition aus Beständen der Bundeswehr stammen. „Zum gegenwärtigen Stand der Ermittlungen kann die Frage, wie und wo die der … Bundeswehr zuzuordnenden Asservate entwendet wurden, noch nicht beantwortet werden“, heißt es in dem vorliegenden Schreiben.

Aufgrund dieser Funde ist der KSK-Soldat Phillip Sch. dringend tatverdächtig, gegen Waffen- und Sprengstoffgesetze sowie gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben.

Auch die Frage nach seiner Gesinnung stellt sich: Denn nach Angaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der die Bundeswehr kontrolliert, stand der beschuldigte Soldat dort bereits länger auf einer Liste von Extremismus-Verdachtsfällen. Wie das Verteidigungsministerium nun intern mitteilt, sind bei den dreitägigen Durchsuchungen in Sachsen auch NS-Devotionalien sichergestellt worden.

Nach WELT-Informationen war dem Zugriff in der Tat eine längere MAD-Operation vorausgegangen, die aber lange keine entscheidenden Hinweise ergeben hatte, dann jedoch seit Januar neuen Spuren folgte – die im Ausheben des Waffenverstecks endeten.

Die weiteren Ermittlungen dürften nun Zeit in Anspruch nehmen. Sichergestellt worden sind auch Festplatten und Handys, die ausgewertet werden müssen. Hier steht die Frage möglicher Unterstützer im Raum. Zum jetzigen Stand der Ermittlungen und mit Blick auf das Waffenversteck sagte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden: „Derzeit liegen keine Erkenntnisse zu einem radikalen oder extremistischen Tatmotiv vor.“

Die wahre Gesinnung des betroffenen KSK-Soldaten steht allerdings mehr und mehr im Zweifel. In dem der Redaktion vorliegenden Papier aus dem Verteidigungsministerium heißt es: „Die über den Soldaten zu Beginn des Jahres gewonnenen nachrichtendienstlichen Informationen haben auch Hinweise auf eine rechtsextremistische Einstellung des Soldaten enthalten."

Der Soldat selbst soll sich bisher nicht zu den Beschuldigungen eingelassen haben.

Politische Diskussion um das KSK in Berlin

Am Mittwoch befassten sich mehrere Gremien in der Bundespolitik mit den neuen Zwischenfällen beim KSK.

Im Verteidigungsausschuss erfuhren die vertretenen Bundestagsabgeordneten weitere Details der Waffenfunde. Immer stärker äußern Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker die Sorge, dass die gehäuften Fälle von Extremismusverdacht in der Spezialeinheit strukturelle Mängel offenbaren könnten. WELT erfuhr, dass eine neue Arbeitsgruppe nun nicht nur die Herkunft der gefundenen Sprengmittel restlos aufklären soll, sondern auch die Lebensläufe auffälliger KSK-Soldaten systematisch auswerten wird.

Der Umfang der bei Phillip Sch. gefundenen Waffen und Waffenteile spricht dafür, dass er bei der Beschaffung Hilfe gehabt haben könnte. Bei der Ausgabe von Bundeswehr-Munition herrscht in der Regel ein striktes Vier- oder gar Sechs-Augen-Prinzip. Wer tausende Schuss aus offiziellen Beständen abzweigte, der könnte also zumindest Mitwisser haben.

Im Verteidigungsministerium geht derweil der Abgleich von Losnummern weiter, die auf den sichergestellten Asservaten gefunden worden waren und die weiter aufklären könnte, woher der KSK-Soldat diese Mittel bekommen hatte.

Verteidigungspolitiker der meisten Fraktionen im Bundestag äußerten sich erschreckt und besorgt über die aktuellen Entwicklungen um den Spezialkräfteverband KSK. Die Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte: „Es herrscht nun ein enormer Druck auf Denjenigen bei der Bundeswehr, die heimlich rechtsextremistisches Gedankengut haben oder sogar versuchen auszuleben – und das ist gut so."

Matthias Höhn (Die Linke) sagte WELT: „Die Situation ist hochgefährlich. Wir reden beim KSK über ausgebildete Elitekämpfer. Wenn solche Soldaten rechtsextreme Einstellungen vertreten und Waffen und Munition horten, stellt das eine ernste Gefahr für die gesamte Gesellschaft dar. Die Spitze des Verteidigungsministeriums läuft diesem Problem bestenfalls hinterher." Die Häufung von Fällen mache deutlich, so Höhn, dass auch grundsätzlich die Aufstellung eines solchen Kommandos hinterfragen werden müsse.

Der Spezialkräfteverband der Bundeswehr war zuletzt immer wieder wegen mutmaßlicher Extremismusfälle in die Kritik geraten. Bereits im vergangenen Dezember waren aktuelle Ermittlungen des MAD in zwei Fällen bekannt geworden. Der Abschirmdienst hat inzwischen ebenfalls eine eigene Arbeitsgruppe für Verdachtsfälle beim KSK eingerichtet.


Nach Sprengstoff-Fund
Haftbefehl gegen Elitesoldat des KSK