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Die EU-Kommission hat nun die Grundzüge ihres Aufbauplans vorgestellt (dpa)

AufbauplanEU muss sich mit eigenem Geld aus Corona-Schlamassel ziehen

Mit dem EU-Haushalt und mit dem Wiederaufbaufonds müsse deutlich werden, dass es sich lohne, Mitglied der EU zu sein, kommentiert Theo Geers. Denn Länder wie China, Russland und womöglich auch die USA würden sonst mit ihren finanzielle Offerten die EU schwächen – weil sie dafür Gefälligkeiten erwarten.

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In Verhandlungen geht man besten erst einmal mit einer Maximalposition. Nachgeben kann man immer noch, Kompromisse schmerzen dann weniger. So handelt auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. 500 Milliarden Euro zum Wiederaufbau Europas haben Angela Merkel und Emmanuel Macron vor einer Woche ins Schaufenster gestellt, und zwar als Zuschüsse, die von den Empfängern nicht zurückzuzahlen wären.

Für Deutschland, das hier bisher auf Krediten bestand, ist das ein gewaltiger Schritt. Nun aber sattelt die EU-Kommission unverfroren noch mal die Hälfte - 250 Milliarden - oben drauf, jetzt allerdings als Kredite. Damit ist die Grundstruktur des späteren Kompromisses vorgezeichnet: Es wird ein Mix aus Zuschüssen und Krediten sein, aber in welchem Verhältnis Zuschüsse und Kredite zueinander stehen und mit wie vielen Milliarden insgesamt diese EU am Ende zusammen gehalten wird, steht erst im Herbst fest.

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(imago/Mattias Christ)

Streit um EU-Finanzhilfen in der Coronakrise
Die EU-Kommission will an diesem Mittwoch einen Rettungsplan zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise vorstellen. Art und Finanzierung der Coronahilfen sind in der EU hoch umstritten, was auch in zwei vorliegenden unterschiedlichen Konzepten zum Ausdruck kommt. Ein Überblick.

Viel weniger als 750 Milliarden dürfte es nach den Erfahrungen, die deutsche Bundeskanzler mit EU-Budgetverhandlungen bisher machten, kaum werden. Egal, ob Kohl, Schröder oder Merkel: Alle haben am Ende die Schatulle geöffnet. Und jedes Mal hat sich das ausgezahlt.

Diese EU ist und bleibt der wichtigste Abnehmer für deutsche Produkte. Gibt es da noch Fragen, wenn dieser Markt in diesem Jahr um über sieben Prozent schrumpft?

Es steht viel mehr auf dem Spiel

Zumal mehr auf dem Spiel steht. Viel mehr! Es geht um das Sein oder Nicht-Sein dieser EU. Ein Auseinanderfliegen dieser EU liegt nicht in unserem nationalen Interesse.

Natürlich heißt das nicht, Geld wahllos mit der Gießkanne auszuschütten. Deutschland muss zusammen mit den sogeannten sparsamen Vier, also Schweden, Dänemark, Österreich und den Niederlande, dafür sorgen, die Milliarden in die richtigen Projekte zu lenken.

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Übersicht zum Thema Coronavirus (Imago/Rob Engelaar/Hollandse Hoogte)

Aber als Kleinkrämer dürfen sie nicht auftreten. Wenn wir Europäer uns nicht selbst helfen, werden es andere tun, und niemand sollte glauben, das geschähe dann im europäischen Geist. Die Spaltpilze, denen ein Europa, das für Demokratie, Menschenrechte oder einen wirksamen Klimaschutz steht, im Weg ist, warten nur darauf, dass wir Europäer uns selbst schwächen.

Andere Länder freuen sich, wenn sie die EU schwächen können

China, Russland, vielleicht sogar die USA unter einem Donald Trump, werden sich für spalterische Offerten besonders anfällige Länder mit Bedacht aussuchen. Sie werden hier ein bisschen geben und da ein bisschen - und dafür Wohlverhalten erwarten. Und aus so einer Position heraus soll dann diese EU diesen Supermächten auf Augenhöhe entgegentreten? Das anzunehmen ist naiv.

Nein, die Europäer müssen sich mit eigenem Geld aus dem Corona-Schlamassel ziehen. Mit dem Haushalt für die nächsten sieben Jahre und mit dem Wiederaufbaufonds. Und mit beidem muss deutlich werden, dass es sich lohnt, Mitglied dieser EU zu sein. Das gilt für potenzielle Wackelkandidaten unter den Nettoempfängern, das gilt aber genauso für Nettozahler wie Deutschland.

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Theo Geers, 1959 in Sögel geboren, Studium der Volkswirtschaft an der Universität Köln, seit 1984 freier Journalist u. a. für DLF, WDR und andere ARD-Anstalten, seit 1991 als Wirtschaftsredakteur beim Deutschlandfunk. 1997 bis 2001 Korrespondent in Brüssel, 2010 bis 2011 Redaktionsleiter Wirtschaft und Umwelt, seit 2012 Berliner Korrespondent für die Programme des Deutschlandradio, Themenschwerpunkt Wirtschaft und Finanzen.