Trend zum Homeoffice nach Corona "Es geht deutlich mehr, als man sich das jemals gedacht hat"
Arbeiten von zu Hause aus - was vor der Coronakrise nur bedingt möglich schien, könnte in Zukunft für viele zur Regel werden. Laut einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts bestätigt das ein Großteil der befragten Unternehmen. Die Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf Dienstreisen und Bürogestaltung.
by Josephine Hofmann im Gespräch mit Regine BrinkmannNicht nur Schülerinnen und Schüler mussten in der Coronazeit mit dem Schreibtisch oder Küchentisch daheim vorlieb nehmen, auch viele Erwachsene verlegten ihre Arbeit nach Hause ins Homeoffice. Wie könnte es damit nach der Pandemie weitergehen? Diesen Ausblick kann Josephine Hofmann geben. Sie ist tätig am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart und hat gemeinsam mit der Gesellschaft für Personalführung 500 große bis mittelgroße Unternehmen aus allen Branchen befragt, auch NGOs waren dabei.
Regina Brinkmann: Wie haben die Unternehmen die plötzliche Umstellung auf den Homeoffice-Betrieb bewältigt?
Josephine Hofmann: Erstaunlich gut und zu einem sehr hohen Prozentsatz haben Unternehmen, fast 85 Prozent der Antwortenden, einen durchaus überwiegenden Teil ihrer Beschäftigten auch durchaus nach Hause gesetzt, und das übrigens auch, wie wir gelernt haben, in einer sehr frühen Phase, sodass die mittlerweile seit sieben bis acht Wochen tatsächlich in diesem Zustand arbeitsfähig sind.
Brinkmann: Welche Schlüsse ziehen denn die Unternehmen jetzt aus diesen ersten Erfahrungen, vielleicht auch unfreiwilligen Lernerfahrungen?
Hofmann: Sie ziehen vor allem die gute Erkenntnis, dass deutlich mehr geht, als man sich das jemals gedacht hat, dass deutlich schneller auch tatsächlich eine Umsetzung passieren kann. Nur mal, um zwei Beispiele an wichtigen Erkenntnissen herauszuziehen: Annähernd 90 Prozent der Unternehmen haben uns auch gesagt, dass sie ziemlich stark davon ausgehen, dass ein deutlich größerer Teil auch in der näheren Zukunft in dieser Form arbeiten wird, also sprich, die Anzahl der im Home Office arbeitenden Menschen sich auch dauerhaft deutlich nach oben verschieben wird. Das ist eine wichtige Aussage. Und fast die gleiche Anzahl an Unternehmen hat uns bestätigt, dass sie in Zukunft noch mal ganz anders über das Thema Dienstreisen und Geschäftsreisen nachdenken werden, weil natürlich auch hier Erfahrungen gemacht worden sind, dass eben deutlich mehr virtuell abwickelbar ist, als es bisher üblich war.
Neue Überlegungen für die zukünftige Bürogestaltung
Brinkmann: Gibt es noch Verbesserungsbedarf? Das klingt jetzt alles sehr positiv.
Hofmann: Selbstverständlich. Was man gesehen hat, ist, dass die Ausstattung technischer Art, IT-technischer Art wohl auch schon recht gut ist, wobei es da natürlich auch immer Nachbesserungsnotwendigkeiten gibt in Bezug auf Endgeräte et cetera. Wo man definitiv einen relativ deutlichen Nachholbedarf sieht, ist so Thema wie zum Beispiel Führung über Distanz, also führungskräfeseitiges Beherrschen dieser neuen Arbeitssituation.
Der Siegeszug der Heimarbeit
Die Coronakrise hat Millionen Menschen zu Heimarbeitern gemacht. Firmen, bei denen Homeoffice bislang kein Thema war, müssen plötzlich umdenken. Forscher warnen jedoch: Im Homeoffice drohen Isolation und Depression.
