Neue ARD-KulturplattformBuhrow: "Keine taktischen Überlegungen" bei Standortwahl
Die öffentlich-rechtlichen Sender planen ein neues Kulturportal - mit Sitz in Halle. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow sieht keinen Zusammenhang zwischen der Standortwahl und der Debatte um den Rundfunkbeitrag. "Laute politische Forderungen haben es uns eher schwerer gemacht", sagte Buhrow im Dlf.
by Tom Buhrow im Gespräch mit Bettina SchmiedingUnter der Federführung des MDR wollen die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland eine gemeinsame digitale Kulturplattform aufbauen - um "Schätze bundesweit ins Schaufenster" zu stellen, wie es der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Tom Buhrow ausdrückt: Konzerte, Ausstellungen und weitere Kulturereignisse. Aus seiner Sicht interessiere es Menschen in Norddeutschland genauso, was in Thüringen oder im Rheingau stattfindet, wie etwas, was in ihrer Region stattfinde.
Im Gespräch ist offenbar, das neue Angebot in Halle an der Saale anzusiedeln. Eine Entscheidung, die aus Sicht von Kritikern wie ein medienpolitischer Deal aussehen könnte.
Öffentlich-rechtliches Kulturangebot - Deal um den Rundfunkbeitrag?
Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland wollen eine gemeinsame digitale Kulturplattform unter Federführung des MDR aufbauen. Doch ein anderer Sender will bei dem Projekt nicht mitmachen – und sieht sich von der Politik in der Debatte um den Rundfunkbeitrag unter Druck gesetzt.
Hintergrund ist, dass der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, in jüngsten Äußerungen zur Medienpolitik beklagte, dass sich fast keine gemeinsame ARD-Einrichtung in den ostdeutschen Bundesländern befinde. Bei der geplanten Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro hatte sich Haseloff als einziger Ministerpräsident enthalten.
Auf diesen Zusammenhang angesprochen, betonte Buhrow allerdings, laute politische Forderungen hätten es eher schwerer gemacht: "Ich würde sagen, dass hätte vielleicht noch schneller klappen können, wenn es solche Äußerungen nicht gegeben hätte."
Bettina Schmieding: Was müssen wir uns darunter vorstellen, Herr Buhrow, unter einem gemeinsamen Kulturangebot. Soll das einen neuen Kultursender geben am Ende?
Tom Buhrow: Nein, es handelt sich nicht um einen Sender, sondern um eine Art Portal, wo wir das bündeln, was wir an vielen, vielen Kulturpartnerschaften, Kulturangeboten und auch Kulturveranstaltungen haben. Das ist ja immens: Wir haben alleine über 1.000 Kulturpartnerschaften zu bieten. Das macht im Augenblick jede Landesrundfunkanstalt für sich, aber das sind ja alles Schätze und die wollen wir wirklich bundesweit ins Schaufenster stellen und dafür soll dann dieses Kulturportal sein. Das geht natürlich nicht ohne auch zusätzliche Anstrengungen zu machen und einige originäre Dinge dann auch dazu zu machen.
Die Bayreuther Festspiele sind vielleicht das falsche Beispiel, aber wenn ich jetzt Schleswig-Holstein Musikfestival oder der Ring der Nibelungen oder Beethoven-Jahr dieses Jahr – wenn da Dinge aufgeführt werden von unseren Rundfunkorchestern, dann kann man natürlich vielleicht mal über dialogische Formate mit dem Dirigenten nachdenken oder mit einzelnen Musikern. Also all solche Dinge sind möglich und das ist ein ungeheurer Schatz, den wir da zusammentragen.
Schmieding: Fünf Millionen Euro wird dieser Schatz im Jahr kosten. Ein Betrag, für den die Sender ja zusammenlegen wollen. Das haben Sie miteinander vereinbart in der letzten Woche. Wie sind diese fünf Millionen, dieser zusätzliche Beitrag mit der Forderung, dass die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich mehr sparen sollen, zu vereinbaren?
Buhrow: Wie alles, was wir machen, geht das nur, indem wir umschichten. Wir hatten ja auch schon das große Angebot "Funk" als Kraftanstrengung gemacht ohne ein Projekt anzumelden und dafür Bedarf anzumelden. Und diese Bündelung werden wir auch schaffen, ohne dass wir dafür einen Bedarf anmelden. Wir machen es quasi aus eigener Kraft.
