Eine verfassungsfeindliche Verfassungsrichterin
Verfassungstreue ist Voraussetzung für ein Richteramt. Bei der Wahl der Linken-Politikerin Barbara Borchardt in Mecklenburg-Vorpommern sind sich nicht alle sicher, ob das zutrifft. Ihre Berufung könnte einen Präzedenzfall schaffen.
Landesverfassungsgerichte sind innerhalb der Verfassungsordnungen der einzelnen Länder ebenso oberste Verfassungsorgane wie das Bundesverfassungsgericht innerhalb der Verfassungsordnung der Bundesrepublik. In der öffentlichen Wahrnehmung führen sie indes eher ein Schattendasein.
Das liegt insbesondere daran, dass sie zumeist über landesspezifische Fragen entscheiden. Und beim Grundrechtsschutz wird ihre Rechtsprechung durch die des Bundesverfassungsgerichts „überstrahlt“. Dementsprechend wenig Beachtung fand bisher auch die Besetzung dieser Gerichte, zumal die Tätigkeit dort ehren- oder nebenamtlich ausgeübt wird.
Interesse hat nun aber die Wahl der Linken-Politikerin Barbara Borchardt zum Mitglied des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern geweckt.
Angaben ihrer Partei zufolge hat sie an der DDR-Kaderschmiede in Potsdam-Babelsberg ein Fernstudium als Diplom-Staatswissenschaftlerin beendet, später ein weiteres als Diplom-Juristin. Beruflich war sie nur politisch und in der Verbandsarbeit tätig. Das alles stand ihrer Wahl aber nicht entgegen.
Nach der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern besteht das Verfassungsgericht aus sieben Mitgliedern. Nur vier davon brauchen die Befähigung zum Richteramt, müssen also nach dem Deutschen Richtergesetz „ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung“ abgeschlossen haben.
Das ist nicht ungewöhnlich. Fast alle Landesverfassungen lassen die Wahl von Laien zu, teilweise ist sie sogar zwingend vorgeschrieben. Dadurch soll an den Verfassungsgerichten ein möglichst breites Spektrum an Erfahrungen abgebildet werden.
In der Rechtswissenschaft wird das zum Teil als anachronistisch angesehen. Und es wird angesichts der komplexen Rechtsfragen, über die Verfassungsgerichte entscheiden, oftmals kritisiert.
In der Praxis wurden, soweit dies zulässig ist, bislang in allen Ländern meist Juristen zu Verfassungsrichtern gewählt, die auch einer klassisch juristischen Tätigkeit nachgehen.
In Mecklenburg-Vorpommern waren nach einer Untersuchung von Professor Werner Reuter bis Ende 2017 von allen der bis dahin insgesamt 20 Richter am Verfassungsgericht 19 hauptberuflich als Richter, Rechtsanwalt oder Professor der Rechtswissenschaften tätig. Nur ein Mitglied gehörte zu keiner dieser Berufsgruppen.
Problematisch ist die Wahl Borchardts aber wegen ihrer politischen Einstellung. Sie ist Mitglied der Antikapitalistischen Linken, die das Bundesamt für Verfassungsschutz zu den „extremistische(n) Strukturen der Partei Die Linke“ zählt.
Sie verteidigte den Bau der Berliner Mauer
2011 hat sie mit anderen Mitgliedern ihrer Landtagsfraktion ein Positionspapier verfasst, das den Mauerbau verteidigt. Im selben Jahr blieb sie nach einem Bericht der „taz“ anlässlich einer Gedenkminute zum 50. Jahrestag des Mauerbaus demonstrativ sitzen.
Ein eindeutiges politisches Statement – im Hinblick auf das Leid der Opfer aber auch ein menschliches, das erschreckt.
Nach dem Deutschen Richtergesetz darf in ein Richterverhältnis nur berufen werden, wer „die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“. Normen des Richtergesetzes gelten indes für Richter an Landesverfassungsgerichten nur, wenn das Landesrecht das ausdrücklich bestimmt.
Das ist in Mecklenburg-Vorpommern insofern zwar nicht der Fall. Verfassungstreue ist aber unabhängig davon stets Voraussetzung für ein Richteramt. Und nach dem dortigen Landesverfassungsgerichtsgesetz sollen die Mitglieder des Gerichts zudem „Personen des allgemeinen Vertrauens“ sein.
Allerdings obliegt zumindest die Entscheidung darüber, ob jemand diese Voraussetzung erfüllt, letztlich dem Parlament. Sie wird (an sich) dadurch abgesichert, dass für die Wahl eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten erforderlich ist.
Diese Mehrheit hat Frau Borchardt nicht gleich, aber in einem zweiten Wahlgang erreicht. Wenn der Generalsekretär der CSU, Markus Blume, meint, dass ihre Wahl ein „unsäglicher Vorgang“ sei und damit der „linksextreme Bock zum Gärtner gemacht wird“, mag das also durchaus zutreffen.
Sie war aber nur dank der Stimmen von Abgeordneten der CSU-Schwesterpartei CDU und aus der SPD möglich. Darüber sollten diese Parteien einmal gründlich nachdenken.
Mitbegründerin der Antikapitalistischen Linken – und Verfassungsrichterin
Quelle: WELT
Extremisten aller Couleur können dagegen jubeln. Wer Mitglied einer vom Verfassungsschutz zu Recht als extremistisch eingestuften Vereinigung ist, kann nun darauf verweisen, dass auch eine Richterin eines Verfassungsgerichts einer solchen Gruppierung angehört.
Vor allem aber erschüttert die Wahl Borchardts das Vertrauen in das Verfassungsgericht, und damit in ein Verfassungsorgan. Das ist für unseren freiheitlich demokratischen Rechtsstaat fatal.
Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.