Eine weitere Thematik ist so die Frage nach größerer Medien- und Kommunikationskompetenz, also dass man hier auch einen Nachholbedarf sieht, bei Mitarbeitenden wie bei Führungskräften, in diesen neuen Medien sich auch wirklich gut zu bewegen und auch adäquat Arbeit zu verrichten. Und ein weiteres ganz interessantes Ergebnis ist auch, dass man jetzt natürlich auch dann stärker drüber nachdenkt, wie man in diesem neuen Mengengefüge in Zukunft Büros gestaltet, für welchen Zweck man sie hat, wenn man denn auch Menschen in Zukunft vermehrt nach Hause setzen wird. Also auch da ist deutlicher Optimierungsbedarf tatsächlich zu erkennen.
Brinkmann: Optimierungsbedarf aber, der auch Kosten spart für Unternehmen. Nennen Unternehmen das auch als Gründe, um weiterhin mit Homeoffice zu arbeiten?
Hofmann: Das ist eigentlich nicht genannt im größeren Stil, und man muss auch ein bisschen aufpassen: Mehr Menschen im Homeoffice zu haben und damit über Büronutzung nachzudenken, heißt nicht automatisch, dass man einfach prozentual Bürofläche abmietet, denn wir müssen genau hinschauen und sehen dort auch, dass das Büro, das dann bleibt, natürlich auch anderen Zwecksetzungen dienen wird. Also so Themen wie Projekträumlichkeiten, verbesserte Besprechungsräumlichkeiten, Kommunikationszonen, wir nennen das mit so einem Fachbegriff sogenannte aktivitätsbasierte Arbeitsumgebungen, die muss man dann auch ein Stück weit anders gestalten. Also ich sage mal, die ganz einfache Rechnung, 50 Prozent der Leute arbeiten daheim, deswegen mieten wir 50 Prozent der Fläche ab, ist so eine Rechnung, die nicht aufgehen wird und die wir auch in der Regel so nicht wahrnehmen. Aber ich möchte nicht ausschließen, dass das natürlich trotzdem in einzelnen Abwägungen jetzt auch in den kommenden, vielleicht schwierigen Monaten dennoch auch ein Argument unter ganz vielen sein wird.
"Es geht um deutlich mehr als zu gucken: Arbeiten die Leute auch?"
Brinkmann: Ein Stichwort, was Sie ja eben genannt haben, ist Führungsstil, der ist auch überarbeitungsbedürftig, haben die Unternehmen ja offensichtlich selbst erkannt. Was sind denn da so Baustellen?
Hofmann: Ich denke, es ist natürlich vor allem so dieses Thema: Wie gehe ich denn um mit Mitarbeitenden, wenn ich die nicht so um mich habe, wie ich es bis jetzt einfach gewöhnt bin? Und das hat dann auf den ersten Blick was mit Kontrolle zu tun, das ist aber gar nicht so sehr im Vordergrund tatsächlich, aber es geht einfach drum: Wie kann man verlässlich Arbeit verteilt organisieren? Wie kann ich auch einfach mitkriegen und Mitarbeitende gut betreuen? Wie nehme ich wahr, ob die in ihren Arbeitssituationen wirklich klarkommen? Also es geht hier schon um deutlich mehr als nur zu gucken: Arbeiten die Leute auch? Das ist, glaube ich, mit purer Präsenz am Arbeitsplatz auch heutzutage in vielen Bereichen auch nicht mehr gleichzusetzen.
Arbeitsmarktforscher: "Homeoffice ist nicht das Allheilmittel"
Der Soziologe und Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst gibt im Dlf zu bedenken, Homeoffice nicht das Allheilmittel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei.
Aber es geht schon drum, gut über ein Team, über eine Abteilung verteilt Arbeit zu organisieren, die Leute auch im Gespräch zu halten, dafür zu sorgen, dass die auch miteinander sich gut abstimmen, dass es eine verlässliche und für alle auch einigermaßen gleichmäßig verteilte Arbeitssituation ist. Und das erfordert schon eine Veränderung zu einem eigenen Führungsverhalten der Art, wie ich kommuniziere, wie aktiv ich auch auf meine Leute zugehe und wie ich mir einfach die Informationen besorge, um zu wissen, was tatsächlich der Stand ist.
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