"Funk" von ARD und ZDF - Alles außer Fernsehen
ARD und ZDF hatten schon einige Versuche hinter sich, die Jugend wieder vor den Fernseher zu bekommen. Das "junge Angebot von ARD und ZDF" ist 2016 als ein Online-Content-Netzwerk mit verschiedensten Formaten gestartet: Snapchat-Soap, Morning Show, Kochshow.
"Mediathek und Audiothek stärken"
Schmieding: Es gibt ja schon diese Mediatheken und Audiotheken, die gebaut wurden, um Angebote zu bündeln. Fürchten Sie dann nicht eine Art von Kannibalisierung der bestehenden Angebote?
Buhrow: Es soll gerade im Gegenteil sein; sondern wir wollen die Audiothek und die Mediathek damit stärken, denn es soll nicht irgendeine parallele Struktur aufgebaut werden, sondern – wie ich gesagt habe – wir bündeln das, was wir an Schätzen haben und jetzt im Augenblick Landesrundfunkanstalt für Landesrundfunkanstalt gemacht wird und auch präsentiert wird, zum Teil dann in die Archive wandert. Das wollen wir präsentieren und damit gerade Mediathek und Audiothek stärken.
Schmieding: Jetzt fällt ja diese Entscheidung für das neue Kulturangebot zusammen mit der auch anstehenden Entscheidung für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 17,50 auf 18,36. Zustimmen müssen die Länder. Aus Sachsen-Anhalt – das ist nicht das einzige Bundesland, aber vor allen Dingen von dort – kommt Widerstand und von dort kommt auch Post an die Intendanten der ARD. Eine Zustimmung wird in dieser Post auch ein bisschen von der Ansiedlung von Gemeinschaftseinrichtungen abhängig gemacht. Ist das der Grund, warum es jetzt diese Gemeinschaftseinrichtung Kulturangebot in Halle an der Saale geben soll?
Buhrow: Im Gegenteil. Laute politische Forderungen haben es uns eher schwerer gemacht. Deshalb möchte ich auch betonen: wir sind schon seit 2019 dabei, uns sowohl um das Thema mehr Präsenz in den ostdeutschen Bundesländern zu kümmern, als auch mit dem Thema zu beschäftigen, wie können wir unsere Kulturveranstaltungen und das, was wir kulturell machen, mehr ins Schaufenster stellen.
Beide Dinge sind schon länger im Gespräch bei uns und es besteht gar kein Zusammenhang. Den Zusammenhang auch nur anzudeuten, macht es eher schwerer. Ich würde sagen, dass hätte vielleicht noch schneller klappen können, wenn es solche Äußerungen nicht gegeben hätte.
Rundfunkbeitrag- Empfehlung: 18,36 Euro
Die Finanzkommission KEF, die regelmäßig Empfehlungen zur Höhe des Rundfunkbeitrags macht, hat ihren neuen Bericht vorgelegt. Darin empfiehlt sie für die kommenden Jahre einen Beitrag von 18,36 Euro. Die Rundfunkanstalten würde das zum Sparen zwingen.
"Keine taktischen Überlegungen"
Schmieding: Aber dann hätten Sie doch auch noch ein paar Wochen abwarten können bis die Länderparlamente abgestimmt haben. Dann wäre dieser Eindruck gar nicht erst entstanden.
Buhrow: Wir machen gar keine taktischen Überlegungen dabei, sondern wir beschäftigen uns mit dem, was sinnvoll ist und was wir auch für angemessen halten.
Schmieding: Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks, der sieht ja eine Verknüpfung mit den Rundfunkbeiträgen und macht deswegen nicht mit. Warum ist es ihnen, Herr Buhrow, als ARD-Vorsitzendem nicht gelungen, den BR mit ins Boot zu holen?
Buhrow: Das muss jeder für sich entscheiden. Es gab auch früher schon mal Acht-zu-eins-Entscheidungen, es ist nicht das erste Mal. Wir respektieren alle – ich als Vorsitzender sowieso, aber auch alle in der ARD respektieren absolut Überlegungen von Ulrich Wilhelm und dem Bayerischen Rundfunk. Da gibt es also kein böses Blut. Die Frage ist ja auch: Was ist die Rolle der Kultur, die sieht mancher eben auch eher bei den Ländern und damit bei den Landesrundfunkanstalten angesiedelt. Aber wir sind der Meinung, dass jemand in Norddeutschland etwas, was in Thüringen oder im Rheingau stattfindet, genauso interessiert, wie etwas, was in seiner Region stattfindet.
Schmieding: Auch die CDU-Fraktion in Magdeburg sieht ja einen solchen Zusammenhang, den auch Wilhelm da herstellt zwischen dem Kulturangebot und der Beitragserhöhung. Markus Kurze, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt, hat uns gesagt, dass er nicht bei einem, so hat er gesagt, Kuhhandel mitmachen wolle. Das sei kein gutes Zeichen für unsere Demokratie.
Buhrow: Ja. Ich habe die Äußerung noch gar nicht gehört. Ich kann nur sagen, wir haben uns entschlossen, erstens unsere Kultur zu bündeln und die ins Schaufenster zu stellen und zweitens etwas für Mitteldeutschland zu tun. Und wo das in Mitteldeutschland angesiedelt wird, das ist ja noch gar nicht klar. Jetzt muss der Mitteldeutsche Rundfunk klären, wo in seinem Sendegebiet das am besten angesiedelt wäre und Sinn macht.
Öffentlich-rechtlichen Rundfunk angemessen finanzieren
Schmieding: Ich würde gerne noch mal kurz auf die Beitragserhöhung an sich, die jetzt ansteht, schauen. Auch aus den Landtagen in Sachsen und in Thüringen kommen ja skeptische Stimmen was diese Erhöhung angeht. Es müssen ja alle Landesparlamente zustimmen. Was macht die ARD, wenn das nicht klappt?
Thüringen zum Rundfunkbeitrag - Unsicheres Landtagsvotum
Monatlich 18,36 Euro statt wie bislang 17,50 Euro Rundfunkbeitrag – in Thüringen ist die stärkste Kraft im Landtag, die Linkspartei, dafür. Doch neben der AfD könnte auch die CDU gegen die geplante Erhöhung stimmen. Entscheidend wäre dann das Votum der FDP.
Buhrow: Ich gehe davon aus, dass wir alle – Sie beim Deutschlandradio, wir bei der ARD, die Kolleginnen und Kollegen beim ZDF – dass wir alle jetzt gerade bewiesen haben und beweisen, dass wir mit großer Ernsthaftigkeit und mit angemessenem Fleiß und aber auch Bescheidenheit eine sehr konstruktive Rolle für die Gesellschaft einnehmen.
Ich glaube, dass vieles, was in der Corona-Krise die Menschen bewegt hat, das Für und Wider, die Abwägungen von medizinischen Aspekten, von politischen Aspekten, von Schutzmaßnahmen, dass das gar nicht möglich gewesen wäre, das demokratisch so transparent zu diskutieren ohne die öffentlich-rechtlichen Medien. Und ich glaube, dass das jedem klar werden wird im Laufe dieses Jahres, auch dass wir da einen wichtigen Dienst erweisen der Gesellschaft und dass der eben auch angemessen finanziert sein muss.
Rundfunkbeitrag in der Coronakrise: Unternehmen können sich freistellen lassen
Die Rundfunkanstalten haben beschlossen, dass es beim Rundfunkbeitrag einen Corona-Rabatt für Unternehmen geben wird – unter bestimmten Voraussetzungen. Doch die Hoteliers sind mit den Bedingungen nicht einverstanden.
Schmieding: Die Öffentlich-Rechtlichen, also ARD, ZDF und auch das Deutschlandradio, Sie haben es erwähnt, sitzen zusammen alle in einem Boot. Es gibt die rechtliche Möglichkeit vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Das hat es ja auch schon mal gegeben in den Nullerjahren. Hätten Sie da Sorge, dass das Verhältnis zwischen Sendern und Beitragszahlern unter Umständen dann noch mehr leidet?
Buhrow: Über solche Aspekte mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Wir sind jetzt mitten in einem schon lange erprobten und bewährten Verfahren. Das heißt: als nächstes müssen sich die Ministerpräsidenten zusammensetzen, da steht die Unterzeichnung des Staatsvertrages an, der im März schon paraphiert wurde und dann sind die Parlamente dran. Alle anderen Sachen liegen vor. Das heißt, die KEF-Empfehlung liegt vor. Wir haben alles vorgelegt, was vorzulegen ist.
Ich denke auch an den in Rekordzeit geschaffen Finanzausgleich für die zwei kleinen Anstalten Saarland und Bremen. Also wir sind reformfähig und reformwillig und haben auch bekundet, dass wir das auch weit über die kommende Beitragsperiode hinaus sein werden und insofern vertraue ich darauf, dass dieser bewährte Prozess, dieses bewährte Vorgehen jetzt auch zu einem guten Ende kommt. Da will ich nicht gleich an Gerichte oder sonst irgendetwas denken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.